Hafsa war die Tochter von 'Umar bin al-Khattâb, der aus einer angesehenen Familie stammte und ein weitgereister, kluger, stolzer und starker Mann war. Seine Feinde fürchteten ihn, denn er konnte sehr jähzornig werden. Seine Freunde schätzten ihn, und er sorgte vorbildlich für seine Familie und gab allen seinen Kindern eine gute Erziehung.
Aber er war ein heftiger Gegner des Islam. Zuerst hatte er den Propheten nicht weiter erstgenommen. Zwar kannte jeder in Mekka Muhammad als einen ehrlichen, aufrichtigen Kaufmann und zuverlässigen Geschäftspartner. Es war auch zur Genüge bekannt, da er sich weder an der Verehrung der alten Gottheiten beteiligte - in der Tat gab es Menschen, die sich davon fernhielten und stattdessen versuchten, so zu leben wie einst ihr Stammvater Ibrahim - noch an den gelegentlichen Trinkgelagen der Männer teilnahm, sondern zurückhaltend und nachdenklich war, sich für die Armen einsetzte und vielen Menschen mit guten Ratschlägen geholfen hatte. Aber dann waren merkwürdige Veränderungen mit ihm vorgegangen. Zuerst hatte man ihn sehen können, wie er mit seiner Frau Khadija, die ohnehin eine eigenartige Frau war, und seinem Vetter Ali so betete, wie man es in alten Zeiten getan haben mochte. Bald hatten sich seine engsten Freunde und seine Kinder ihm angeschlossen, aber nicht nur sie, sondern auch einige von Khadijas Freundinnen sowie junge Leute und Sklaven. Nun, mochte jeder glauben, was er wollte, solange er die Ordnung in der Stadt nicht störte! Immerhin folgten auch die Juden ihren eigenen Gesetzen und beteten ihren einzigen Gott an, und die Christen waren erst recht Sonderlinge, denn viele von ihnen fasteten viel und heirateten nicht und trugen einfache Kleider aus grober Wolle. Dann verbreiteten sich Gerüchte, da sich Muhammad gegen die alten Gottheiten aussprach, zum Glauben an einen einzigen Gott aufrief, das nahe Ende der Welt verkündete und den Menschen je nach ihren Taten in diesem Leben Lohn und Strafe in einem Leben nach dem Tod verhieß. Dies hatte er auch einmal zum großen Gelächter der Teilnehmer in der Ratsversammlung verkündet. 'Umar hatte dies alles mit einem Achselzucken abgetan, schließlich hatte er andere Sorgen. Als sich dann aber seine eigene Dienerin diesem Glauben anschloß, noch dazu ohne ihn zu fragen, und er befürchten mußte, da ihre strahlenden Augen auch seine Kinder neugierig machten, wurde es ihm zu bunt, und er versetzte ihr eine gehörige Tracht Prügel. Fortan wagte niemand mehr, in seiner Gegenwart von Muhammad und seiner Lehre zu sprechen oder ihn merken zu lassen, daß er sich dafür interessierte.
Trotzdem erfuhren die Kinder natürlich, wie es mit den Muslimen weiterging. Zuerst versuchten die Ratsherren, Muhammad von seinem Glauben abzubringen, denn sie sahen darin eine Gefahr für ihre Gesellschaft. Wenn die alten Gottheiten nicht mehr verehrt würden, wer weiß, ob Mekka dann noch eine so reiche und beühmte Stadt bleiben konnte. Immerhin standen in der Kaaba, dem uralten Haus Gottes, zahlreiche wertvolle Statuen verschiedener Gottheiten, und zur Zeit der Pilgerfahrt kamen die Menschen von nah und fern, um ihnen Opfer zu bringen. In dieser Zeit machten auch die Kaufleute in Mekka gute Geschäfte, und die "Hüter der Kaaba" konnten für alle möglichen Dienste Gebühren erheben. Die Ratsherren boten Muhammad viel Geld, eine hohe Stellung und eine schöne Frau an, wenn er nur aufhören würde, vom Glauben an den einzigen Gott zu reden. Aber er ging nicht darauf ein, und wie ein Magnet zog seine Lehre immer mehr junge Leute an. Zuerst wurden die Muslime verspottet. Eltern wiegelten ihre Kinder auf, ihnen auf der Straße Spottverse nachzurufen und Streiche zu spielen. Aber die Muslime reagierten nicht darauf, sondern gingen würdevoll weg. Wenn es die eigenen Söhne oder Töchter oder gar Sklaven waren, sperrte man sie ein und schlug sie. Aber all das schien nichts zu nützen. Junge Leute wie Hafsa und ihr Bruder Abdullah, denen die Sache bisher mehr oder weniger gleichgültig gewesen war, bekamen vor den Muslimen immer mehr Respekt. Schließlich wurden einige der Quraish so wütend, daß sie ihre muslimischen Sklaven schlimm mißhandelten, weil sie meinten, sie könnten damit andere abschrecken, und ansonsten armen und ungeschützten Muslimen auflauerten, sie überfielen und manchmal sogar töteten. Sie versuchten auch einmal, den Propheten selbst zu ermorden, aber das wurde von einem seiner treuen Freunde verhindert.
Hafsa konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem ihr Vater sich völlig veränderte. Er hatte gerade zwei Dinge erfahren: daß Muhammad diejenigen seiner Anhänger, die besonders zu leiden hatten, ins Ausland geschickt hatte, nämlich nach Abessinien, und daß sich die übrigen Muslime im Haus eines gewissen Arqam trafen. Die Auswanderung betrachtete 'Umar geradezu als Verrat, denn er befürchtete, die Muslime könnten den abessinischen Kaiser überreden, ihnen mit seinen Truppen zu Hilfe zu kommen. Er wurde so zornig, daß sich niemand in seine Nähe wagte. "Ich werde diesen Muhammad töten!" schrie er, ergriff sein Schwert und verließ das Haus. Mit Herzklopfen warteten alle ab, was geschehen würde, denn wenn er sein Vorhaben wirklich ausführte, konnte nach den Sitten der damaligen Zeit Muhammads Familie Vergeltung üben und Umas Leben fordern. 'Umar blieb lange fort. Als er endlich wiederkam, war er ein anderer Mensch.
Hafsas Tante Fatima erzahlte später oft, was sich ereignet hatte. Sie war Umars Schwester und wohnte damals mit ihrem Mann in einem anderen Teil der Stadt. Vor einiger Zeit nun hatten die beiden erfahren, was Prophet Muhammad (s) lehrte, und hatten darüber nachgedacht, was es bedeutete, nur einem einzigen Gott zu dienen und alle Menschen wie Geschwister in einer großen Familie anzusehen und ihnen Gutes zu tun, bis sie dereinst nach ihrem irdischen Tod dafür belohnt würden. Bald hatten sie den Islam angenommen. Mit Freude und Eifer verrichteten sie die Gebete und lernten die bis dahin offenbarten Teile des Qur'an von einem Lehrer, der sie regelmäßig besuchte. Fatima konnte inzwischen schon sehr gut lesen und vieles verstehen. Während eines solchen Unterrichts nun ertnten eines Tages plötzlich laute Schläge an der verschlossenen Haustür. Mitten im Satz brach Fatima erschrocken ab und schaute entsetzt erst ihren Mann, dann den Lehrer an. Das konnte nur 'Umar sein, der da drauen stand, und wenn nicht gleich jemand öffnete, würde er sicher die Tür einschlagen! Jedenfalls hatte er draußen hören können, was sie drinnen gelesen hatten - und was nun? Hastig steckte Fatima die Seiten des Qur'an in ihr Kleid und versteckte den Lehrer hinter einem Vorhang - hoffentlich würde 'Umar nicht das ganze Haus durchsuchen! Dann ging ihr Mann zur Tür und öffnete. "Was geht hier vor?" schrie 'Umar statt einer Begrüßung und stürzte sich mit den Fäusten auf seinen Schwager. Da bekam Fatima Angst, er würde in seinem Zorn ihren Mann totschlagen, und warf sich dazwischen. Aber 'Umar war so blind vor Wut und schlug so unbeherrscht zu, daß er erst wieder zu sich kam, als Fatima aus einer Kopfwunde blutete. Was war mit seiner Schwester geschehen, daß sie auf einmal so tapfer war? 'Umar schämte sich. Es war doch wirklich eine Schande für einen so großen und starken Mann, seine Schwester zu schlagen! Wie ein Mensch sich doch im Zorn vergessen kann! Da war er von zu Hause weggegangen, um Muhammad zu töten, und unterwegs hatte ihn jemand spöttisch aufgefordert, doch erst einmal bei seiner Schwester nach dem Rechten zu sehen, die längst den Islam angenommen hatte - und schon war er hier eingedrungen, und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seine Schwester und seinen Schwager auf dem Gewissen gehabt. Teils aus Neugier, teils um sein Verhalten wiedergutzumachen bat er Fatima, ihm doch einmal etwas aus dem Qur'an vorzulesen. Als sie spürte, daß es ihm ernst war, holte sie die Blätter hervor und las. Danach schwieg ihr Bruder lange Zeit. Er fühlte sich im tiefsten Herzen getroffen und wußte nun, daß dies wirklich göttliche Offenbarung war. Als er Fatimas Haus verließ, wußte sie, daß er gleich zum Propheten gehen würde, um sein Bekenntnis zu dem einzigen Gott abzulegen und sein Schwert, mit dem er noch wenige Stunden zuvor den Propheten hatte töten wollen, in den Dienst des Islam zu stellen.
Von nun an brauchte es Hafsa nicht mehr zu verheimlichen, daß sie sich für den Islam interessierte. Sie gehörte ganz selbstverständlich mit zu den Muslimen und teilte ihre Sorge, aber auch ihre Freude über die Offenbarung und Allahs Fürsorge mit ihnen. Als sie herangewachsen war, suchten die Eltern für sie einen Bräutigam und fanden Hunaif, einen jungen Mann, der schon früh den Weg zum Islam gefunden und an der Auswanderung nach Abessinien teilgenommen hatte.
Inzwischen waren Leute aus der Oasenstadt Yathrib in Mekka gewesen und hatten den Propheten und die Muslime eingeladen, bei ihnen zu leben und Frieden unter den Stämmen zu stiften, die sich seit Jahren befehdeten. Nach und nach verließen also die Muslime Mekka. Auch Hafsa und Hunaif verließen die Stadt schon bald nach 'Umar, der seine Abreise auf dem Marktplatz offen angekündigt und seine Feinde herausgefordert hatte, ihn doch zu verfolgen, wenn sie Lust dazu hätten. In Yathrib wohnten sie zuerst bei einer Familie, die sie aufgenommen hatte, bis sie selbst ein Haus bauen konnten. Der Prophet hatte nämlich die Auswanderer und die "Helfer", die Leute von Yathrib, aufgefordert, Brüderschaft miteinander zu schließen und alles miteinander zu teilen, Essen und Kleidung ebenso wie Wissen und Handfertigkeiten. In Yathrib war alles etwas anders als in Mekka. Die Stadt hatte keinen großen Markt, auf dem die Kaufleute Waren aus aller Welt anboten, sondern nur einen kleinen, auf dem man Lebensmittel, Schafe, Ziegen, Hühner und Hausgerät kaufen konnte. Yathrib war auch nicht öde und trocken wie Mekka, sondern lag in einem fruchtbaren Tal, wo die Menschen Weizen, Datteln und Gemüse anbauen und Vieh züchten konnte. Das aber mußte Hunaif, der ein Kaufmann war, und die anderen Auswanderer aus Mekka erst lernen. Umgekehrt lehrten sie die Leute von Yathrib den Handel, so da sie darin bald ebenso geschickt waren wie die Kaufleute aus Mekka. Aber auch die Frauen mußten vieles dazulernen. In Yathrib gab es nicht viele Dinge fertig zu kaufen wie in Mekka. Hafsa lernte von ihrer Schwester aus Yathrib spinnen und weben, und die beiden Frauen teilten sich die Arbeit, solange sie zusammenwohnten.
Alle Stämme von Yathrib, die jüdischen wie die arabischen, schlossen miteinander einen Vertrag. Sie wollten von nun an zusammenhalten und einander in aller Not und Gefahr beistehen und in Streitfällen den Propheten um seinen Schiedsspruch bitten. Seither nannten sie die Stadt auch Madinat-un-Nabi (Stadt des Propheten), kurz Medina. In dieser Zeit wurde auch die Moschee des Propheten gebaut. Alle halfen dabei mit. Der Prophet und seine engsten Freunde gingen mit gutem Beispiel voran und schleppten mit eigenen Händen Steine herbei. Als die Moschee fertig war, überlegten die Muslime, wie die Gebetszeiten bekanntgegeben werden sollten. Die einen schlugen vor, eine Glocke zu läuten wie die Christen. Andere schlugen vor, eine Posaune zu blasen wie die Juden. Aber schließlich kamen sie übereins, daß die menschliche Stimme doch das schönste Mittel sei. Bilal, der eine schöne, laute Stimme hatte, wurde aufgefordert, auf das Dach der Moschee zu steigen. Von dort aus rief er zum erstenmal die Menschen mit den Worten zum Gebet, wie wir sie bis heute kennen. Dann kam der Prophet aus seinem Haus neben der Moschee und leitete selbst das Gebet.
Jeden Tag nach dem Nachmittagsgebet hielt der Prophet in der Moschee einen Unterricht, an dem alle Muslime, Männer wie Frauen, und selbstverständlich auch Hafsa und Hunaif teilnahmen, sooft ihnen ihre schwere Arbeit und die Sorge für ihre Familien Zeit dazu ließ. Der Prophet trug dabei manchmal einen neuen Abschnitt aus dem Qur'an vor und erklärte ihn. Seine Schüler schrieben den Text auf und sammelten die Blätter und ordneten sie so, wie der Prophet sie angewiesen hatte. Selbstverständlich konnte auch jeder fragen, wenn er etwas nicht verstand oder sonst etwas wissen wollte.
Die ausgewanderten Muslime hatten fast ihre gesamte Habe in Mekka zurücklassen müssen, und als sie fort waren, waren die Götzendiener in ihre Häuser eingedrungen und hatten alles an sich genommen, was ihnen wertvoll erschien. Einen Teil der erbeuteten Sachen wollten sie mit der nächsten Karawane nach Syrien schicken, weil sie erwarteten, sie dort mit viel Gewinn verkaufen zu können. Aber das war noch nicht alles. Die Götzendiener planten auch einen Krieg gegen die Muslime selbst. Dazu sahen sie zwei Möglichkeiten. Entweder würden die Muslime in Medina so geschwächt, daß man die Stadt ohne große Mühe überfallen könnte. Oder sie würden irgendwie ihre Schwierigkeiten überwinden. Dann wären sie allerdings eine Gefahr für den Handel mit Syrien. Sie könnten nämlich auf den Gedanken kommen, von den Karawanen, die auf der großen Karawanenstraße dicht an Medina vorbeizogen, eine Schutzgebühr zu verlangen, wie es auch die Beduinenstämme unterwegs taten, wenn jemand durch ihr Gebiet reisen wollte. Oder sie könnten vielleicht selbst versuchen, mit Syrien Handel zu treiben, und wären dann für Mekka eine Konkurrenz. Wie dem auch sei, die Ratsherren der Quraish beschlossen, auf jeden Fall zum Krieg gegen Medina zu rüsten.
Die Muslime erfuhren von ihren zurückgebliebenen Angehörigen in Mekka bald, was dort geplant wurde, und waren wachsam. Sie unternahmen Streifzüge in der Umgebung und schlossen Friedensverträge und Bündnisse mit einigen benachbarten Stämmen. Manchmal gab es auch Kämpfe mit Spähtrupps aus Mekka. So versuchten einmal die Götzendiener, das Vieh der Muslime zu stehlen, und einmal gelang es den Muslimen, eine Karawane aus Mekka aufzuhalten. Einer der beiden Männer, die sie dabei gefangennahmen, wurde selbst Muslim und blieb in Medina. Die Muslime bemühten sich immer, möglichst wenig Blut zu vergießen. Für sie ging es darum, daß ihre Gemeinschaft überlebte und ungehindert dem Einen Gott dienen konnte. Als die Muslime erfuhren, daß die Mekkaner eine große Karawane nach Syrien geschickt hatten, hofften sie, diese abfangen zu können, um das auszugleichen, was ihnen die Götzendiener in Mekka geraubt hatten. Aber sie mußten schon bald erfahren, da aus Mekka auch ein großes Heer von tausend gut bewaffneten Männern gegen sie unterwegs war. Die Muslime hingegen hatten nur wenig mehr als dreihundert kampffähige Männer und längst nicht genug Reittiere und Waffen, so da sie sich beim Reiten abwechseln mußten. Auch Hunaif befand sich unter ihnen, während sich Hafsa zu Hause um seine Geschäfte kümmerte und darum betete, da Allah die Muslime schützte und ihren Mann unversehrt nach Hause brachte. Als bei Badr der Kampf begann, der das Schicksal der Muslime entscheiden sollte, betete der Prophet: "O Allah, wenn diese meine Schar heute untergeht, wer wird Dir dann noch dienen können?" Und er ermutigte die Muslime, obwohl dieser Kampf sehr ungleich aussah. Aber Allah half ihnen. Hunaif erzählte später Hafsa, Allah habe ein Heer von Engeln geschickt, die auf der Seite der Muslime gekämpft und den Feinden einen Schrecken eingejagt hätten, so daß sie alles stehen- und liegenließen und flohen. Die Muslime brachten auch einige der Götzendiener als Gefangene nach Medina und verlangten, wie es damals üblich war, ein Lösegeld für sie. Wenn aber die Angehörigen in Mekka das Lösegeld für ihren gefangenen Bruder oder Sohn nicht aufbringen konnten, dann ließ der Prophet ihn trotzdem frei, nachdem er vorher zehn Muslime das Lesen und Schreiben gelehrt hatte, auf diese Weise lernten viele Jungen und Mädchen in Medina lesen und schreiben und konnten später selbst wieder Lehrer für andere Menschen werden.
Die Götzendiener wollten diese Schmach auf keinen Fall auf sich sitzen lassen. Sie fürchteten den Spott der benachbarten Stämme, die angesehenen Quraish hätten sich von einer Handvoll Leute besiegen lassen. Im nächsten Jahr rüsteten sie also ein noch größeres und stärkeres Heer aus und zogen gegen die Muslime. Sie brachten auch ihre Frauen mit, die die Kämpfenden anfeuern und Flüchtende mit Spott auf den Kampfplatz zurückschicken und später bei der erwarteten Siegesfeier für sie singen und tanzen sollten. In Medina bereiteten sich inzwischen die Muslime auf die Verteidigung vor. Prophet Muhammad (s) schlug vor, in der Stadt zu warten, bis die Feinde angriffen. Aber die meisten Muslime, vor allem die jüngeren Männer, wollten lieber draußen mit ihnen kämpfen, besonders dann, als die Götzendiener schon so unverschämt geworden waren, ihre Pferde und Kamele auf den Feldern der Muslime weiden zu lassen. Schließlich ließen die Muslime die Alten, Frauen und Kinder in den Befestigungsanlagen und brachen auf. Die beiden Heere trafen in der Nähe des Berges Uhud aufeinander. Die Muslime kämpften tapfer wie damals bei Badr, und schon bald mußten sich die Angreifer zurückziehen. Aber die Muslime freuten sich zu früh über den vermeintlichen Sieg und vergaßen ihre Disziplin. Sie wurden leichtsinnig und liefen auf den Kampfplatz, um die Pferde und Waffen an sich zu nehmen, die die Flüchtenden dort zurückgelassen hatten. Die Feinde waren jedoch nicht wirklich geflohen. Sie besannen sich bald und kamen zurück, um die achtlosen Muslime hinterrücks zu überfallen. Diese wehrten sich tapfer, aber viele wurden getötet oder verletzt, und auch der Prophet wurde verletzt und verlor einen Zahn. Die Frauen der Götzendiener fielen über die gefallenen Muslime her und schnitten ihnen Nasen und Ohren ab. Jemand verbreitete auch das Gerücht, der Prophet sei gefallen. Aber seine treuen Freunde hatten sich um ihn geschart und verteidigten ihn. Mit viel Mühe gelang es ihnen zum Schluß doch noch, die Götzendiener abzuwehren.
Auch Hunaif hatte an diesem Kampf teilgenommen. Er wurde schwer verletzt nach Medina gebracht, wo ihn Hafsa pflegte. Aber schon nach wenigen Tagen starb er an seinen Verletzungen, und Hafsa kehrte als Witwe in ihr Elternhaus zurück.
So wie Hafsa waren nach dem Krieg von Uhud viele Frauen Witwen geworden, und viele Kinder hatten ihre Väter verloren. Dem Propheten, der selbst als Kind beide Eltern verloren hatte, lag sehr daran, sie gut versorgt zu wissen, sie nicht einfach mit Almosen abzuspeisen, sondern ihnen ein richtiges Familienleben zu ermöglichen. Er forderte seine Gefährten auf, diese Witwen zu heiraten und die Kinder in ihre Familien aufzunehmen und für eine gute Erziehung zu sorgen. Damals war es nicht selten, daß ein Mann mehrere Frauen hatte, wenn er sie und die Kinder ernähren konnte. Der Prophet forderte jedoch in einem solchen Fall die Männer auf, ihre Frauen gleich zu behandeln und nicht eine von ihnen vorzuziehen oder zurückzusetzen. Er selbst war zu dieser Zeit mit zwei Frauen verheiratet, der älteren, erfahrenen Witwe Sawda, die zu den ersten Muslimen zählte und deren Mann während der ersten Auswanderung nach Abessinien gestorben war, und der jungen Aisha, der Tochter seines Freundes Abu Bakr, die seit ihrer Kindheit viel Eifer und Mühe aufwendete, möglichst viel zu lernen und ihm bei seiner Aufgabe zu helfen, und von der jetzt schon die anderen Muslime lernen konnten.
Nachdem 'Umar einige Monate lang die Trauer seiner Tochter mitangesehen und sich Sorgen um sie gemacht hatte, weil sich die alte Lebensfreude nicht wieder einstellen wollte, überlegte er, wie er für sie wieder einen passenden Mann finden knnte. Dabei dachte er zuerst an Abu Bakr. Abu Bakr war ein sanfter, weichherziger Mensch und würde sicher liebevoll für sie sorgen und sie trösten. Insgeheim hoffte 'Umar auch, diese Heirat würde ihn dem Propheten näherbringen, denn Abu Bakr war doch sein bester Freund. 'Umar ging also zu Abu Bakr, um mit ihm über diese Möglichkeit zu sprechen. Dieser aber schwieg nur verlegen. Da war 'Umar sehr enttäuscht. Immerhin war seine Tochter eine intelligente, weichherzige Frau, die viel betete und fastete und sich für den Islam einsetzte. Er überlegte weiter, und da fiel ihm Uthmân ein. Dieser war mit Ruqayya, der Tochter des Propheten, verheiratet gewesen und lebte allein, seit seine Frau um die Zeit des Badr-Krieges krank geworden und gestorben war. Er stammte aus einer guten Familie, genoß unter den Muslimen hohes Ansehen und war ein frommer, bescheidener Mensch. Aber auch Uthmân war über das Angebot sehr verlegen und sagte: "Eigentlich möchte ich jetzt nicht wieder heiraten." Über diese neuerliche Ablehnung war 'Umar bestürzt. Er konnte nicht verstehen, was Abu Bakr und Uthmân gegen seine Tochter einzuwenden haben konnten. In seiner Erregung ging er zum Propheten, um sich über die beiden zu beschweren. Dieser aber lächelte und antwortete: "Hafsa wird den heiraten, der besser ist als Uthmân, und Uthmân wird die heiraten, die besser ist als Hafsa." Das Rätsel löste sich bald: der Prophet selbst heiratete Hafsa, und Uthmân heiratete Ruqayyas Schwester Umm Kulthum, die auf diese Weise endlich einen gläubigen Mann gefunden hatte. Hafsa zog in ein kleines Haus dicht bei der Moschee neben den Häusern von Sawda und Aisha.
Sawda empfing Hafsa freundlich. Aber Aisha war zunächst eifersüchtig, denn Hafsa war wie sie selbst eine intelligente, gebildete und schöne Frau, die mit großem Eifer vom Propheten lernte und sich für die Sache der Muslime einsetzte. Aber im Laufe der Zeit wurden Hafsa und Aisha gute Freundinnen. Beide diskutierten gern mit dem Propheten, auch über Angelegenheiten des Glaubens. Zwar machte 'Umar seiner Tochter deswegen manchmal Vorwürfe, aber sie war eigenwillig und setzte sich darüber hinweg. Einmal sprach der Prophet mit ihr über einige aufrichtige Menschen, die ihm dereinst die Treue gelobt und für ihn gekämpft hatten, und sagte: "Wenn Allah will, werden sie nicht in die Hölle kommen." "Doch, Gesandter Allahs," entgegnete Hafsa, und als er sie aufforderte, nicht so etwas zu sagen, antwortete sie mit einem Vers aus dem Qur'an: "Keiner ist unter euch, der nicht dahin kommen wird - das ist ein endgültiger Beschluß bei deinem Herrn (Sura 19:72)." Da mußte der Prophet lächeln, denn sie hatte insofern recht, daß auch der beste Mensch auf diese Weise geläutert werden muß, und außerdem freute er sich darüber, daß sie so gut Bescheid wußte. Er antwortete mit einem anderen Vers: "Dann werden Wir die Gerechten erretten, die Frevler aber werden Wir darinnen belassen auf ihren Knien (Sura 19:73)."
Der Prophet nahm noch eine weitere Witwe in seinen Haushalt auf, nämlich Zeinab, die den Beinamen "Mutter der Armen" trug, weil sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, für die ärmsten der Stadt zu sorgen und die größte Not zu lindern. Sie war eine stille, zurückhaltende Frau und mischte sich nicht in Diskussionen und Eifersüchteleien ein. Alle liebten sie. Aber schon nach wenigen Monaten starb sie.
Mit dem Propheten verheiratet zu sein bedeutete eine besondere Verantwortung. Man nannte seine Frauen "Mütter der Gläubigen", weil ihre Aufgabe wie die einer Mutter darin bestand, die Muslime zu lehren, zu erziehen, ihnen mit Rat und Tat zu helfen und sie zu ermutigen. Alle schauten zu ihnen als Vorbilder auf. Deswegen war es wichtig, da sie sich bescheiden und würdevoll verhielten und das, was andere ihnen vertraulich mitteilten, auch wirklich für sich behielten. Ohnehin soll man nicht unüberlegt über andere Menschen reden, aber für Menschen, die wie die Mütter der Gläubigen eine besondere Aufgabe in der Gesellschaft haben, gilt das ganz besonders. Aber einmal geschah es, daß Hafsa sich nicht beherrschen konnte und etwas wichtiges, das der Prophet ihr unter vier Augen mitgeteilt hatte, seinen anderen Frauen weitererzählte. Das war eine peinliche Situation. Der Prophet hielt sich einen Monat lang von seinen Frauen fern. Es gab sogar das Gerücht, er hätte sich von Hafsa oder gar von allen seinen Frauen getrennt, so daß 'Umar seiner Tochter bittere Vorwürfe machte. Aber zuletzt versöhnten sie sich, und Hafsa erfüllte in Zukunft ihre Aufgabe immer besonders gewissenhaft.
Die Jahre vergingen mit Arbeit und Kampf. Viele Stämme schlossen sich den Muslimen an, und endlich ergab sich ihnen auch kampflos die Stadt Mekka. Nach und nach war auch der gesamte Qur'an offenbart worden, und die Schreiber des Propheten hatten ihn Wort für Wort niedergeschrieben und nach den Anweisungen des Propheten so geordnet, daß zuerst die Abschnitte kamen, die viele praktische Gebote enthielten, dann die, in denen die Geschichte der Menschheit und der früheren Propheten und Völker erklärt wird, so daß man aus ihren Erfahrungen lernen kann, dann die, die von geistigen Dingen und dem zukünftigen Leben handeln, und schließlich die ganz kurzen Abschnitte, die die Menschen zuerst lernen, um sie beim Gebet vorzutragen oder vor sich herzusagen, wenn sie Angst haben und Allah um Schutz bitten. Als der Prophet sein irdisches Leben beendet hatte und Abu Bakr zum Kalifen gewählt worden war, gab er den vollständigen Qur'an, nach dem bis heute alle Exemplare geschrieben und gedruckt sind, in Hafsas Obhut.
Hafsa hatte inzwischen ähnlich wie Aisha angefangen, die Frauen und Männer zu lehren, die sich zum Unterricht in ihrem Haus versammelten. Sie erklärte ihnen den Qur'an, berichtete ihnen vielerlei von dem, was sie vom Propheten gelernt oder bei ihm beobachtet hatte und half ihnen bei den Fragen und Problemen des täglichen Lebens. Es war sehr wichtig, da die Mütter der Gläubigen auf diese Weise das Werk des Propheten fortsetzten, denn die Römer und Perser griffen immer wieder die Muslime an, weil sie fürchteten, die Botschaft des Islam könnte auch die Unterdrückten in ihren Reichen ansprechen und ihnen Mut geben, sich von ihrem Joch zu befreien. Es kam immer wieder zu Kriegen, in denen viele der männlichen Prophetengefährten fielen und ihr Wissen mit sich ins Grab nahmen.
Dabei wurden die Muslime immer mehr. Um die Zeit, als Hafsas Vater 'Umar Kalif wurde, hatte sich der Islam auf der ganzen arabischen Halbinsel ausgebreitet. Aber die neu hinzugekommenen Muslime hatten noch nicht das Wissen, das die Prophetengefährten hatten. 'Umar schickte deshalb besondere Lehrer zu ihnen, die den Qur'an und das islamische Gesetz gut kannten und erklären konnten. In Medina sorgte er dafür, daß alle Jungen und Mädchen zur Schule gehen konnten, und machte den Schulbesuch zur Pflicht.
In der damaligen Zeit gab es keine Druckereien. Wer ein Buch besitzen wollte, der mußte es selbst abschreiben oder von einem Schreiber für sich abschreiben lassen. So geschah es auch mit dem Qur'an. Viele Prophetengefährten besaßen ein Exemplar, indem sie die Offenbarungstexte gleich aufgeschrieben und gesammelt oder später von anderen abgeschrieben hatten, und viele Menschen, die ihren Weg zum Islam fanden, schrieben wiederum von diesen ab und lernten einen Teil auswendig. Aber der Islam verbreitete sich schnell, und nicht immer konnte das Wissen schritthalten, trotz aller Mühe, die sich Lehrer und Schüler gaben. Immer öfter kam es vor, daß die Schreiber Fehler machten oder nur Teile des Textes abschreiben konnten. Es kam auch vor, da jemand nur die Teile aufschrieb, die er auswendiglernen wollte, oder Erklärungen an den Rand schrieb. Ab und zu kam es auch vor, daß jemand, der den Qur'an nicht gut kannte, die beschriebenen Blätter anders ordnete. Als Uthmân zum Kalifen gewählt worden war, erhielt er eines Tages die Nachricht, daß viele fehlerhafte Exemplare des Qur'an im Umlauf waren. Sollte etwa mit dem Qur'an, der letzten Offenbarungsschrift, dasselbe geschehen wie mit den heiligen Schriften der Juden und Christen? Uthmân machte es sich zur Aufgabe, dies zu verhindern, und dazu mußten viele zusammenarbeiten, die noch über das notwendige Wissen verfügten. Er versammelte alle diejenigen, die noch den ganzen Qur'an vom Propheten selbst gelernt hatten. Jemanden, der den Qur'an auswendig kennt und gut verstanden hat, bezeichnet man als Hafiz (Bewahrer des Qur'an). Darunter waren auch Aisha und Hafsa. Uthmân forderte Hafsa auf, den Qur'an mitzubringen, der sich in ihrer Obhut befand und der nach den Anweisungen des Propheten selbst geordnet worden war. Dann beauftragte er einige Schreiber, ihn mehrmals abzuschreiben. Die "Bewahrer des Qur'an" lasen die abgeschriebenen Exemplare gründlich durch, um sich zu vergewissern, daß keine Fehler darin waren. Dann schickte Uthmân diese Exemplare in die Provinzen, nach Ägypten, nach Palästina, nach Syrien, in den Irak, nach Persien, in den Yemen und in all die Gebiete, wohin sich der Islam inzwischen verbreitet hatte. Sie sollten von nun an das Muster für alle neuen Abschriften sein. Die fehlerhaften Exemplare dagegen wurden vernichtet, damit keine Verwirrung mehr durch sie entstehen konnte. Bis heute werden alle neuen Exemplare, ob geschrieben oder gedruckt, auf diese Weise überprüft, und kein Buchstabe ist seither daran geändert worden.
Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Hafsa in ihrem Haus in Medina mit Fasten und Gebet. Sie wurde von allen Muslimen hoch geachtet. Als sie starb, wurde sie auf dem Friedhof al-Baqi begraben.