Die pure Lust
Schade, dass AUTO BILD nicht als CD erscheint. Dann würde
man auf dieser Seite gar nicht lesen, sondern vor allem hören:
WRRROOOAAARRR. Ein metallisches, mechanisches Mahlen, der
Klang eines Rennmotors, der den Honda auf jedem Meter begleitet
und uns unmissverständlich in die Gehörgänge
drückt: Der S2000 ist kein Trittbrettfahrer auf dem modischen
Roadster-Zug, sondern eine extreme Fahrmaschine - für
die pure Lust.
Wie man die weckt, daran haben sich die Japaner buchstabengetreu
gehalten. Man nehme: zwei enge Plätze mit körpernaher
Passform, zwischen Kopf und Himmel nichts als eine dünne
Dachhaut und ein möglichst intensives Fahrerlebnis. Die
Einrichtung wirkt karg und eintönig, vor allem wenn das
serienmässige Leder auch schwarz ausfällt. Aber
beim Zündschlüsseldreh flammt dieser halbrunde Drehzahlhorizont
auf: sonnenglutrot erst ab 9000 Touren. Welche Aussichten
für eine herrliche Prozedur: Zum Anlassen drückt
man nämlich links einen Starterknopf.
Im Stadtgewühl gibt sich der Extremist erstaunlich zahm.
Kein Rucken, keine Zicken, die Kupplung flutscht leicht wie
in jedem Civic. Die steile Frontscheibe hält den Fahrtwind
draussen, die 1290 Kilo leichte Karosserie schluckt die Gullydeckel
so steif wie eine Felswand.
Nach 240 PS fühlt der Honda sich nicht gerade an, aber
die Pferde schlummern ja auch jenseits der 5850 Touren, wenn
die variable Ventilsteuerung VTEC auf eine schärfere
Nocke schaltet und die zweite Stufe zündet. Nicht schlagartig
wie in Hondas bisherigen Drehwundern wie dem Integra Type-R,
sondern sanft und unspürbar. Der Zweiliter dreht und
dreht weiter, der Verstand schreit längst "Schalten"
- aber der Honda hat weiter Luft. 7000, 8000, dazu die Endlos-Fanfare
"WROAR". Dann ein Klick - die kürzeste Schaltung
der Cabrio-Welt. Unsichere und Führerscheine sind akut
gefährdet, alle anderen packt der Drehzahlwahn. Selbst
ein Ferrari 360 Modena macht früher Schluss. Wie Honda
den Motor drehzalhfest bekommt (durch Alukolben, leichte Schlepphebel,
extrem belastbare Ventilfedern), das grenzt an Renntechnik.
Logisch, dass auch im Fahrwerk die reine Roadster-Lehre herrschen
musste. Knochenharte Federung, perfekte Gewichts-Balance 50:50
auf beiden Achsen. Die braucht er auch. Denn erstmals seit
35 Jahren, seit den kleinen Kult-Cabrios S600 und S800, treibt
Honda wieder die Hinterräder an. Ohne elektrische Schlupfkontrolle,
nur mit 30 prozentiger Differenzialsperre, die das Heck auf
Nässe gern in Richtung Kurvenrand schiessen lässt.
Reichlich puristisch. Und kein Fall für Sockenbügler,
sondern eher für Rennfahrer, von denen einige für
62480 Mark längst bei Honda unterschrieben haben. Deshalb
ist diese Formel Fahrspass bis Mai 2000 ausverkauft.
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