-Ein Zeugenbericht-
Große Ereignisse werfen ihre Schatten fast immer voraus. Zumindest jene, die gemeinhin als positiv und großartig verschrien sind. Es sollten die spektakulärsten EMAs aller Zeiten werden, mit Aufwand, Stars und einem Host, der für Erfolge bei Parties dieser Klasse eigentlich ein Garant ist. Sean Combs der Name, aka P Diddy aka Puff Daddy, seines Zeichens studierter Rapper, Labelboss, Inhaber einer Kleidermarke (Sean John Clothing) und mehrfacher Platingewinner. Dabei ist er immer der Bad Boy geblieben. Sein Auftritt ist zwar nicht spektakulär, aber trotz allem nur mit einem Wort zu bezeichnen:"cool". Er ist jung, schwarz und Millionär. Mit Zahnstochr im Mundwinkel überblickt er von der Bühne aus 13000 begeisterte Zuschauer, die dunkle Sonnebrille verdeckt die Augen, der Adoniskörper steckt in einem Anzug aus schwarzem Was-weiß-ich, hauptsache teuer. Der Albtraum aller Schwiegermütter. Oh, entschuldigung, wir sind im 21. Jahrhundert - der Traum aller Schwiegermütter.
Und Diddy hat geladen, soviele Stars wie noch nie bei den EMAs. Auf dem roten Teppich präsentieren sich die Großen des Musikbuisness in bester Oscar-Manier, dabei leisten sich die in bestem Oxfordenglisch vor sich hin blaffenden Girlies des Musiksenders MITV als Moderatorinnen zwar einen Ausrutscher nach dem nächsten, doch schaffen es immer wieder, dies durch das geschickte Einsetzen ihrer Brüste oder eben der Intimpiercings unwichtig erscheinen zu lassen. Die Show an sich folgt ihrem festgelegten Rahmen, bekannt aus den vergangenen Jahren. Der Host kündigt die Laudatoren an, diese wiederum verweisen auf die Nominierungen um dann den Gewinner zu verkünden. Dieser recht simple Job des Verlesens einiger Sprüche auf dem Prompter gerät für einige allerdings durchaus zur Gratwanderung zwischen Humor und Lächerlichkeit - und das, wo doch dieses Jahr so viele Stars die berühmten Worte "And the winner is.." sprechen durften. Ronan Keating, Pierce Brosnan, Holly Valance, Patrik Kluivert, die Sugababes und eine ganze Menge anderer Berühmtheiten. Der allseits gepriesene Funke der Witzigkeit wollte aber leider nie so wirklich überspringen, soviel Mühe sich die hart arbeitenden Promis auch gaben. Dafür entschädigten dann aber zum Teil die Preisträger: Linkin Park gewannen zwei Awards (Best Hardrock, Best Group), waren allerdings nur mit einem Bandmitglied vertreten, welches dann auch nicht viel zu sagen hatte in der Dankesrede, gar nichts um genau zu sein. Kylie Minogue, ebenfalls doppelte Gewinnerin in den Kategorien Best Pop und Best Dance, überraschte mit Selbstironie und ihrer lockeren Art, J LO, Gewinnerin des Best Female Awards, ließ ihre Danksagung per Video übermitteln und glänzte somit durch Abwesenheit. Ihr männliches Pendant Eminem gewann ausser dem Best Male noch den Best Hip Hop und den Best Album Award, wurde dadurch erneut zum Abräumer des Abends, wobei er diesmal die Hasstiraden in Richtung Moby unterließ und insgesamt einen eher ruhigen Eindruck vermittelte. Das Gegenteil dazu war Steaufmännchen Pink, sie gewann für "Get the party started" den Award für den besten Song, bedankte sich artig aber nicht übertrieben förmlich und ließ bei der Wahl ihres Kleides Modeverständnis vermissen. Bei all dieser Überdimensionalität wollte Mister Diddy nicht hinten anstehen und versuchte bei jeder Gelegenheit die Lacher auf sich zu ziehen, was ihm allerdings kaum gelingen konnte. Die Bild-Zeitung hätte während der Show eine Sonderausgabe drucken sollen um ihre Leser aufzufordern, Gags für den verhinderten Comedian zu schreiben. Entgegen seiner Hautfarbe blieb Combs aber eher blass und wird wohl so schnell keine Awards mehr hosten.
Im Gegensatz dazu standen die Auftritte der Stars, die sich alles in allem sehen lassen konnten. Bon Jovi und die Foo Fighters rockten, Eminem begeisterte mit seinem neuen Song "Loose Yourself", dem Soundtrack zu dem Film "8 Miles", Enrique Iglesias und seine Band mixten ebenfalls zwei ihrer Hits und versuchten dabei gleich, Enrique zum Rockstar zu machen, seine Posen allerdings ließen eher sexuelle als rockige Ambitionen erkennen. Drogenfreundin Houston meldete sich mit einem soliden Auftritt zurück, ging allerdings im Vergleich mit den beiden Ladies Pink und Aguilera deutlich unter. Erstere mixte drei ihrer Hits zu einem explosiven Mischung und Miss Dirrty gab sich zusammen mit Redman fast ebenso lasziv und anrüchig wie in dem Video. Die Halle kochte und Diddy gab sich alle Mühe, das auszunutzen. So ließ er einige Kellner mit Sektgläsern auf Tabletts durch die Halle marschieren um die Partystimmung# zu vollenden. Ein Glas landete bei ihm, der Rest auf dem Boden. Große Ideen erfordern auch eine große Umsetzung. Am Ende gingen wohl alle zufrieden nach Hause bzw auf die Aftershow- Party, die mit Sicherheit noch einige Wahrheiten offenbart hat. Zumindest aber hat sich an diesem Abend eine Branche selbst gefeiert, die bei jeder Veranstaltung den zwanghaften Versuch unternehmen muss, wirtschaftlich unabhängig zu wirken. Die politische und soziale Realität wurde wieder einmal entschlossen ausgesperrt und der Bürger durfte mit leuchtenden Augen einen Blick gen Himmel vom heimischen Fernsehschirm erleben.
Ein verstrahlter
-snooc