Auge um Auge, Zahn um Zahn?
"Wenn ein freier Mensch (awilum) das Auge eines anderen freien Menschen ausgeschlagen hat, werden sie sein Auge ausschlagen" ‑ allerdings: "Wenn er das Auge eines Sklaven zerstört hat, oder die Knochen zerbrochen hat, wird er die Hälfte seines Preises zahlen", kommt also viel billiger davon. Und wenn ein Baumeister nicht gut genug gebaut hat, das Haus einstürzt und der Hausherr stirbt, wird der Baumeister getötet. Sollte nur ein Sklave sterben, soll er den Sklaven ersetzen, muss er selber aber nicht sterben.
Das kommt uns reichlich grausam vor und auch noch deswegen ungerecht, weil nicht alle Menschen gleich behandelt werden. Aber immerhin, diese Gesetze sind fast viertausend Jahre alt, stammen von dem babylonischen Hamurapi (§§ 196, 199, 229, 231).
Die Todesstrafe existiert aber auch heute noch außerhalb Europas. In den USA, in einer modernen westlichen Demokratie wählte man kürzlich einen Präsidenten, der Anhänger dieser archaischen Strafe ist. Es ist genauso offensichtlich, dass man Arme und Schwarze viel öfter zum Tode verurteilt als Weiße und Reiche: man misst in einer Demokratie mit zweierlei Maß.
Die Menschen haben sich viele verschiedene Hinrichtungsarten ausgedacht. Früher in Europa wurde die Todesstrafe z.B. durch den Galgen, die Kreuzigung, oder die Guillotine vollstreckt. Die heilige Inquisition verbrannte die sogenannten Ketzer nach "peinlichem" Verhör, also nach Folter, die Kirche verfolgte "die Hexen" und Zauberer. Zwischen 1399 und 1448 wurden in Berlin 120 Menschen hingerichtet: gerädert, enthauptet, verbrannt, gehängt, lebendig begraben.
Während früher in den südlichen Ländern, vor allem in Italien die Kreuzigung Anwendung fand, wurde in den nördlichen Ländern durch den Galgen hingerichtet. Im Mittelalter wurden vor allem Diebe gehängt. In Beerfelden steht ein noch gut erhaltener Galgen aus dem Jahr 1597. Damals sprachen die Grafen von Erbach Recht über Leben und Tod. Letztes Mal trat der Galgen 1804 in Aktion. Damals wurde eine Zigeunerin gehängt. Ihr Vergehen war der Diebstahl eines Huhnes und zwei Leiber Brot.
Wie lange es die Kreuzigung gegeben hat, ist nicht bekannt. Ihre Wurzeln verlieren sich in grauer Vorzeit. Die Kreuzigung fand wie bereits erwähnt in den südlichen Ländern, (Mittelmeerländern) Anwendung. Sie war eine schimpfliche Strafe, die meist Sklaven und unehrenhaften Gladiatoren zu Teil wurde. Deshalb begaben sich römische Bürger selten zu einer solchen Hinrichtung.
Während bei allen anderen Hinrichtungsarten eine einigermaßen feste Reihenfolge festgelegt war, blieb der Delinquent bei der Kreuzigung der Willkür des Henkers ausgeliefert. Er konnte ihn mit Weidenruten festbinden, oder festnageln lassen. Das konnte auch mit dem Kopf nach unten geschehen, wie es Petrus erfahren musste. Jedoch geschah es bisweilen auch, dass der Hinzurichtende nicht an einem Kreuz sondern einem Pfahl, dem sogenannten Unglücksbaum zu Tode kam. Wenn man ihn festgenagelt oder festgebunden hatte, konnte er noch einige Stunden überleben. Ein Begräbnis wurde ihm verwehrt. Er wurde bis zuletzt bewacht, damit Angehörige ihn nicht vorzeitig vom Kreuz abnehmen konnten. Man ließ ihn wenn er gestorben war am Kreuz hängen, bis streunende Hunde, Vögel, Wind und Wetter das ihrige getan hatten und sich der Körper von selbst ablöste. Die Hinrichtungen geschahen meist an Stätten, die schon öde und verrufen und angeblich von Geistern heimgesucht waren, wo sich die Elemente ungehindert austoben und wo die Sonne ungehindert brennen konnte. Dreihundertzwanzig n. Chr. wurde sie von dem römischen Kaiser Konstantin abgeschafft.
Die Guillotine wurde von einem französischen Arzt namens Guillotine erfunden. Der Verurteilte wird stehend auf ein Brett geschnallt, das man umkippen kann, so dass der Kopf genau zwischen die beiden Pfosten passt, zwischen denen sich das Fallbeil befindet. Man war der Ansicht, die Guillotine sei die einzige Hinrichtungsmethode, die den wirklich schmerzfreien Tod garantiere. Zunächst wurde sie an toten Schafen, dann an toten Menschen ausprobiert. Doch bei den Menschen gab es ein Problem: Manche Nacken hielten der Schneide stand, worauf man einfach das Gewicht des Fallbeils erhöhte. Dann rollten die Köpfe ohne Schwierigkeiten in den Sand.
Am 25. April 1792 wurde schließlich einem Räuber die Ehre zu Teil das neue Instrument einzuweihen, wodurch er in die Geschichte einging. Doch dieser Umstand wird ihn wohl kaum getröstet haben. Die Hinrichtungskunde lockte eine riesige Menschenmenge an. Doch ihnen ging die Hinrichtung leider viel zu schnell.
Die erste hohe Persönlichkeit die das Blutgerüst besteigen musste, war der König selbst. Ludwig der XVI. wurde des Verrats am Volk angeklagt und mit einer Stimme Mehrheit zum Tode verurteilt.
Am 21. Januar 1793 um 9 Uhr Morgens besteigt der König zusammen mit seinem Beichtvater eine Kutsche und tritt seine letzte Fahrt an. Um 10 Uhr erreichen sie den Hinrichtungsplatz. Trommelwirbel ertönt, als der König aussteigt. Zögernd besteigt er das Gerüst. Er ruft der Menge zu, er sterbe unschuldig. Danach werden ihm die Hände gefesselt und er wird von den Henkersknechten auf das Brett gebunden. Dann saust das Fallbeil herab, der Kopf rollt in den Korb. Von diesem Tag an rollt die Todesmaschine der französischen Revolutionäre beinahe ohne Unterlass. Im Oktober 1793 muss die Königin ihrem Mann aufs Schafott folgen. Nun kann die Guillotine mit den vielen Verhaftungen kaum noch Schritt halten. Bis Mitte 1794 werden ganze Karrenladungen von Häftlingen gebracht. Die Blutlachen trocknen nicht mehr. Doch schließlich lässt der Terror nach. Vom Beginn der Guillotine bis 1794 wurden allein in Paris 3000 Menschen hingerichtet. Im ganzen Land waren es etwa 40000.
Wir kennen den Namen des Henkers von Paris, der während dieser Zeit wirkte: Sanson. Zu einer Hinrichtung kamen immer reichlich Zuschauer, aber mit dem Henker und seiner Familie wollte niemand etwas zu tun haben, sie waren Ehrlose, Ausgestoßene. War das das schlechte Gewissen?
Die Todesstrafe in den USA
Im Dezember 2000 wurde der überzeugte Anhänger der Todesstrafe, George W. Bush, ehemals Gouverneur von Texas zum Präsidenten gewählt. In seiner fünfeinhalbjährigen Amtszeit wurden in Texas so viele Menschen hingerichtet, wie in allen anderen Bundesstaaten der USA zusammen. Bush hat nicht einen Verurteilten in Texas vor der Giftspritze bewahrt und ist stolz auf seinen Exekutionsrekord. An die 150 Menschen wurden seine Opfer.
Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 wurden in den USA 683 Menschen exekutiert. Im Jahr 2000 wurden in den USA 85 Menschen hingerichtet. Vierzig davon in Texas. An zweiter Stelle lag Oklahoma mit 11 Hinrichtungen. Voraussichtlich wird die Exekutionszahl weiter steigen. Bisher haben die Amerikaner noch nie zugegeben einen Unschuldigen hingerichtet zu haben. Doch erst am 2. Januar wurde Albert Burrell aus dem Todestrakt entlassen, nachdem er 14 Jahre lang dort hatte schmachten müssen. Von 1900 bis 1985 wurden jedoch mindestens 23 Unschuldige hingerichtet. Die Todesstrafe macht es unmöglich, Verfahrensfehler oder Justizirrtümer im Nachhinein zu korrigieren.
Der amerikanische Historiker Jay Lifton zeigt sich in einem Spiegel Interview (2/2001) jedoch optimistisch, dass die Erkenntnis sich auch in Amerika durchsetzen wird, dass Todesstrafe und Demokratie unvereinbar sind. Er sieht die Gründe für die barbarische amerikanische Praxis nicht nur in Rachegedanken, sondern auch in der Kultur der Gewalt und in dem "Supermacht‑Syndrom": von anderen nicht lernen zu wollen. Vielleicht ist ein Zeichen des Wandels, dass der Gouverneur von Illinois die Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt hat. Von dem neuen Präsidenten Bush kann man wohl nichts ähnliches erwarten.