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Und beim Licht des Wolfes kehren sie wieder
________________________________ Siranna Sateli

"Sag mir, gibt es einen schöneren Ort auf der Welt als diesen?", fragt gleich im ersten Satz Thomas seine Zwillingsschwester Safi-Lissafi. Die Landschaft ist dornig, aber fruchtbar, das Klima rauh und trotzdem erinnert einen die Erzählung an ein Paradies, wild und idyllisch.

Siranna Satelis erster Roman spielt in der letzten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts im Norden Griechenlands, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Thessaloniki. Erzählt wird die Geschichte einer griechischen Großfamilie rund um den Stammvater Christophoros, der in seinen drei Ehen mit einem alttestamentarischen Kinderreichtum gesegnet -oder geschlagen- wird. Damit der Leser nicht ganz den Überblick verliert, hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch ein Lesezeichen beigelegt, auf dem die wichtigsten Figuren verzeichnet sind: Christophoros, der Patriarch, Evtha, die Schlangentöterin, Hesychios, der schönste Mann der letzten hundert Jahre, seine Schwester Ioulia, die Samtene und viele andere, "die schweigend im Schatten bleiben, damit andere beleuchtet werden".

Die Geschichten der weit verzweigten Familie sind das Thema dieses Romans von geradezu biblischen Ausmaßen. Blutige, archaische Initiationsriten, denen sich zumindest die männlichen Kinder unterziehen müssen. Der ständige Kampf der Menschen gegen die Unbilden der Landschaft und der Naturgewalten, die die Familie mehr als einmal fast in die Katastrophe stürzt. Die Rhythmen und Bräuche des bäuerlichen Jahres. Das Los der schuftenden und ständig gebärenden Frauen und natürlich immer wieder offene und heimliche, unerfüllte und glückliche, alte und neue Liebe.

Hin und zurück durch Raum und Zeit schweift Siranna Sateli in diesem Roman, der ebenbürtig neben Marquez Hundert Jahre Einsamkeit steht. Sie erzählt die alten, immer wieder neuen, Geschichten von Leben, Liebe, Heirat , von Arbeit und Katastrophen, Geburt, Krankheit und Tod, die sich spiegeln "in der Überlieferung dieser Gesellschaft, die eine Familie zu nennen nicht ausreichend wäre". Denn diese Gesellschaft ist unser aller Familie, ist unsere eigene Vergangenheit und das läßt uns diese Gestalten so vertraut erscheinen und bringt uns diesen phantastischen Roman so nah.

"Die einzige Lust, sagt man, die ungestraft bleibt ist das Lesen."

© G!G 8.6.97 Lese!zeichen


Siranna Sateli: Und beim Licht des Wolfes kehren sie wieder
Aus dem Griechischen von Danae Coulmas und Nonna Nielsen-Stokkeby
Kiepenheuer & Witsch, München 1997,
854 Seiten, 49,80 DM

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