Contra: Zwangsförderstufe

 

Die Idee, die hinter dem Förderstufensystem steckt, ist eine durchaus begrüßenswerte: Schulkinder, bei denen nach vier Schuljahren noch nicht klar ist, für welche Schule sie geeignet sind, können sich auf dieser Orientierungsstufe noch zwei Jahre weiterentwickeln. Erst danach muss eine endgültige Entscheidung getroffen werden, wobei Querversetzungen auch weiterhin möglich sind.

Und doch: Ich bin gegen eine Zwangsförderstufe, denn in meinen Augen ist die Orientierungsstufe nicht für alle Schülerinnen und Schüler sinnvoll. Nach Angaben des hessischen Kultusministeriums kann man bei achtzig Prozent der Schulkinder schon nach der vierten Klasse definitiv sagen, wohin sie gehören. Einige Lehrerinnen und Lehrer, mit denen ich über das Thema sprach, versicherten mir sogar, sie könnten schon nach der ersten Klasse eine Zuordnung treffen. Demnach sind es nur zwanzig Prozent der Schulpflichtigen, denen man die zwei Jahre Förderstufe zugestehen sollte, um keinen sicherlich schwerwiegenden Fehler bei der Schulzuweisung zu machen.

Achtzig Prozent der Kinder wären nach der vierten Klasse allerdings besser auf einer Hauptschule, Realschule oder einem Gymnasium aufgehoben. Für sie ist die Förderstufe nur Hemmmittel oder aber katastrophale Überforderung.

Schülerinnen und Schüler, die eindeutig auf eine Hauptschule gehen sollten, müssen sich zwei Jahre länger alle möglichen und unmöglichen Vergleiche gefallen lassen. Sie sind einer Konkurrenz ausgesetzt, der sie nicht gewachsen sind und durch die sie demoralisiert werden. Sie werden in C-Kurse gesteckt, durch die ihre scheinbare Minderwertigkeit gegenüber den A- und B-Kursbesuchern offensichtlich wird. - Wären die Schülerinnen und Schüler allerdings von der fünften Klasse an auf einer Hauptschule, würden diese endlosen Vergleiche nicht stattfinden und man könnte ihre Begabungen zum Beispiel im handwerklichen oder sportlichen Bereich besser fördern.

Spätere Gymnasiasten haben es in Förderstufen nicht besser: Sie sitzen dort zwei Jahre ab, lernen weniger als an einem Gymnasium und vielleicht entwickeln sie sogar einen Hass auf all die Kinder, die eben nicht so schnell begreifen wie sie selbst und dadurch den Unterricht bremsen. - Wie schön wäre es da für sie, wenn sie nach der vierten Klasse direkt auf ein Gymnasium gehen könnten, wo sie in angemessenem Tempo und ohne Hass auf Langsamere lernen würden.

In Förderstufenklassen wären dann nur noch Schülerinnen und Schüler, die – aus biologischer Sicht ganz natürlich – einfach noch etwas mehr Zeit brauchen, um ihre unterschiedlichen Fähigkeiten zu entdecken.

Argumente linker Parteien kann ich in dieser Diskussion nicht verstehen. Sie wollen nicht, dass wir eine Aufteilung mit der Intelligenz als Maßstab machen. Sie verschließen sich vor der Realität, in der es nun einmal unterschiedlich bildbare Menschen gibt. Es geht nicht – wie von ihnen häufig angeführt - um eine Elitenbildung, sondern darum, dass wir verschiedene Menschen nicht einfach gleichmachen bzw. gleichschalten können. Die Zwangsförderstufe ist aber eben solch ein unüberlegter Versuch der Gleichschaltung.

Wir sind kein Staat der Gleichen, sondern ein Staat von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Begabungen. Es wäre fatal diese Tatsache zu verkennen und eine Pseudogleichheit zu propagieren. Wir brauchen fähige Handwerker, fähige Akademiker, Angestellte und Beamten. Wir brauchen nicht Menschen, die von allem ein wenig und nichts richtig können.

Deshalb brauchen wir – auch und gerade im Odenwald - keine Zwangsförderstufe, sondern ein dreigliedriges Schulsystem ab der fünften Klasse, in dem die Option zu einem Förderstufenbesuch weiterhin enthalten sein darf.     

 

JORK HERRMANN

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