SPD in Sachsen-Anhalt
Von Werner Bosshardt, Berlin
Vor der Bundestagsfraktion der SPD hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder am letzten Dienstag die Vermutung geäussert, am Sonntag sei in Magdeburg «kein glanzvoller Abend zu erwarten». Das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gibt dem Kanzler Recht, allerdings in für die SPD beinahe beängstigender Weise: Von 35,9 Prozent im Jahre 1998 stürzte die SPD auf einen Wähleranteil von etwa 20 Prozent, das heisst etwa auf das Niveau der PDS, die ihren Wähleranteil knapp halten konnte.
Reinhard Höppner, der seit 1994 Minderheitsregierungen mit PDS-Tolerierung geführt hatte, erklärte unmittelbar nach der Wahl seinen Rückzug aus der Landespolitik.
Böhmer neuer Ministerpräsident
Der abgewählte Ministerpräsident beharrte in seiner
knappen Erklärung nochmals darauf, in den letzten Jahren
seien gute Grundlagen für eine gedeihliche Zukunft des Landes
gelegt worden. Doch die Wählerinnen und Wähler sahen
dies anders.
Alle Umfragen bestätigten in den letzten Wochen und Monaten die beinahe depressive Stimmung in diesem östlichen Bundesland, und wenn die Bürger in den entscheidenden Fragen Wirtschaftspolitik und Arbeitslosigkeit überhaupt noch irgendeiner Partei etwas zutrauten, dann bestimmt nicht der SPD und schon gar nicht dem verbrauchten und konzeptlosen Ministerpräsidenten.
Vielleicht hätte sich die SPD ein Fiasko dieses Ausmasses ersparen können, wenn sie mehr auf den populären Innenminister Manfred Püchel und weniger auf eine Koalition mit der PDS gesetzt hätte. Der Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) bewertete den Ausgang der Landtagswahl als Strafe für ein Versagen der rot-grünen Bundesregierung in der Politik für die neuen Bundesländer.
Nachdem Schröder fast vier Jahre weit gehend untätig gewesen sei, müsse er jetzt durch kurzfristige Korrekturen seiner Politik seine Wahlchancen in Ostdeutschland für die Bundestagswahl sichern. Neuer Ministerpräsident wird nun der 66-jährige CDU-Spitzenkandidat Wolfgang Böhmer; die CDU machte mit über 37 Prozent gegenüber 22 Prozent im Jahre 1998 einen gigantischen Sprung nach vorne. Der frühere Gynäkologiechefarzt in der Lutherstadt Wittenberg war vor der «Ära Höppner» bereits einige Zeit Finanzminister und Sozialminister des Landes. Vor zwei Jahren hatte Böhmer der SPD eine «Sanierungskoalition» angeboten, damit bei der Regierungspartei aber nur ein höhnisches Lächeln ausgelöst. Nun ist die SPD als potenzieller Koalitionspartner der CDU nur noch zweite Wahl.
Zunächst will Böhmer Sondierungsgespräche mit der FDP aufnehmen; die Liberalen, vor vier Jahren mit 4,2 Prozent aus dem Landtag von Magdeburg verbannt, kehrten unter ihrer umtriebigen Generalsekretärin Cornelia Pieper triumphal - mit einem Resultat von rund 13 Prozent - zurück.
Selbst wenn die Schill-Partei, die nach letzten Hochrechnungen aber an der 5-Prozent-Hürde gescheitert ist, im Landtag vertreten wäre, würde es für eine CDU/FDP-Mehrheit reichen.
Eine solche schwarz-gelbe Regierung in Magdeburg wäre auch bundespolitisch von Bedeutung: Die unionsgeführten Bundesländer würden dann nämlich über die absolute Mehrheit im Bundesrat (Länderkammer) verfügen.
Magdeburg - Der deutsche Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder hat eine "bittere Niederlage" seiner Partei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eingeräumt. Alle Analysen der Wahl wiesen jedoch darauf hin, dass die Gründe in der Landespolitik zu suchen seien, sagte Schröder am Montag in seiner ersten Stellungnahme zu der schweren Niederlage. Vor Beratungen des SPD-Präsidiums in Berlin betonte er, deshalb müsse man das Schwergewicht auf einen personellen Neuanfang der SPD in Magdeburg legen.
Sozialdemokraten abgewählt
Bei den Landtagswahlen sind die regierenden Sozialdemokraten abgewählt
worden. Nach dem vorläufigen amtlichen End-Ergebnis stürzte
die SPD von 35,9 Prozent auf 20,0 Prozent. Klarer Wahlsieger wurden
die Christdemokraten: Die CDU steigerte sich von 22 Prozent auf
37,3 Prozent. Sie will jetzt mit der FDP über eine Koalition
sprechen, die auf 13,3 Prozent kamen. Die Freidemokraten verdreifachten
damit ihr Ergebnis von 1998 und kehren nach acht Jahren wieder
in den Landtag zurück. Die Wahlbeteiligung lag mit etwa 56,5
Prozent drastisch unter den 71,5 Prozent vor vier Jahren.
PDS legt zu
Die SPD unter Ministerpräsident Reinhard Höppner erlitt
eine massive Schlappe und landete hinter den PDS-Reformkommunisten
nur noch auf Platz drei. Die PDS- Reformkommunisten legten leicht
zu von 19,6 auf 20,4 Prozent. Damit liegen sie jetzt in drei Bundesländern
vor der SPD. In Sachsen-Anhalt hatten sie die bisherige SPD-Minderheitsregierung
toleriert.
Schlappe für Höppner
Höppner verlor auch seinen Wahlkreis. Der 53-Jährige
kündigte seinen Rückzug aus der Landespolitik an. Der
66-jährige CDU- Wahlsieger Wolfgang Böhmer kündigte
rasche Gespräche mit der FDP an. Eine CDU/SPD-Koalition war
am Wahlabend kein Thema mehr. Eine vor der Wahl diskutierte rot-rote
Koalition hätte keine Mehrheit.
Schill gescheitert
Im neuen Landtag haben die CDU 48 Sitze, PDS und SPD je 25 sowie
die FDP 17 Sitze. Mit zusammen 65 von insgesamt 115 Sitzen haben
die wahrscheinlichen Koalitionspartner CDU und FDP eine klare
Mehrheit.
Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Hamburger Innensenators
Roland Schill scheiterten mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde
für einen Einzug in den Landtag. Die Grünen lagen mit
2,0 Prozent noch unter den 3,2 Prozent von 1998.
CDU: Zeit für Wechsel
CDU-Parteichefin Angela Merkel wertete den Sieg ihrer Partei als
Signal für die Bundestagswahl im September. Sie sagte: "Es
ist Zeit für einen Wechsel." Schröders "Chefsache
Ost" sei gescheitert ist". Union-Kanzlerkandidat Edmund
Stoiber nannte das Wahlergebnis eine "riesige Ermutigung".
Für Bundeskanzler Schröder sei die SPD- Niederlage ein
"riesiges Debakel". Nach Sachsen-Anhalt sehe er gute
Chancen für ein Bündnis von CDU/CSU mit der FDP im Bund.
FDP: Wichtiger Etappensieg
Die Liberalen seien für die Union auch auf Bundesebene der
"potenzielle Koalitionspartner". CDU-Generalsekretär
Laurenz Meyer nannte Sachsen-Anhalt den "Anfang vom Ende
von Rot-Grün in Berlin". FDP-Parteichef Guido Westerwelle
sagte, das Ergebnis sei ein "wichtiger Etappensieg"
auf dem Weg zur angepeilten 18-Prozent-Marke der FDP bei der Bundestagswahl
im September.
SPD: Kein Signal für die Bundestagswahl
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gestand die Niederlage
seiner Partei ein. Das "Magdeburger Modell" einer Tolerierung
der SPD durch die PDS habe sich nicht bewährt. Sachsen-Anhalt
sei aber kein Signal für die Bundestagswahl.