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Auszug aus
ie Drachen kommen
(Umgearbeitet zu HTML)
Es waren die Möwen. Die Möwen allein sahen den Fetzen Stoff, den die Wellen auf die Felsen der Küste warfen. Und es war kein gewöhnlicher Fetzen: Selbst jetzt, nach der Reise durch die salzigen Zähne des Meerwassers, glänzten die silberdurchwirkten Stickereien auf der roten Wolle; verschlungene Muster säumten, was einst ein prachtvoller Mantel gewesen war. Hier bleckte ein Riss im Gewebe, dort hatten sich Algen über Schlangenmuster gelegt, die den Halssaum zierten.
Doch den Möwen war all dies gleich; sie scherten sich nicht darum, dass dieses edle Kleidungsstück vor kurzer Zeit noch einen mächtigen König geschmückt hatte. Sie schwebten über der Küste und kreischten ihre wilden Rufe, boten sich einem günstigen Wind an und wurden emporgetragen, um schon im nächsten Augenblick in sanftem Bogen aufs Meer niederzustoßen: Unablässig suchten sie mit ihren gelben Augen nach jenem verräterischen Silberglanz zwischen den Wogen, der ihnen einen Fisch zur Beute verhieß.
Einige glitten sogar zu dem angeschwemmten Mantel, wohl angezogen vom Glänzen der Stickereien, in der Annahme, einen Fischschwarm vor sich zu haben. Doch als sie ihren Irrtum erkannten, verloren sie das Interesse.
Der Mantel aber verfing sich zwischen den Felsen, bis Meer und Zeit ihn verzehrten. Damit war das letzte Stück König Tryggvasons, König der Norweger, der in der Seeschlacht bei Svolder im tausendsten Jahre der Christen gefallen war, zu einer Erinnerung geworden. Einzig eine Möwe rettete ein Stück der silberdurchwirkten Borte und polsterte ihr Nest damit.
... ein kleiner Sprung...
Die Schwertleite
(Fehler durch die Übertragung in HTML sind nicht auszuschließen).
Die Nachricht der Schwertleite hatte ihn überrascht. Sonst wurde dieses Ritual nur zu bestimmten heiligen Tagen gehalten. Da bekamen die Jungen, die man für reif befand, ihre ersten eigenen Kriegswaffen, und fortan trugen sie alle Rechte und Pflichten eines Erwachsenen. Die Schwertleite selbst war eine Ausnahme, wusste Eric: Außer ihrem Dorf kannte keiner diesen Brauch. Woher er stammte, wusste Eric so wenig wie es ihn kümmerte. Irgend etwas mit Germanen, das hatte Egilson einmal gesagt. Gleichviel.
Hersir Egilson war dafür bekannt, daß er aus seinem Dorf nur Jungen mit Schwertleite bei kriegerischen Unternehmungen mitfahren ließ. Das hatte Eric noch gar nicht bedacht. Und sofort war seine Konzentration wieder einmal dahin. Auch an den folgenden Tagen wurden all seine Gedanken von dieser Schwertleite beherrscht.
Er wusste, daß Egilson sein Ritual der Mannbarkeit erst machen wollte, wenn möglichst viele darüber staunen konnten: Wenn alle Verbündeten eingetroffen waren. Es gab so viel zu tun, daß die Tage wie im Flug vergingen.
Doch Eric schlief trotz der anstrengenden Arbeit schlecht. Denn er träumte nicht von Fischen. Stattdessen wiederholten sich häufig die Alpträume über den Mönch Edwin, und so war er stets erschöpft und nervös. Wann immer Zeit blieb, übte er wie ein Besessener, um sein Können zu beweisen. Einen Tuschefresser würde man nicht bei der Schwertleite auswählen. Thorberg war der plötzliche Eifer seines Sohnes sichtlich unheimlich, doch wusste er, weshalb Eric sich so plagte; niemals ließ er erkennen, ob Erics Bemühungen Früchte tragen würden. So quälte sich Eric von Tag zu Tag.
Unablässig liefen nun die Schiffe ihrer Verbündeten ein. Und die Männer kamen nicht nur mit Schiffen, immer wieder trafen auch Gruppen zu Fuß oder zu Pferd im Dorf ein. Tagsüber bereitete man gemeinsam den Aufbruch vor, nachts wurde gefeiert. Das ging so lange, bis die letzten Kampfgenossen eingetroffen waren.
Endlich war der Tag der Schwertleite gekommen. Nur jene, die diese Ehre empfangen hatten, würden Aussichten auf einen Platz auf einem der Kampfschiffe anstelle auf den Fischerbooten, hinter dem Pflug oder in der Werkstatt eines Handwerkers haben.
All die Gäste machten neugierige Gesichter, als Egilson das Ritual der Schwertleite am großen Dorffeuer begann. Und Egilson war groß im Ritualmachen. Die Anwärter für die Ehre der Mannbarkeit standen auf der einen, die Zuschauer drängten sich auf der anderen Seite.
Eric spürte die vergangenen Tage in allen Knochen, und die Gefahr, für seine Anmaßung verspottet zu werden, war erdrückend gegen die geringe Wahrscheinlichkeit, die ersehnte Weihe zu erhalten. Aber er reckte das Kinn wie die anderen Jungen und sah erwartungsvoll zu Egilson herüber. Auch Olav, der neben ihm stand, wirkte plötzlich angespannt.
Die Zeremonie begann mit Tieropfern, um die Götter gnädig zu stimmen und sie zu stärken, und die Wölwen verkündeten Prophezeihungen. Schließlich trat Egilson vor, eine beeindruckende Erscheinung in seinen Prunkgewändern, und hielt eine kurze Ansprache über die Bedeutung der Schwertleite. Eric hörte nur mit halbem Ohr zu. Er konnte vor Spannung kaum ruhig stehen.
Nacheinander rief Egilson nun die Namen der Auserwählten. Sie traten vor. Er legte ihnen sein Schwert auf die linke Schulter, rief die Formel, "Grimson ist nun ein Mann! Friede mit ihm und seiner Familie!", "Ivar ist nun ein Mann! Friede mit ihm und seiner Familie!", und die Väter der Geweihten überreichten ihren Söhnen eine Kampfaxt oder, nur sehr selten, ein Schwert als Geschenk.
Für Eric wurde das Warten zur Qual. Sein Bruder war eben zum Mann gemacht worden, "Olav ist nun ein Mann!", wie es auch nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte vom Vater ein Kampfmesser und eine gute Axt erhalten; an ihm selbst war Egilson vorbeigeschritten; er wählte die Jungen in scheinbar willkürlicher Reihenfolge aus. Vielleicht kam er zu Eric zurück...
Oh, bitte, dachte Eric und schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zu seinem Gott Baldur, dem Gott des Lichts und des Frühlings. Wieder schritt Egilson achtlos an ihm vorüber, und der Junge zu seiner Rechten trat vor, um die Weihe zu empfangen.
Er würde sich zum Gespött machen, mehr, als er es schon war: Eric Tuschefresser, der so vermessen gewesen war, die Schwertleite zu fordern. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Es waren nur noch wenige Jungen übrig. Gleich würde Egilson zurücktreten und das Ende der Weihe verkünden...
.... und weiter gehts im Buch.
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