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Der Morbus Medicus
Der MM gehört wohl zu den am meisten unterschätzten Erkrankungen überhaupt. Ursache hierfür scheint mir die mit 0.0 nicht allzu große Letalität zu sein. Doch ein reines Beurteilen dieser Krankheit anhand der Letalität ist zu wenig. Auch die Prävalenz in der gesamten Bundesrepublik ist mit 0.03 eigentlich nicht sehr groß. Doch hier lügt die Statistik und macht aus einem Elefanten eine Mücke. Der Morbus Medicus findet sich nämlich vornehmlich bei Studierenden der Medizin und die machen in der gesamten Republik etwa 80.000 Menschen aus (1 %). Betrachtet man nun lediglich diese Population, so verhält sich die Prävalenz erschreckend anders, nämlich 75. 3 von 4 Medizinern sind KRANK. Ebenso erschreckend ist die Inzidenz: 5000 Neuerkrankungen pro Jahr! Ein weiterer Umstand, der zur allgemeinen Unterschätzung beiträgt ist, daß der Morbus Medicus keine spezifischen Symptome aufweist und sowohl inter- als auch intraindividuell wechselnd in Erscheinung tritt. Lediglich im Verlauf lassen sich einige Gemeinsamkeiten erkennen:
Wie unschwer zu erkennen ist, sind diese Punkte nicht allzu spezifisch. Ich präsentiere darum dem geneigten Leser einige Fälle: Ein zu der Zeit in der Bauchchirurgie arbeitender Famulus stellte bei sich binnen kürzester Zeit einen Leistenbruch fest. Relativ gutartiger Verlauf, da es sich weder um eine maligne Erkrankung handelte und die Famulatur nur 4 Wochen andauerte. Folgenlose Abheilung des Bruches. (Typ I Erkrankung mit VI Komponenten.) Einen schon etwas übleren Verlauf zeigte eine Kollegin, die ihr Wahltertial im PJ in der Dermatologie ableistete. Wichtig für die Interpretation ist noch der Umstand, daß die Kollegin schon seit Jahren an Migräne litt. Ein Naevuszell-Naevus entartete innerhalb von Stunden zum malignen Melanom. Es folgt ein eher für den Morbus Medicus untypischer Verlauf, die Kollegin ließ sich dieses Melanom nämlich tatsächlich entfernen. (Die histologische Untersuchung ergab überraschenderweise einen schwer benignen Naevuszell-Naevus). Im Anschluß an das dermatologische Tertial folgte ein Tertial in der Inneren Medizin, speziell Onkologie. Völlig logisch waren nun im folgenden ihre Kopfschmerzen nicht mehr Migräneattacken sondern bedingt durch Hirnmetastasen des malignen Melanoms. Ein Beispiel für die intraindividuelle Variabilität des MM zeigt der Fall eines 28 jährigen Kollegen aus Kiel. Dieser wachte eines Morgens mit einem Tic im rechten Unterlid auf. Aufgrund der kurz vorher genossenen internistischen Vorlesung war eine Diagnosestellung äußerst einfach, es handelte sich natürlich um eine beginnende Multiple Sklerose (Siehe II in der Aufzählung). Innerhalb des folgenden halben Jahres persistierte nicht nur der Tic, der Kollege fing auch zunehmend an zu Stottern und zu Zittern. Alles Kardinalnebensymptome der Multiplen Sklerose. Als der Tic eines Morgens plötzlich weg war, war auch der Rest der Symptomatik spontan verschwunden. Der Kollege leidet jetzt an HIV, allerdings an einem Subtyp, der noch nicht von gängigen Tests diagnostiziert wird, aber er kann nicht besonders gut schlafen und hat schon das ein oder andere Mal Nachtschweiß gehabt, eben eindeutige Kardinalnebensymptome für HIV. Ein Kollege versuchte die Ursachen des Morbus Medicus im psychologischen Umfeld zu suchen und meinte, ursächlich käme hier das Phänomen der Übertragung in Frage. Diese Erklärung verkennt aber die Tatsache, daß beim MM nicht verborgene Gedanken und Wünsche des Arztes vom Patienten übernommen werden sondern es kommt zur Manifestation einer Krankheit, die sich wohl keiner wünscht. Außerdem ist der moderne Mediziner natürlich gegen sämtliche Angriffe auf seine Psyche immun. Viel eher plausibel erscheint mir hier der Ansatz einer Kollegin, nach dem der MM im Bereich der Berufserkrankungen durch dauerhafte Exposition anzusiedeln ist. Äquivalent der Asbestose bei Bausanierern zum Beispiel. Ich selber habe während meines Urologie-Tertials an einem okkulten Seminom gelitten. Durch regelmäßige Palpation der Testes bekam ich zwangsläufig einen leichten Ziehschmerz in der Leistengegend, der Tumor streute somit nicht einmal regulär (Typ V Komponente). Glücklicherweise erkannte ich sehr schnell, daß ich nicht einer malignen Erkrankung zum Opfer fiel, weil nach meinem Wechsel auf die Gefäßchirurgie sämtliche Unterleibssymptomatik erlosch. Diese abrupte Veränderung rüttelte mich wach und ich erkannte, daß auch mich der Morbus Medicus ereilt hatte. Derart vorgewarnt sind meine Sinne natürlich auf das Äußerste geschärft und ich denke, der MM wird mich nicht mehr einholen. Ich habe lediglich in den letzten Tagen eine seltsame Einschränkung meiner schmerzfreien Laufstrecke auf etwa 4500 m festgestellt, dann beginnen meine Beine zu schmerzen (AVK II a MM). Wenn Ihnen ähnliche Verläufe bekannt sein sollten, schreiben Sie mir bitte eine e-Mail.
Zahl der bisher Erkrankten: |