Schichtengrabung (Stratigraphie)
Die Schichtengrabung, oder auch archäologische Stratigraphie genannt, hat zur Zielsetzung, die einzelnen Bau- und Besiedelungsschichten minuziös freizulegen. Hierbei wird auch die Lage von archäologischen Kleinstfunden berücksichtigt.
Die Schichtengrabung stellt wesentlich höhere Anforderungen an das Grabungsteam, als die Abstichgrabung, die auch von ungelernten Grabungshelfern durchgeführt werden kann. Die Stratigraphie erfordert eine gezielte Schulung des Grabungspersonals und des gesamten Mitarbeiterstabes, da schwerwiegende Grabungsfehler in der Regel nicht wieder kompensiert werden können.
Im Gegensatz zur Abstichgrabung, ist die Stratigraphie nicht auf eine bestimmte Art von Siedlungsplatz beschränkt. Vielmehr kann sie überall dort angewendet werden, wo Schichten erhalten geblieben sind. Jedoch müssen Technik und Organisation der Schichtabtragung den jeweils vor Ort herrschenden Gegebenheiten angepasst werden.
Die Stratigraphie beruht auf dem Prinzip, dass abgelagerte (Erd-)Schichten eine chronologische Reihenfolge bilden. Man geht im Normalfall davon aus, dass die oberste Schicht die jüngste und die unterste Schicht die älteste ist.
Bei der Stratigraphie werden Bauschichten, sowie andere Schichten alter Oberflächen in voller Stärke abgetragen.
Je nach Stärke einer Schicht erfolgt die Abtragung entweder in einem Zuge oder auch in mehreren Arbeitsgängen. In der Regel ist es allerdings wünschenswert, die verschiedenen Teile einer Schicht in getrennten Arbeitsgängen freizulegen. Vor allem bei stark ausgeprägten Kulturschichten. Gerade Schichten, die Haushaltsabfälle, Asche, Holzkohle oder auch Exkremente aufweisen sollten sorgfältig abgebaut werden, da sie nicht nur einen ausgezeichneten Schichtentrenner abgeben, sondern auch stratigraphisch sehr bedeutsam sind. Gerade diese Schichten enthalten oftmals Gegenstände, die im Laufe der Zeit verloren gingen oder weggeworfen wurden. Beim Abtragen der Schicht muss behutsam darauf geachtet werden, dass diese Fundstücke nicht angeschürft werden.
Sobald die jüngere Schicht vollständig abgeräumt wurde, beginnt die Wegnahme der dunklen Kulturschicht. Mit feinem Gerät arbeitet man so lange an der Schicht, bis die zugehörige Begehungsfläche sauber freigelegt ist. Auch bei sogenannten Brandtschichten, die durch die Zerstörung von einzelnen Gebäuden oder sogar von ganzen Ansiedlungen entstanden sind, verfährt man auf die gleiche Weise. So können Trümmer sorgfältig freigelegt und gezeichnet werden. Gerade sie können wichtige Hinweise auf die Konstruktion von Haus- oder Mauerbauten geben. Gegenstände die in diesen Brandschutt eingebettet sind, lassen auch häufig Rückschlüsse auf die Funktion der Gebäude zu.
Wie geht man nun genau bei einer Schichtabtragung vor?
Da jede archäologische Ausgrabungsstelle ihre eigene Individualität besitzt, gibt es für die Stratigraphie keine allgemeingültige technische Lösung. Jedoch bleibt das Grundprinzip der Schichtabtragung bei allen Grabungen gleich. Da es in diesem Rahmen nicht möglich ist, alle praktizierten Verfahrenstechniken zu beschreiben, beschränken wir uns auf die Vorgehensweise die alle stratigraphischen Grabungen gemeinsam haben.
Zuerst werden vereinfachte Kopien der Bodenprofile angefertigt, die lediglich den exakten Schichtverlauf oder auch Bauspuren wiedergeben. Dazu wird eine transparente Folie mit einem Millimeternetz hinterlegt. Auf diese Weise werden die Höhenunterschiede des Geländes gesucht und festgehalten. Sobald diese Arbeit fertig ist, kann mit der eigentlichen Freilegung begonnen werden. Hierbei geht man zuerst von einer Schmalseite zur anderen Schmalseite, während man bei der Arbeit ständig auf die Höhe der zu untersuchenden Schicht achten muss, damit man nicht ausversehen in eine andere Zeitschicht gerät. Die Höhenmessung wird daher ca. alle 50 cm durchgeführt. Auf diese Weise ist auch ein präzises Verfolgen der Schichtoberfläche und der Begehungsfläche gewährleistet.
Beschäftigen wir uns nun mit der Bergung von archäologischen Kleinfunden. Da nicht alle Kleinfunde, die bei einer Ausgrabung zutage treten von besonders guter Qualität sind, oder auf Grund ihrer Fundlage für eine stratigrafisch funktionale Auswertung nicht so sehr geeignet sind, werden die Kleinfunde grob in folgende Kategorien eingeteilt:
1. Kleinfunde von besonderer Qualität
2. Stratigrafisch bedeutsame Kleinfunde
3. Kleinfunde von geringerer stratigrafischer Qualität
4. Kleinfunde aus Pfostengruben und sonstigen Störungen
Streufunde
Zu den Kleinfunden besonderer Qualität zählen intakte Tongefäße sowie Scherben, die man wieder zu einem Gefäß zusammensetzten kann. Aber auch Gegenstände aus Metall, Glas, Stein, Holz, Knochen sowie auch Reste von Geweben und Geflechten.
Obwohl sich auch die technischen Möglichkeiten in der Archäologie genauso weiterentwickeln, haben sich die Arbeitsinstrumente für eine behutsame Freilegung von Kleinfunden seit Beginn der modernen Archäologie nicht großartig verändert. Noch heute gehören Maurerkelle, Spachtel und Pinsel zu den wichtigsten Utensilien eines Archäologen. Sie ermöglichen es, auch die kleinsten Funde freizulegen, ohne ihre Position zu verändern oder sie zu beschädigen. Würde dieses bei einer Ausgrabung passieren (was leider immer wieder mal vorkommt), wären diese Fundstücke für eine stratigraphische Auswertung nicht mehr geeignet.
Sobald nun ein solcher archäologischer Kleinfund von besonderer Qualität freigelegt wurde, wird er dreidimensional eingemessen und auf einer Planzeichnung punktgenau eingetragen und mit einer Fundnummer versehen. Diese Fundnummer muss sich genauso auf dem Fundstück selbst, wie auch auf der Planzeichnung befinden, um das Artefakt jederzeit seinem Fundort zuordnen zu können.
Die stratigraphisch bedeutsamen Funde, die für die Deutung der Funktion von Bauten wichtig sind, werden im Grunde ebenso behandelt, wie die Kleinfunde von besonderer Qualität. Funde, die weniger wichtig erscheinen, kann man nach sorgfältigem Aufzeichnen ihrer Lage und der Vergabe einer Fundnummer einsammeln.
Leicht zerbrechliche Fundstücke bedürfen einer besonderen Behandlung. Die optimalste Vorgehensweise ist hierbei das entfernen der Artefakte in einem Block. Auf diese Weise ist es möglich die Fundstücke sicher in eine Werkstatt oder ein Labor zu bringen, wo sie vorsichtig und sorgfältig freigelegt werden können. Dieses wird mit materialgerechten Arbeitsgeräten durchgeführt. Meist wird hierfür ein Pinsel oder auch ein Fön verwendet, um die Fundstücke oberflächlich freizulegen, sie aber nicht zu reinigen. Im Anschluss werden Abgüsse der Kleinfunde genommen, wobei man verschiedene Materialien wie Gips, Bienenwachs oder auch Parafin verwenden kann. Organisches Material wie Gewebe, Netzwerk oder Schnüre, wird in der Regel direkt vor Ort mit einer wässrigen Zuckerlösung versehen, um die organischen Fundstücke so zu festigen und sie nach der vollständigen Trocknung in geeigneten Behältnissen aufzubewahren.
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