Gedichtesammlung

Der Weizenkönig (D.Wunderer frei nach Johann Wolfgang v.Goethe)

Der Weizengü (M.Schmidt frei nach R.M. Rilke)
 
 

Der Weizenkönig

Wer radelt so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Basti, er radelt geschwind;
Zwei Weizenstutzen wohl in seinem Arm,
Er faßt sie sicher, er hält sie warm.

Mein Basti, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Siehst, Erzähler, du den Weizenkönig nicht?
Den Weizenkönig mit Kippe und Mösenbart? -
Mein Basti, es ist der Nebel, der langsam aufklart. -

"Du lieber Basti, komm, trink mit mir!
Gar schöne Weizen schluck ich mit dir;
Manch rote Zoras sind in meinem Haus,
Komm Basti, trink die Weizen schnell aus ."

Erzähler, Erzähler, und hörest du nicht,
Was der Weizenkönig mir lallend verspricht? -
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein kleiner Stinker;
In dürren Blättern säuselt ein Trinker. -

"Willst, feiner Knabe, du mit mir saufen?
Die Ulla und Trulla werd ich zuammenraufen;
Sie werden führen den nächtlichen Reihn,
Und schmusen und streicheln und knutschen dich ein."

Erzähler, Erzähler und siehst du nicht dort
Die Ulla und Trulla am düstern Ort? -
Mein Basti, mein Basti, ich seh es genau:
Es ist nur ein Feuermelder und keine Frau. -

"Ich liebe dich, mich reizt dein Schumi-Kinn;
warum bist du nicht willig? komm schon, mach hin!"
Erzähler, Erzähler, der Gü, er güllt!
Der Weizenkönig hat mich abgefüllt! -

Dem Basti grausets, er radelt geschwind,
Er weinet aus Angst wie ein kleines Kind,
Erreicht die Paul-Gossen mit Mühe und Not;
Er ist betrunken, der Verstand ist tot.
 
 

Der Weizengü

Sein Blick ist vom vorübergeh´n der Weizen
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist´s, als ob es tausend Weizen gäbe
und hinter tausend Weizen seine Welt.

Sein Gang schlurfend schwerer Schritte,
der bis zur nächsten Tanke geht,
ist wie eine Sucht um die Mitte
in der betäubt sein Leben steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf.
Dann geht ein Fernsehbild hinein,
geht durch der Glieder abgeschlaffter Stille
und hört im Herzen auf zu sein.
 
  1