Caros Idee   

Es war schon sehr spät, es klopfte an Caros Tür. „Ja , herein!“, rief sie genervt. Ihre Mutter kam in ihr Zimmer. „Caroline, wie lange sitzt du jetzt schon in deinem Zimmer und arbeitest?“, fragte sie aufgebracht. „Mensch, andere Leute in meinem Alter tanzen jetzt in überfüllten stickigen Discos zu ausdruckslosen Technosongs. Also ist es doch so besser!“, erwiderte Caro. „Warum kannst du nicht wie alle anderen sein?“, wollte ihre Mutter wissen. “Ach..., du kapierst nichts“, meinte Caro und vertiefte sich wieder in ihr Buch. „Du musst es ja wissen. Aber denk dran, du hast morgen Schule“, erklärte ihre Mutter. Caro wurde langsam wütend und schnaubte in ihr Buch. „Jaaa! Lass mich jetzt in Ruhe!“, sagte sie energisch. Unter einem lauten Krachen fiel die Tür zu und das Gemecker ihrer Mutter war deutlich zu hören. Nach zwei Stunden harter Arbeit war ihr Projekt fertig. Morgen würde sie es vorstellen.

 

Kurz nach acht Uhr morgens trat Caro vor die Tafel. Sie hatte mit ihrer Klassenlehrerin, Fr. Klein, ausgemacht, den Vortrag in der ersten Stunde zu halten. Sie blickte in die müden Augen ihrer Mitschüler. Kevin und Angelina schrieben sich Briefe. Lisa malte rot-grüne Herzen in ihr Heft. Judy, Caros beste Freundin, sah diese ermutigend an. Dann begann Caro. Sie erzählte von ihrem Projekt. Jeder sollte monatlich fünf Mark an eine Patenschaftsorganisation zahlen. Bei 27 Schülern immerhin 135 Mark. Damit sollten alle an einem Samstag einkaufen gehen. Die Lebensmittel bekäme dann die Familie in Afrika, mit der die Patenschaft geschlossen sein würde. Caro hatte schon bei der Organisation nachgefragt. Alles passte. Als Caros Stimme verklang, sagte keiner etwas. Ihre Lehrerin kam auf sie zu. „Großartig, das wird gemacht. Kevin und Judy, ihr sammelt morgen die fünf Mark ein. Ich werde mich bei dieser Organisation noch einmal erkundigen. Ich gehe davon aus, dass jeder das Geld morgen hat. Danke Caro. Du bist die einzige, die sich in dieser Klasse für etwas engagiert. Toll“, lobte sie. Mit blassem Gesicht wand Caro ein: „Sollten wir nicht noch einmal...“ - „Nein, nein, das geht schon“, unterbrach Fr. Klein. In den folgenden Stunden wurde nicht mehr darüber gesprochen. 

 

Nach der Schule lief Caro wie immer nach Hause. 23 Minuten. Doch an diesem Tag war alles anders. Als sie in die Nebenstraße einbog, bemerkte sie, dass sie verfolgt wurde. An den Stimmen erkannte sie Kevin, Sven und Alex, drei Jungs aus ihrer Klasse. „Soso. Schleimt sich bei der geliebten Lehrerin ein und will dann noch fünf Mark dafür.“ Das war Sven, Caro erkannte ihn an der Stimme. Obwohl sie wusste, dass er mit ihr redete, drehte sie sich nicht um. Was wollten sie? Ein kurzes Schweigen trat ein. Caro brachte allen Mut auf und fragte mit dünner Stimme: „Worauf wollt ihr hinaus?“ Alex hatte wohl auf diese Frage gewartet und antwortete wütend: „Dass du uns mit deinem Müll in Ruhe lässt. Denkst du, wir tragen jetzt Zeitungen aus, nur weil unser sozial engagiertes Wunderkind fünf Mark will? Du hast doch soviel Geld; spende es doch! Vielen Dank also. Und wer das Geld nicht aufbringt? Wie stellst du dir das dann vor? Du wirst noch merken, was es heißt, arm zu sein.“ Caro ahnte alles, was vielleicht noch kommen würde. Aber sie rannte. Sie rannte ohne Pause heim. Heute hatten sie Caro noch nicht gekriegt. Es war noch nicht vorbei. Aber sie würde ihre Idee durchsetzten. Egal was passiert.

                                                                 

                                                  Julia Neubert Michelstadt, den 15.09.01                  

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