Re: kann mir das einer erklären? :-)))


[ Pretending ]


Geschrieben von Rollin am 12. August 2000 20:33:41:

Als Antwort auf: kann mir das einer erklären? :-))) geschrieben von derRastlose am 12. August 2000 19:40:08:

Hallo Rastloser!

Ich glaube nicht, dass ich Dich überzeugen kann, will ich auch eigentlich gar nicht. Ich kann Dir auch keine schlüssige Erklärung weder für die Devotee-Neigung noch für das Pretender-Interesse geben. Da scheint mir auch das, was jeder damit verbindet, nicht in allem übereinzustimmen.
Wie ich schon in meinem letzten Posting schrieb, denke ich, dass beides (Devotee-Neigung und Pretender-Wunsch) Seiten einer Medaille sind. Ich habe so meine eigene psychologische Erklärung für mich, die ich hier aber nicht breit treten will, weil sie zu persönlich ist.
Als Devotee fühle ich mich eigentlich schon von Kindheit an, auch wenn ich erst seit ca. 10 Jahren einen Namen dafür habe. Mädchen bzw. nun Frauen mit einer körperlichen Behinderung haben mich schon immer besonders angezogen. Der Anblick bringt meine Gefühle in Wallung. Das ist eine Mischung aus sexuellen Gefühlen, Zärtlichkeit, Mitleid vielleicht sogar auch und einer magischen Anziehung (je nachdem, um welche Behinderung es sich handelt und inwieweit mir die Frau sonst auch noch gefällt). Das ist eine Neigung, die mir ausser lustvollen Gefühlen auch sehr viel Unbehagen und Mißmut eingebracht hat. Lange habe ich mich dafür geschämt. Es ist auf jeden Fall keine frei gewählte Sache, sondern etwas was mich auch oft treibt.
Zum Pretenden: ich habe schon seit vielen Jahren den starken Wunsch verspürt, zu sehen wie es ist, sich im Rolli fortzubewegen. Ich denke, dass ich nur dadurch dass ich diesem Wunsch auch nachgehe, für mich ergründen kann, was es eigentlich für mich bedeutet. Ich lege es nicht darauf an, im Rolli eine besondere Anerkennung von Fußgängern zu bekommen (auch wenn mir das schon passiert ist, und dann auch eher peinlich war). Ich will mich damit auch nicht über jemanden lustig machen oder mich in die "Behindertengemeinde" einschleichen unter dem Motto "nun bin ich einer von euch" ;-) Es ist einfach die Erfahrung, in ein anderes Selbstbild zu schlüpfen, das ich auch schon seit Jahren mit mir herumtrage. Ich empfinde Spaß an der Bewegung und auch eine gewisse Lust an der Fantasie, meine Beine wären gelähmt. Vielleicht spielt auch das Ausklinken aus dem normalen Alltag eine Rolle dabei. Genauso wichtig ist es mir aber auch, mich wieder einzuklinken und weiterhin gehen zu können. Du hast sicher Recht damit, wenn Du meinst, dass sich Pretender nur die Rosinen aus der Behindertenrolle herauspicken. Sonst würde es auch nicht Pretenden heißen.
Ich denke, dass ich auch einige Erfahrungen gemacht habe, die jeder "wirkliche" Rollifahrer macht. Natürlich ist es immer eine gewaltiger Unterschied zu denen, die wirklich tagtäglich auf den Rolli angewiesen sind. Aber es ist auch nicht mein Ziel, darauf angewiesen zu sein. Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn mich tatsächlich ein Querschnitt ereilen sollte (wahrscheinlich müßte ich sogar mit dem Rollitraining von vorne anfangen).
Ich für mich sehe kein ethisches Problem darin, sich als Nichtbehinderter in den Rolli zu setzen. Ich versuche mir keine Vorteile dadurch zu erschleichen. Dass die Umwelt einen dann als Behinderten wahrnimmt, ist sicher gewollt, weil ich diese Erfahrung (soweit möglich) machen will. Mag sein, dass ich sie für meine Interessen, Wünsche, Neigungen benutze und dass das verwerflich ist. Dass Du es als ungerecht empfindest, dass es Dich lebenslänglich getroffen hat, kann ich nachvollziehen. Aber, lieber Rastloser, als krank sehe ich mich nicht! Da achte doch bitte in Zukunft trotz aller Empörung und allem Unverständnis (das ich nachvollziehen kann) auf Deine Wortwahl.
Ich hoffe, ich konnte ein paar Fragen beantworten.

Gruss, Rollin





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