Das Kuscheltier



Das Kuscheltier

Komisch, da suche ich monatelang nach einem Freund, gehe in Discos und auf Partys, beobachte die Jungen in meiner Schule - ohne Erfolg. Aber dann auf eurer Feier bei Dir...
Eigentlich war ich gar nicht eingeladen, ich bin auf einer anderen Schule. Vor ein paar Wochen habe ich mit meiner Freundin, die bei dir in der Clique ist, einen Ausflug zum Baggersee gemacht und euch dort getroffen. Meine Freundin zögerte nicht lang und erkundigte sich, ob ich auch zur geplanten Sommerparty kommen könnte. "Kein Problem", lautete Deine Antwort. "Im Matratzenlager in der Garage ist noch Platz." Ich bin meiner Freundin so dankbar!

Tja, Platz ist wirklich genug. Trotzdem ziehen wir es vor eng nebeneinander zu liegen, denn wir teilen uns Dein Kopfkissen. Zunächst bist Du mit den Füßen zur Tür gelegen, nachdem aber ein gutes Dutzend Mal jemand über Deine Beine gestolpert ist, hast Du mit meiner Freundin, die es sowieso noch nicht in die Waagerechte zieht, den Liegeplatz getauscht. Mir ist das egal, ich kuschle mich in meinen Schlafsack und schaue dem bunten Treiben rund um uns herum zu.

Halb zwei. Da es bereits meine zweite Partynacht ist - die erste bin ich auf einem Volksfest gewesen - lege ich die Brille an einen einigermaßen sicheren Platz und versuche trotz des Lärms und des Gurgelns in meinem Bauch einzuschlafen. Wahrscheinlich zu viel Cola getrunken. Deswegen kann ich auch nur auf der Seite liegen; mit dem Rücken zur Wand.
Du regst dich auf, weil jemand eine Tür zuknallt. Mit einem entschuldigenden Blick zu mir nimmst Du wieder Dein Kuscheltier in den Arm und schaust mir weiter in die Augen.
Dass ein Sechzehnjähriger noch ein Kuscheltier hat! Seltsam, aber es macht Dich mir noch sympathischer. Man hat mir sogleich erzählt, dass Du es um keinen Preis im Leben hergibst, sogar ins Landschulheim musste das Tierchen mit! Und was Du jetzt machst, haut mich buchstäblich um! Du ziehst Dein T-Shirt aus! Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Selbst ohne Brille kann ich deine Schönheit sehen. Warum bist Du mit am Baggersee noch nicht aufgefallen?
Plötzlich habe ich den bestimmten Wunsch an Stelle des Kuscheltieres in deinem Arm zu liegen. Spürst Du meinen Blick? Ich könnte Dir stundenlang in die Augen schauen!
Daran hindert mich zunächst mein wütender Magen und ich verschwinde auf der Toilette. Als ich zurückkomme, sind nur noch die Hälfte der Gäste in der Garage; es hat aufgehört zu regnen. Der nächste, der den Raum verlässt, macht gnädigerweise das grelle Licht aus. In der nun eingetretenen Stille schlafe ich sofort ein.
Keine Viertelstunde später erwache ich wieder. Was hat der Junge gerade gesagt? "Ich lasse euch zwei Turteltauben wohl lieber allein!"
Ich bin total verwirrt. Ich liege doch immer noch an der gleichen Stelle wie vorhin und kann mich auch an keinerlei Annäherungsversuch erinnern. Trotzdem scheinen es alle für nötig zu halten uns beide alleine in der dunklen großen Garage zu lassen!
Mein Gehirn läuft auf Hochtouren; von Bauchschmerzen keine Spur mehr. Sollten etwa alle gemerkt haben, dass Du mich die ganze Zeit beäugst, nur ich nicht? Das muss ich testen. Aber das ist mal wieder
typisch: ich erfahre alles immer als Letzte!
Scheinbar unberührt von der Situation lege ich mich wieder hin, die rechte Hand zufällig neben Deine, so dass sie sich gerade berühren. Du ziehst sie nicht zurück.
Jemand hat etwas vergessen und schaltet das Licht an. Geblendet halte ich mir die Augen zu und Du knurrst ihn an, er soll bloß wieder das Licht ausmachen.
"Schon gut, ich will euch ja nicht weiter stören!" Und bevor er wieder verschwindet, ruft er laut, dass alle anderen draußen es ebenfalls hören: "Falls du etwas brauchst, in meiner Tasche sind welche." Unschwer zu erraten was mit etwas gemeint ist.
Zweiter Test. Ich lasse mich wieder zurücksinken und rutsche fast unmerklich näher zu Dir. Dieses Mal lege ich die Hand auf Dein Handgelenk. Nach einer scheinbar endlosen Weile fängst Du an sie zu streicheln. Bingo! Nur, wie geht es weiter? Ich möchte Dich ja nicht überrumpeln und die richtigen Worte fallen mir natürlich nicht ein.

Nun, ich habe nicht mit den anderen gerechnet. Plötzlich ruft jemand nach Dir, er will etwas mit Dir besprechen. Widerwillig raffst Du Dich auf und verschwindest im Nebenraum. Zugleich huscht meine Freundin herein und quetscht mich aus. Wie ich Dich finde, ob ich was von Dir will und so weiter. Dann kommt einer deiner Freunde dazu und bittet mich: "Falls du nichts von ihm willst, bitte verarsch ihn dann nicht!" Ich frage ihn wie Du mich findest. Er nickt nur und beide schauen mich erwartungsvoll an. Ich hole tief Luft und sage gottergeben ja.
"Na also!" Meine Freundin umarmt mich stürmisch.

Wir machen die Nacht durch. Nicht mit tanzen und Musik und Sauferei, nein, mit nicht enden wollender Zärtlichkeit. Erst um halb sechs gewinnt die Müdigkeit die Oberhand, jedenfalls bei mir. Glücklich liege ich in Deinem Arm. Es hat keiner großen Worte bedurft; die Situation war klar.

Dein Kuscheltier liegt irgendwo hinter einem Verstärker...


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