Klosteranlage I: Holzpfostenbau; letztes Viertel 8. Jahrhundert.
Klosteranlage II: Steinbau; 9. Jahrhundert.
Dreischiffige Hallenkirche, Holz-Ständerbau; letztes Viertel 8. bis 9. Jahrhundert.
Chorquadratkirche mit gleich breitem Chor; 10./11. Jahrhundert.
Dreischiffige Anlage mit Querhaus, Chorquadrat und Apsis; 12. Jahrhundert.
Das Kloster wurde von Herzog Tassilo III. gestiftet, jedoch bezieht sich das in diesem Zusammenhang seit dem 14. Jahrhundert tradierte Datum von 777 nicht auf die Gründung von Mattsee, sondern auf Kremsmünster. Im Verbrüderungsbuch von St. Peter (783/784) wird als Abt von Mattsee ein Albuin genannt, der auf der Synode von Dingolfing anwesend war, was auf ein Gründungsdatum für das Kloster um das Jahr 770 schließen läßt. 817 wird Mattsee als Reichsabtei bezeichnet (Eintragung im Aachener Klosterkatalog Ludwigs des Deutschen). 877 schenkte König Karlmann das Kloster Mattsee an seine Stiftung Altötting, mit der es 907 an das Bistum Passau übergeben wurde. Auf Bischof Berengar von Passau (1013 - 1045) dürfte die Umwandlung der ursprünglichen Benediktinerabtei in ein weltpriesterliches Kollegiatstift zurückzuführen sein. Die Stiftskirche wird erst 1276 anläßlich eines Brandes urkundlich erwähnt, der den Bau der bestehenden frühgotischen und später barockisierten Querhausbasilika bewirkte. Anläßlich von Grabungen durch G. Melzer (1978) konnten zwei Klosterbauphasen und drei sakrale Vorgängerbauten erfaßt werden.
Vom frühesten Klosterbau, einem langgestreckten Holz-Pfosten-Bau im Westteil des heutigen Langhauses, erhielten sich 19 Pfostengruben, die jedoch nur die Festlegung der Baufluchten zulassen. Die Identifizierung der Anlage mit dem agilolfingischen Klosterbau beruht auf der Orientierung eines Baumsarges (zweite Hälfte 8. - 9. Jahrhundert), der diesen Baufluchten folgt. Nach der Zerstörung des Holzklosters durch Brand im 9. Jahrhundert wurden die Klosterbauten in Stein mit etwas abweichenden Baufluchten wiedererrichtet. Der Befund erbrachte zwei ungleich große, gegeneinander versetzte Räume, welche einerseits den darunterliegenden älteren Holzbau überlagern und andererseits vom der darüberliegenden jüngeren Steinkirche aus der zweiten Kirchenbauphase (10. Jahrhundert) überbaut werden.
Von der ersten Klosterkirche konnten im Osten der heutigen Kirche und unter der Sakristei 16 Pfostengruben eines dreischiffigen Holzständerbaus ergraben werden, wobei die Schiffe gleich breit dimensioniert waren. Drei weitere Pfostengruben in Breite des Mittelschiffs bildeten vermutlich eine relativ kleine Vorhalle von 2 x 2 m. Dieser erste Kirchenbau weist im Grundriß Ähnlichkeiten mit süddeutschen Holzkirchen aus dem 8. - 9. Jahrhundert auf (St. Maternus in Breberen, Kreis Heinsberg, St. Martin in Pier, Kreis Düren und St. Gallus in Brenz, Kreis Heidenheim).
Der ersten, bereits mehrschiffigen Holzkirche aus dem 8. Jahrhundert folgte im 10. Jahrhundert ein Neubau in Stein. Die Ursache für den Neubau war offensichtlich nicht unmittelbar auf den Brand des 9. Jahrhunderts zurückzuführen, welcher den Neubau des Klosters in Stein bewirkte. Dieser zweite Kirchenbau kann als langgestreckter Saalraum mit nicht eingezogenem Chorquadrat rekonstruiert werden. Die Klosterbauten aus der zweiten Bauphase mußten bei seiner Errichtung teilweise abgebrochen werden. Der Altarraum der Steinkirche entspricht genau der Vierung der frühgotischen Kirche. Das Beispiel Mattsee zeigt, daß im Frühmittelalter die zeitliche Abfolge von Holz- und Steinbauten nicht immer mit einer qualitätsorientierten Wertung verbunden war. Auch für den zweiten Klosterkirchenbau können vergleichbare Kirchentypen im süddeutschen Raum namhaft gemacht werden (Kirche in Auen, Kreis Kreuznach, St. Willigis, die "Gezelinus"-Kapelle).
Im 12. Jahrhundert wurde die frühromanische Kirche durch eine dreischiffige Anlage mit Querhaus, Chorquadrat und Apsis ersetzt, die bis zum Brand von 1276 bestand. Für alle vorgotischen Bauphasen ist die strikte Beibehaltung der Kirchenachse bemerkenswert.
Literatur: Buberl, Kunsttopographie 10/2, 1913, 265f. - Spatzenegger, Mattsee, 1977, 285 - 292. - Koller, Klöster, 1977, 16f. - Melzer, Mattsee, 1979, 103 - 153. - Wagner, Mattsee, 1982. - Czerwenka, Architektur, 1992, 103 - 106.
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studiolo 19.06.99 21:39