Mirjam Pressler
Malka Mai
„Findest du es wirklich richtig, sie hier zu lassen?“, fragte Minna nach einer Pause. Ihre zittrige Stimme schwebte durch die Luft, drang durch Malkas Ohren direkt in ihren Bauch und füllte ihn ganz aus, so dass sie fast keine Luft mehr bekam. Ihr wurde schwindlig.
Die Mutter fing an zu weinen. „Ich weiß doch selbst nicht, was ich tun soll. Wir müssen weiter, wir dürfen hier nicht gefunden werden. Und sie ist krank, mit diesem Fieber muss sie ein paar Tage im Bett bleiben. Du hast doch auch gemerkt, dass sie kaum mehr gehen konnte. Ein Kind fällt nicht auf, ein Kind läuft immer irgendwie mit. Es nützt doch nichts, wenn wir uns alle drei der Gefahr aussetzen, geschnappt zu werden. Wir treffen uns in Munkatsch wieder. Von dort aus wird der Weg hoffentlich leichter.“
Von wem reden sie?, dachte Malka. Von welchem Kind? Und wohin soll das Kind mit der Eisenbahn fahren?
Als im September 1943, Polen von den Deutschen besetzt ist, flieht die jüdische Ärztin Hanna Mai mit ihren beiden Töchtern nach Ungarn. Als ihre Flucht sie über die Karpaten treibt, erkrankt Malka, Hannas jüngste Tochter, an Fieber. Sie schließt sich mit ihrer Tochter Minna einer Gruppe von Flüchtlingen an, die auch auf dem Weg nach Ungarn sind. Und sie entscheidet sich, die siebenjährige Malka bei einem Bauern zurückzulassen. So ist es am besten, sagt Hanna sich, denn ein Kind fällt nicht auf, ein Kind läuft immer irgendwie mit. Und wenn sie wieder bei Kräften ist, wird man sie ihr mit dem Zug nachbringen, heißt es.
Doch es kommt anders. Malka wird in ein Ghetto gebracht. Dort trennt sie sich von den Gedanken an ihre Mutter: Hanna ist nicht mehr Mama, sondern nur die „Frau Doktor“. Und sie entwickelt auch verblüffende Überlebensstrategien. Überlebensstrategien eines kleinem Mädchens, das um seine Kindheit gebracht wurde und nun darum kämpft, nicht zu verhungern oder zu erfrieren oder bei einer der Aktionen der Deutschen getötet zu werden.
Was dieses Mädchen nicht weiß, ist, dass ihre Mutter, Kilometer weit entfernt, alles daran setzt, sie wiederzufinden.
Eine sehr traurige, wahre Geschichte und Malka Mai lebt noch heute, mittlerweile in einem Vorort von Tel Aviv. Sie hat drei Kinder und zwei Enkelkinder.
Wie ich schon erwähnt habe, ist dies eine sehr traurige, aber trotzdem schöne Geschichte. Es ist toll, wie Mirjam Pressler sie geschrieben hat. Man kann sich wunderbar in die Situation von Malka, aber auch in die ihrer Mutter versetzen, denn das Buch ist so geschrieben, dass immer ein Kapitel aus der Sicht der Mutter und eins aus der Sicht von Malka geschrieben ist.
Außerdem ist Hanna nicht als skrupellose Rabenmutter beschrieben, die ihr Kind allein lässt, sondern als selbstbewusste, vom Verlust ihrer Arbeit und ihres Kindes und vom Krieg an den Rand des Wahnsinns getriebene Frau.
Ich kann nur den Klappentext zitieren: „Der neue Roman von Mirjam Pressler beruht auf einer wahren Geschichte. Er erzählt von der bewegenden Odyssee eines Kindes in einer schrecklichen Zeit. Zugleich ist er die eindringliche Beschwörung, dass es ein Band gibt, das unzertrennlich ist.“
Na?! Lust aufs Lesen bekommen? Dann nichts wie ab zur nächsten Buchhandlung!
ISBN 3-407-80879-8
L.E.P.