Bei dem Wald, Elm genannt, im Dorf Kneitlingen im Sachsenland, wurde Eulenspiegel geboren. Sein Vater hieß Claus Eulenspiegel, seine Mutter Ann Wibcken. Als sie des Kindes genas, schickten sie es in das Dorf Ampleben zur Taufe und ließen es nennen Till Eulenspiegel. Till von Uetzen, der Burgherr von Ampleben, war sein Taufpate. Ampleben ist das Schloß, das die Magdeburger vor etwa 50 Jahren mit Hilfe anderer Städte als ein böses Raubschloß zerstörten. Die Kirche und das Dorf dabei ist nunmehr im Besitze des würdigen Abtes von Sankt Ägidien, Arnolf Pfaffenmeier.
Als nun Eulenspiegel getauft war und sie das Kind wieder nach Kneidingen tragen wollten, da wollte die Taufpatin, die das Kind trug, eilig über einen Steg gehen, der zwischen Kneidingen und Ampleben über einen Bach führt. Und sie hatten nach der Kindtaufe zu viel Bier getrunken (denn dort herrscht die Gewohnheit, daß man die Kinder nach der Taufe in das Bierhaus trägt, sie vertrinkt und fröhlich ist; das mag dann der Vater des Kindes bezahlen). Also fiel die Patin des Kindes von dem Steg in die Lache und besudelte sich und das Kind so jämmerlich, daß das Kind fast erstickt wäre. Da halfen die anderen Frauen der Badmuhme mit dem Kind wieder heraus, gingen heim in ihr Dorf, wuschen das Kind in einem Kessel und machten es wieder sauber und schön.
So wurde Eulenspiegel an einem Tage dreimal getauft: einmal in der Taufe, einmal in der schmutzigen Lache und einmal im Kessel mit warmem Wasser.
Als nun Eulenspiegel so alt war, daß er stehen und gehen konnte, da spielte er viel mit den jungen Kindern. Denn er war munteren Sinnes. Wie ein Affe tummelte er sich auf den Kissen und im Gras so lange, bis er drei Jahre alt war. Dann befleißigte er sich aller Art Schalkheit so sehr, daß sich alle Nachbarn miteinander beim Vater beklagten, sein Sohn Till sei ein Schalk. Da nahm der Vater sich den Sohn vor und sprach zu ihm: »Wie geht das doch immr zu, daß alle unsere Nachbarn sagen, du seist ein Schalk?« Eulenspiegel sagte: »Lieber Vater, ich tue doch niemandem etwas, das will ich dir eindeutig beweisen. Geh hin, setz dich auf dein eigenes Pferd, und ich will mich hinter dich setzen und stillschweigend mit dir durch die Gassen reiten. Dennoch werden sie über mich lügen und sagen, was sie wollen. Gib darauf acht!« Das tat der Vater und nahm ihn hinter sich aufs Pferd. Da hob sich Eulenspiegel hinten auf mit seinem Loch, ließ die Leute in den Arsch sehen und setzte sich dann wieder. Die Nachbarn und Nachbarinnen zeigten auf ihn und sprachen: »Schäme dich! Wahrlich, ein Schalk ist das!« Da sagte Eulenspiegel: »Hör, Vater, du siehest wohl, daß ich stillschweige und niemandem etwas tue. Dennoch sagen die Leute, ich sei ein Schalk.«
Nun tat der Vater dies: er setzte Eulenspiegel, seinen lieben Sohn, vor sich auf das Pferd. Eulenspiegel saß ganz still, aber er sperrte das Maul auf, grinste die Bauern an und streckte ihnen die Zunge heraus. Die Leute liefen hinzu und sprachen: »Seht an, welch ein junger Schalk ist das!« Da sagte der Vater: »Du bist freilich in einer unglückseligen Stunde geboren. Du sitzest still und schweigst und tust niemandem etwas, und doch sagen die Leute, du seist ein Schalk.«
Danach zog sein Vater mit ihm und seiner Familie von dannen in das magdeburgische Land an den Fluß Saale. Von dorther stammte Eulenspiegels Mutter. Und bald darauf starb der alte Claus Eulenspiegel. Die Mutter blieb bei dem Sohn in ihrem Dorf, und sie verzehrten, was sie hatten. So wurde die Mutter arm. Eulenspiegel wollte kein Handwerk lernen und war doch schon etwa 16 Jahre alt. Aber er tummelte sich und lernte mancherlei Gauklerei.
Eulenspiegels Mutter wohnte in einem Haus, dessen Hof an die Saale ging. Und Eulenspiegel begann, auf dem Seile zu gehen. Das trieb er zuerst auf dem Dachboden des Hauses, weil er es vor der Mutter nicht tun wollte. Denn sie konnte seine Torheit nicht leiden, daß er sich so auf dem Seil tummelte, und drohte, ihn deshalb zu schlagen. Einmal erwischte sie ihn auf dem Seil, nahm einen großen Knüppel und wollte ihn herunterschlagen. Da entrann er ihr zu einem Fenster hinaus, lief oben auf das Dach und setzte sich dort hin, so daß sie ihn nicht erreichen konnte.
Das währte so lange mit ihm, bis er ein wenig älter wurde. Dann fing er wieder an, auf dem Seil zu gehen, und zog das Seil oben von seiner Mutter Hinterhaus über die Saale in ein Haus gegenüber. Viele junge und alte Leute bemerkten das Seil, darauf Eulenspiegel laufen wollte. Sie kamen herbei und wollten ihn darauf gehen sehen; und sie waren neugierig, was er doch für ein seltsames Spiel beginnen oder was er Wunderliches treiben wollte.
Als nun Eulenspiegel auf dem Seil im besten Tummeln war, bemerkte es seine Mutter; und sie konnte ihm nicht viel darum tun. Doch schlich sie heimlich hinten in das Haus auf den Boden, wo das Seil angebunden war, und schnitt es entzwei. Da fiel ihr Sohn Eulenspiegel unter großem Spott ins Wasser und badete tüchtig in der Saale. Die Bauern lachten sehr, und die Jungen riefen ihm laut nach: »Hehe, bade nur wohl aus! Du hast lange nach dem Bade verlangt!«
Das verdroß Eulenspiegel sehr. Das Bad machte ihm nichts aus, wohl aber das Spotten und Rufen der Buben. Er überlegte, wie er ihnen das wieder vergelten und heimzahlen wollte. Und also badete er aus, so gut er es vermochte.
Kurze Zeit danach wollte Eulenspiegel seinen Schaden und den Spott wegen des Bades rächen, zog das Seil aus einem anderen Haus über die Saale und zeigte den Leuten an, daß er abermals auf dem Seil gehen wolle. Das Volk sammelte sich bald dazu, jung und alt. Und Eulenspiegel sprach zu den Jungen: jeder solle ihm seinen linken Schuh geben, er wolle ihnen mit den Schuhen ein hübsches Stück auf dem Seil zeigen. Die Jungen glaubten das, und alle meinten, es sei wahr, auch die Alten. Und die Jungen huben an, die Schuhe auszuziehen, und gaben sie Eulenspiegel. Es waren der Jungen beinahe zwei Schock, das sind zweimal sechzig. Die Hälfte der Schuhe wurde Eulenspiegel gegeben. Da zog er sie auf eine Schnur und stieg damit auf das Seil. Als er nun auf dem Seil war und hatte die Schuhe mit oben, sahen die Alten und die Jungen zu ihm hinauf und meinten, er wolle ein lustig Ding damit tun. Aber ein Teil der Jungen war betrübt, denn sie hätten ihre Schuhe gern wiedergehabt.
Als nun Eulenspiegel auf dem Seil saß und seine Kunststücke machte, rief er auf einmal: »jeder gebe acht und suche seinen Schuh wieder!« Und damit schnitt er die Schnur entzwei und warf die Schuhe alle von dem Seil auf die Erde, so daß ein Schuh über den anderen purzelte. Da stürzten die Jungen und Alten herzu, einer erwischte hier einen Schuh, der andere dort. Der eine sprach: »Dieser Schuh ist mein!« Der andere sprach: »Du lügst, er ist mein!« Und sie fielen sich in die Haare und begannen sich zu prügeln. Der eine lag unten, der andere oben; der eine schrie, der andere weinte, der dritte lachte. Das währte so lange, bis auch die Alten Backenstreiche austeilten und sich bei den Haaren zogen.
Derweil saß Eulenspiegel auf dem Seil, lachte und rief: »Hehe, sucht nun die Schuhe, wie ich kürzlich ausbaden mußte!« Und er lief von dem Seil, und ließ die Jungen und Alten sich um die Schuhe zanken.
Danach durfte er sich vier Wochen lang vor den Jungen oder Alten nicht sehen lassen. Er saß deshalb im Hause bei seiner Mutter und flickte Helmstedter Schuhe. Da freute sich seine Mutter sehr und meinte, es würde mit ihm noch alles gut werden. Aber sie kannte nicht die Geschichte mit den Schuhen und wußte nicht, daß er wegen dieses Streichs nicht wagte, vors Haus zu gehen.
Eulenspiegels Mutter war froh, daß ihr Sohn so friedlich war, schalt ihn jedoch, daß er kein Handwerk lernen wollte. Er schwieg dazu, aber die Mutter ließ nicht nach, ihn. zu schelten. Schließlich sagte Eulenspiegel: »Liebe Mutter, womit sich einer abgibt, davon wird ihm sein Lebtag genug.« Da sagte die Mutter: »Wenn ich über dein Wort nachdenke: seit vier Wochen habe ich kein Brot in meinem Haus gehabt.« Doch Eulenspiegel sprach: »Das paßt nicht als Antwort auf meine Worte. Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, der fastet am Sankt-Nikolaus-Tag, und wenn er etwas hat, so ißt er mit Sankt Martin zu Abend. Also essen wir auch.«
Lieber Gott, hilf«, dachte Eulenspiegel, »wie soll ich die Mutter beruhigen? Wo soll ich Brot herbekommen für ihr Haus?« Und er ging aus dem Flecken, in dem seine Mutter wohnte, in die Stadt Staßfurt. Dort fand er eines reichen Brotbäckers Laden, ging hinein und fragte, ob der Bäcker seinem Herrn für zehn Schillinge Roggen- und Weißbrot schicken wolle. Er nannte den Namen eines Herren aus der Gegend und sagte, sein Herr sei hier zu Staßfurt, und benannte auch die Herberge, in der er sei. Der Bäcker solle einen Knaben mit in die Herberge zu seinem Herren schicken, dort wolle er ihm das Geld geben. Der Bäcker sagte: »ja.« Nun hatte Eulenspiegel einen Sack mit einem verborgenen Loch. In diesen Sack ließ er sich das Brot zählen. Und der Bäcker sandte einen Jungen mit Eulenspiegel, um das Geld zu empfangen. Als Eulenspiegel einen Armbrustschuß weit von des Brotbäckers Haus war, ließ er ein Weißbrot aus dem Loch in den Dreck der Straße fallen. Da setzte Eulenspiegel den Sack nieder und sprach zu dem Jungen: »Ach, das besudelte Brot darf ich nicht vor meinen Herrn bringen. Lauf rasch damit wieder nach Haus und bring mir ein anderes Brot dafür! Ich will hier auf dich warten.« Der Junge lief hin und holte ein anderes Brot. Inzwischen ging Eulenspiegel weiter in ein Haus in der Vorstadt. Dort stand ein Pferdekarren aus seinem Flecken. Darauf legte er seinen Sack und ging neben dem Kärrner her. So kam er heim ans Haus seiner Mutter.
Als der Bäckerjunge mit dem Brot wiederkam, war Eulenspiegel mit den Broten verschwunden. Da rannte der Junge zurück und sagte das dem Bäcker. Der Brotbäcker lief sogleich zu der Herberge, die ihm Eulenspiegel genannt hatte. Doch dort fand er niemanden, sondern sah, daß er betrogen war.
Eulenspiegel brachte seiner Mutter das Brot nach Hause und sagte: »Schau her und iß, dieweil du etwas hast, und faste mit Sankt Nikolaus, wenn du nichts hast.«
In dem Flecken, worin Eulenspiegel mit seiner Mutter wohnte, herrschte eine Sitte: wenn ein Hauswirt ein Schwein geschlachtet hatte, gingen die Nachbarskinder in das Haus und aßen dort eine Suppe oder einen Brei. Das nannte man das Weckbrot.
Nun wohnte in demselben Flecken ein Gutspächter, der war geizig mit dem Essen und durfte doch den Kindern das Weckbrot nicht versagen. Da erdachte er eine List, mit der er ihnen das Weckbrot verleiden wollte. Er schnitt in eine große Milchschüssel harte Brotrinden. Als die Kinder kamen, Knaben und Mädchen - darunter auch Eulenspiegel -, ließ er sie ein, schloß die Tür zu und begoß das Brot mit Suppe. Der Brotbrocken waren aber viel mehr, als die Kinder essen konnten. Wenn nun eins satt war und davongehen wollte, kam der Hauswirt und schlug es mit einer Rute um die Lenden, so daß ein jedes im Übermaß essen mußte. Und der Hauswirt wußte wohl von Eulenspiegels Streichen, so daß er auf ihn besonders achtgab. Wenn er einen anderen um die Lenden hieb, so traf er Eulenspiegel noch besser. Das trieb er so lange, bis die Kinder alle Brocken des Weckbrotes aufgegessen hatten. Das bekam ihnen ebenso gut wie dem Hund das Gras.
Danach wollte kein Kind mehr in des geizigen Mannes Haus gehen, um Weckbrot oder Metzelsuppe zu essen.
Als der Hauswirt am nächsten Tage ausging, begegnete er Eulenspiegel und fragte: »Lieber Eulenspiegel, wann willst du wieder zum Weckbrot zu mir kommen?« Eulenspiegel sagte: »Wenn sich deine Hühner um den Köder reißen, je vier um einen Bissen Brot.« Da sprach der Mann: »Dann willst du also lange nicht zu meinem Weckbrot kommen?« Eulenspiegel entgegnete: »Wenn ich aber doch eher käme, als die nächste Zeit für fette Metzelsuppe ist?« Und damit ging er seines Weges.
Eulenspiegel wartete, bis es Zeit war, daß des Mannes Hühner auf der Gasse Futter suchten. Dann knüpfte er zwanzig Fäden oder mehr jeweils zwei und zwei in der Mitte zusammen und band an jedes Ende eines Fadens einen Bissen Brot. Er nahm die Fäden und legte sie verdeckt hin, die Brotstücke aber waren zu sehen. Die Hühner pickten und schluckten nun hier und dort die Brotbissen mit den Fadenenden in ihre Hälse. Aber sie konnten die Bissen nicht herunterschlucken, denn am anderen Ende des Fadens zog ein anderes Huhn, so daß je eins das andere zog. Kein Huhn konnte das Brot ganz hinunterschlucken oder es wieder aus dem Hals herausbekommen, da die Brotstücke zu groß waren. So standen mehr als zweihundert Hühner einander gegenüber und würgten und zerrten an der Lockspeise.
Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel mit seiner Mutter in ein Dorf zur Kirchweih ging. Und Eulenspiegel trank, bis er betrunken wurde. Da suchte er einen Ort, wo er friedlich schlafen könne und ihm niemand etwas täte. Hinten in einem Hof fand er einen Haufen Bienenkörbe, und dabei lagen viele Immenstöcke, die leer waren. Er kroch in einen leeren Korb, der am nächsten bei den Bienen lag, und gedachte, ein wenig zu schlafen. Und er schlief von Mittag bis gegen Mitternacht. Seine Mutter meinte, er sei wieder nach Hause gegangen, da sie ihn nirgends sehen konnte.
In derselben Nacht kamen zwei Diebe und wollten einen Bienenkorb stehlen. Und einer sprach zum anderen: »Ich habe immer gehört, der schwerste Immenkorb ist auch der beste.« Also hoben sie die Körbe und Stöcke einen nach dem anderen auf, und als sie zu dem Korb kamen, in dem Eulenspiegel lag, war das der schwerste. Da sagten sie: »Das ist der beste Irnmenstock«, nahmen ihn auf die Schultern und trugen ihn von dannen.
Indessen erwachte Eulenspiegel und hörte ihre Pläne. Es war ganz finster, so daß einer den anderen kaum sehen konnte. Da griff Eulenspiegel aus dem Korb dem Vorderen ins Haar und riß ihn kräftig daran. Der wurde zornig auf den Hinteren und meinte, dieser hätte ihn am Haar gezogen, und er begann, ihn zu beschimpfen. Der Hintermann aber sprach: »Träumst du, oder gehst du im Schlaf? Wie sollte ich dich an den Haaren rupfen? Ich kann doch kaum den Immenstock mit meinen Händen halten!« Eulenspiegel lachte und dachte: das Spiel will gut werden! Er wartete, bis sie eine weitere Ackerlänge gegangen waren. Dann riß er den Hinteren auch kräftig am Haar, so daß dieser sein Gesicht schmerzlich verziehen mußte. Der Hintermann wurde noch zorniger und sprach: »Ich gehe und trage, daß mir der Hals kracht, und du sagst, ich ziehe dich beim Haar! Du ziehst mich beim Haar, daß mir die Schwarte kracht!« Der Vordere sprach: »Du lügst dir selbst den Hals voll! Wie sollte ich dich beim Haar ziehen, ich kann doch kaum den Weg vor mir sehen! Auch weiß ich genau, daß du mich beim Haar gezogen hast!«
So gingen sie zankend mit dem Bienenkorb weiter und stritten miteinander. Nicht lange danach, als sie noch im größten Zanken waren, zog Eulenspiegel den Vorderen noch einmal am Haar, so daß sein Kopf gegen den Bienenkorb schlug. Da wurde der Mann so zornig, daß er den Immenstock fallen ließ und blindlings mit den Fäusten nach dem Kopf des Hintermannes schlug. Dieser ließ den Bienenkorb auch los und fiel dem Vorderen in die Haare. Sie taumelten übereinander, entfernten sich voneinander, und der eine wußte nicht, wo der andere blieb. Sie verloren sich zuletzt in der Finsternis und ließen den Immenstock liegen.
Nun lugte Eulenspiegel aus dem Korbe, und als er sah, daß es noch finster war, schlüpfte er wieder hinein und blieb darin liegen, bis es heller Tag war. Dann kroch er aus dem Bienenkorb und wußte nicht, wo er war. Er folgte einem Weg nach, kam zu einer Burg und verdingte sich dort als Hofjunge.
Bald danach kam Eulenspiegel auf eine Burg zu einem Junker und gab sich als Hofjunge aus. Er mußte gleich mit seinem Junker über Land reiten. Am Weg stand Hanf; den nennt man im Lande Sachsen, aus dem Eulenspiegel stammte, »Henep«. Der Junker sprach zu Eulenspiegel, der die Lanze seines Herrn trug: »Siehst du das Kraut, das da steht? Es heißt Henep.« Eulenspiegel sagte: »ja, das sehe ich wohl.« Da sprach sein Junker: »Sooft du daran vorbeikommst, so scheiße darein einen großen Haufen! Denn mit dem Kraut bindet und henkt man die Räuber und die, die sich ohne Herrendienst aus dem Sattel ernähren. Das geschieht mit dem Bast, der aus dem Kraut gesponnen wird.« Eulenspiegel sagte: »ja gern, das werde ich tun.«
Der Junker (oder Hofmann) ritt mit Eulenspiegel hin und her in viele Städte und half rauben, stehlen und nehmen, wie es seine Gewohnheit war.
Eines Tages begab es sich, daß sie zu Hause waren und still lagen. Als es Imbißzeit wurde, ging Eulenspiegel in die Küche. Da sprach der Koch zu ihm: »Junge, geh in den Keller, da steht ein irdener Hafen oder Topf, darin ist Senep (so auf sächsisch genannt), den bring mir her!« Eulenspiegel sagte ja und hatte doch seinen Lebtag noch keinen Senep oder Senf gesehen. Und als er in dem Keller den Topf mit Senf fand, dachte er: was mag der Koch damit tun wollen? Ich meine, er will mich damit binden. Und er dachte weiter: mein Junker hat mich geheißen, wo ich solches Kraut fände, sollte ich hineinscheißen. Und er hockte sich über den Topf mit Senf, schiß ihn voll, rührte um und brachte ihn so dem Koch.
Was geschah? Der Koch machte sich keine weiteren Gedanken, richtete eilends in einem Schüsselchen den Senf an und schickte ihn zu Tische. Der Junker und seine Gäste tunkten in den Senf: der schmeckte ganz übel. Der Koch wurde geholt und gefragt, was er für Senf gemacht habe. Und der Koch kostete auch den Senf, spie aus und sprach: »Der Senf schmeckt, als wär darein geschissen worden.« Da fing Eulenspiegel an zu lachen. Sein Junker sprach: »Was lachst du so spöttisch? Meinst du, wir können nicht schmecken, was das ist? Willst du es nicht glauben, so komm und schmeck hier den Senf auch!« Eulenspiegel sagte: »Ich esse das nicht. Wißt Ihr nicht, was Ihr mich geheißen habt am Feld auf der Straße? Wo ich das Kraut sähe, so sollte ich darein scheißen, denn man pflege die Räuber damit zu henken und zu erwürgen. Als mich der Koch in den Keller nach dem Senep schickte, habe ich darein getan nach Eurem Geheiß.« Da sprach der Junker: »Du verwünschter Schalk, das soll dein Unglück sein! Das Kraut, das ich dir zeigte, das heißt Henep oder Hanf. Was dich der Koch bringen ließ, das heißt Senep oder Senf. Du hast das aus Bosheit getan!« Und er nahm einen Knüppel und wollte ihn damit schlagen. Aber Eulenspiegel war behend, entlief ihm von der Burg und kam nicht wieder.
Rechts in der Straße, die in Hildesheim vom Heumarkt führt, wohnte ein reicher Kaufmann. Der ging einmal vor dem Tor spazieren und wollte in seinen Garten gehen. Unterwegs fand er Eulenspiegel auf einem grünen Acker liegen, grüßte und fragte ihn, was er für ein Handwerksgeselle sei und welche Geschäfte er triebe. Eulenspiegel antwortete ihm klüglich und mit heimlichem Spott, er sei ein Küchenjunge und habe keinen Dienst. Da sprach der Kaufmann zu ihm: »Wenn du tüchtig sein willst, nehme ich dich selber auf und gebe dir neue Kleider und einen guten Sold. Denn ich habe eine Frau, die zankt alle Tage wegen des Kochens; deren Dank meine ich wohl zu verdienen.« Eulenspiegel gelobte ihm große Treue und Redlichkeit.
Darauf nahm ihn der Kaufmann in seinen Dienst und fragte ihn, wie er hieße. »Herr, ich heiße Bartholomäus.« Der Kaufmann sprach: »Das ist ein langer Name, man kann ihn nicht gut aussprechen. Du sollst Doll heißen.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Junker, es ist mir gleich, wie ich heiße.« »Wohlan«, sprach der Kaufmann, »du bist mir ein rechter Knecht. Komm her, komm her, geh mit mir in meinen Garten. Wir wollen Kräuter mit uns heimtragen und junge Hühner damit füllen. Denn ich habe für den nächsten Sonntag Gäste eingeladen, denen wollte ich gern etwas Gutes antun.« Eulenspiegel ging mit ihm in den Garten und schnitt Rosmarin. Damit wollte er etliche Hühner auf welsche Art füllen, die restlichen Hühner mit Zwiebeln, Eiern und anderen Kräutern. Dann gingen sie miteinander nach Hause.
Als die Frau den seltsam gekleideten Gast sah, fragte sie ihren Mann, was das für ein Gesell sei, was er mit ihm tun wolle und ob er Sorge habe, das Brot im Hause werde schimmlig. Der Kaufmann sagte: »Frau, sei zufrieden. Er soll dein eigner Knecht sein; denn er ist ein Koch.« Die Frau sprach: »Ja, lieber Mann, wenn er gute Dinge kochen könnte!« »Sei zufrieden«, sprach der Mann, »morgen sollst du sehen, was er kann.« Dann rief er Eulenspiegel: »Doll!« Der antwortete: »Junker!« »Nimm einen Sack und geh mit zu den Fleischbänken. Wir wollen Fleisch und einen Braten holen.« Also folgte er ihm nach. Da kaufte sein Junker Fleisch und einen Braten und sprach zu ihm: »Doll, setze den Braten morgens bald auf und laß ihn kühl und langsam braten, damit er nicht anbrennt. Das andere Fleisch setz auch beizeiten dazu, damit es zum Imbiß gesotten ist.« Eulenspiegel sagte ja, stand früh auf und setzte die Speise aufs Feuer. Den Braten aber steckte er an einen Spieß und legte ihn zwischen zwei Fässer Einbecker Biers in den Keller, damit er kühl liege und nicht anbrenne.
Da der Kaufmann den Stadtschreiber und andere gute Freunde zu Gast geladen hatte, kam er und wollte nachsehen, ob die Gäste schon gekommen und ob die Kost auch bereit sei. Und er fragte seinen neuen Knecht danach. Der antwortete: »Es ist alles bereit außer dem Braten«. »Wo ist der Braten«? sprach der Kaufmann. »Er liegt im Keller zwischen zwei Fässern. Ich wußte im ganzen Haus keinen kälteren Ort, um ihn kühl zu legen, wie Ihr sagtet.« »Ist er denn fertig gebraten?« fragte der Kaufmann. »Nein«, sprach Eulenspiegel, »ich wußte nicht, wann Ihr ihn haben wolltet.«
Inzwischen karnen die Gäste; denen erzählte der Kaufmann von seinem neuen Knecht und wie er den Braten in den Keller gelegt habe. Darüber lachten sie und hielten es für einen guten Scherz. Aber die Frau war um der Gäste willen nicht damit zufrieden und sagte dem Kaufmann, er solle den Knecht gehen lassen. Sie wolle ihn im Hause nicht länger leiden, sie sähe, daß er ein Schalk sei. Der Kaufmann sprach: »Liebe Frau, gib dich zufrieden! Ich brauche ihn für eine Reise nach der Stadt Goslar. Wenn ich wiederkommen will ich ihn entlassen.« Kaum konnte er die Frau dazu überreden, sich damit abzufinden.
Als sie des Abends aßen und tranken und guter Dinge waren, sprach der Kaufmann: »Doll, richte den Wagen her und schmiere ihn! Wir wollen morgen nach Goslar fahren. Ein Pfaffe, Herr Heinrich Hamenstede, ist dort zu Hause und will mitfahren.« Eulenspiegel sagte ja und fragte, was für eine Schmiere er nehmen solle. Der Kaufmann warf ihm einen Schilling zu und sprach: »Geh und kauf Wagenschmiere, und laß die Frau altes Fett dazutun!« Eulenspiegel tat also; und als alle schliefen, beschmierte er den Wagen innen und außen und am allermeisten da, wo man zu sitzen pflegt.
Des Morgens früh stand der Kaufmann mit dem Pfaffen auf und hieß Eulenspiegel, die Pferde anzuspannen. Das tat er. Sie saßen auf und fuhren ab. Da hob der Pfaffe an und sagte: »Was, beim Galgen, ist hier so fettig? Ich will mich festhalten, daß der Wagen mich nicht so rüttelt, und beschmiere mir die Hände überall.« Sie hießen Eulenspiegel anzuhalten und sagten zu ihm, sie seien beide hinten und vorne beschmiert, und wurden zornig über ihn. Währenddem kam ein Bauer mit einem Fuder Stroh vorbei, der zum Markt fahren wollte. Dem kauften sie einige Bündel ab, wischten den Wagen aus und saßen wieder auf. Da sagte der Kaufmann zornerfüllt zu Eulenspiegel: »Du gottverlassener Schalk, daß dir nimmer Glück geschehe! Fahr fort an den lichten Galgen!« Das tat Eulenspiegel. Als er unter den Galgen kam, hielt er an und spannte die Pferde aus. Da sprach der Kaufmann zu ihm: »Was willst du machen, oder was meinst du damit, du Schalk?« Eulenspiegel sagte: »Ihr hießet mich, unter den Galgen zu fahren. Da sind wir. Ich meinte, wir wollten hier rasten.« Der Kaufmann sah aus dem Wagen: sie hielten unter dem Galgen. Was sollten sie tun? Sie lachten über die Narretei, und der Kaufmann sagte: »Spann wieder an, du Schalk, fahr geradeaus und sieh dich nicht um!«
Nun zog Eulenspiegel den Nagel aus dem Landwagen, und als er eine Ackerlänge gefahren war, ging der Wagen auseinander. Das Hintergestell mit dem Verdeck blieb stehen, und Eulenspiegel fuhr allein weiter. Sie riefen ihm nach und liefen, daß ihnen die Zunge aus dem Halse hing, bis sie ihn einholten. Der Kaufmann wollte ihn totschlagen, und der Pfaffe half ihm, so gut er konnte.
Als sie die Reise vollbracht hatten und wieder nach Hause kamen, fragte die Frau den Kaufmann, wie es ihnen ergangen sei. »Seltsam genug«, sagte er, »doch kamen wir wieder zurück.« Dann rief er Eulenspiegel und sagte: »Kumpan, diese Nacht bleib noch hier, iß und trink dich voll, aber morgen räume mir das Haus! Ich will dich nicht länger haben. Du bist ein betrügerischer Schalk, wo du auch herkommst.« Eulenspiegel sprach: »Lieber Gott, ich tue alles, was man mich heißet; und doch kann ich keinen Dank verdienen. Aber gefallen Euch meine Dienste nicht, so will ich morgen nach Euern Worten das Haus räumen und wandern.« »Ja, das tue nur«, sprach der Kaufmann.
Am andern Tag stand der Kaufmann auf und sagte zu Eulenspiegel: »Iß und trink dich satt und dann trolle dich! Ich will in die Kirche gehen. Laß dich nicht wieder sehen!« Eulenspiegel schwieg. Sobald der Kaufmann aus dem Haus war, begann er zu räumen. Stühle, Tische, Bänke und was er tragen und schleppen konnte, brachte er auf die Gasse, auch Kupfer, Zinn und Wachs. Die Nachbarn wunderten sich, was daraus werden sollte, daß man alles Gut auf die Gasse brachte.
Davon erfuhr der Kaufinann. Er kam schnell herbei und sprach zu Eulenspiegel: »Du braver Knecht, was tust du hier? Find ich dich noch hier?« »Ja, Junker, ich wollte erst Euren Willen erfüllen, denn Ihr hießet mich, das Haus zu räumen und danach zu wandern.« Und er sprach weiter: »Greift mit zu, die Tonne ist mir zu schwer, ich kann sie allein nicht bewältigen.« »Laß sie liegen«, sagte der Kaufmann, »und gehe zum Teufel! Das alles hat zuviel gekostet, als daß man es in den Dreck werfen könnte.« »Lieber Herrgott«, sprach Eulenspiegel, »ist das nicht ein großes Wunder? Ich tue alles, was man mich heißet, und kann doch keinen Dank verdienen. Es ist wahr: ich bin in einer unglücklichen Stunde geboren.« Damit ging Eulenspiegel von dannen und ließ den Kaufmann wieder hineinschleifen, was er ausgeräumt hatte, so daß die Nachbarn noch lange lachten.
In dem Lande Braunschweig liegt im Stift Magdeburg das Dorf Büddenstedt. Dort kam Eulenspiegel in des Pfaffen Haus. Der Pfaffe dingte ihn als Knecht, kannte ihn aber nicht. Und er sprach zu ihm, er solle gute Tage und einen guten Dienst bei ihm haben; essen und solle er das Beste, ebensogut wie seine Haushälterin. Alles, was er tun rnüsse, könne er mit halber Arbeit tun. Eulenspiegel sagte ja dazu, er wolle sich danach richten. Und er sah, daß des Paffen Köchin nur ein Auge hatte. Die Haushälterin schlachtete gleich zwei Hühner, steckte sie zum Braten an den Spieß und hieß Eulenspiegel, sich zum Herd zu setzen und die Hühner umzuwenden. Eulenspiegel war dazu bereit und wendete die zwei Hühner am Feuer um.
Und als sie gar gebraten waren, dachte er: Als der Pfaffe mich dingte, sagte er doch, ich solle so gut essen und trinken wie er und seine Köchin; das könnte bei diesen Hühnern nicht in Erfüllung gehen; und dann würden des Pfaffen Worte nicht wahr sein, und ich äße auch von den gebratenen Hühnern nicht; ich will so klug sein und davon essen, damit seine Worte wahr bleiben. Und er nahm das eine Huhn vom Spieß und aß es ohne Brot.
Als es Essenszeit werden wollte, kam des Pfaffen einäugige Haushälterin zum Feuer und wollte die Hühner beträufeln. Da sah sie, daß nur ein Huhn am Spieß steckte, und sagte zu Eulenspiegel: »Der Hühner waren doch zwei! Wo ist das eine hingekommen?« Eulenspiegel sprach: »Frau, tut Euer anderes Auge auch auf, dann seht Ihr alle beide Hühner.« Als er so über die Köchin wegen ihres einen Auges herzog, wurde sie unwillig und zürnte Eulenspiegel. Sie lief zum Pfaffen und erzählte ihm, wie sein feiner Knecht sie verspottet habe wegen ihres einen Auges. Sie habe zwei Hühner an den Spieß gesteckt, aber nicht mehr als ein Huhn vorgefunden, als sie nachsah, wie er briet.
Der Pfaffe ging in die Küche zum Feuer und sprach zu Eulenspiegel: »Was spottest du über meine Magd? Ich sehe sehr gut, daß nur ein Huhn am Spieß steckt, und es sind ihrer doch zwei gewesen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, es sind ihrer zwei gewesen.« Der Pfaffe sprach: »Wo ist denn das andere geblieben?« Eulenspiegel sagte: »Das steckt doch da! Tut Eure beiden Augen auf, so seht Ihr, daß ein Huhn am Spieß steckt! Das sagte ich auch zu Eurer Köchin; da wurde sie zornig.« Da fing der Pfaffe an zu lachen und sprach: »Meine Magd kann nicht beide Augen aufmachen, denn sie hat nur eins.« Da sprach Eulenspiegel: »Herr, das sagt Ihr, nicht ich.« Der Pfaffe meinte: »Das ist geschehen, und dabei bleibt es; aber das eine Huhn ist dennoch weg.« Eulenspiegel sprach: »Nun ja, das eine ist weg und das andere steckt noch. Ich habe das eine gegessen, da Ihr gesagt hattet, ich sollte ebenso gut essen und trinken wie Ihr und Eure Magd. Es tat mir leid, daß Ihr gelogen haben würdet, wenn Ihr die beiden Hühner miteinander gegessen hättet und ich nichts davon bekommen hätte. Damit Ihr an Euren Worten nicht zum Lügner würdet, aß ich das eine Huhn auf.« Der Pfaffe war damit zufrieden und sprach: »Mein lieber Knecht, es ist mir nicht um einen Braten zu tun; aber künftig tue nach dem Willen meiner Haushälterin, wie sie es gern sieht.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Herr, gewiß, wie Ihr mich heißet.«
Was danach die Haushälterin Eulenspiegel tun hieß, das tat er nur zur Hälfte. Wenn er einen Eimer mit Wasser holen sollte, so brachte er ihn halb voll, und wenn er zwei Stücke Holz fürs Feuer holen sollte, so brachte er ein Stück. Sollte er dem Stier zwei Bunde Heu geben, so gab er ihm nur eins, sollte er ein Maß Wein aus dem Wirtshaus bringen, so brachte er ein halbes. Dergleichen tat er in vielen Dingen. Die Köchin merkte wohl, daß er ihr das zum Verdruß tat. Aber sie wollte ihm selbst nichts sagen, sondern beklagte sich über ihn bei dem Pfaffen. Da sagte der Pfaffe zu Eulenspiegel: »Lieber Knecht, meine Magd klagt über dich, und ich bat dich doch, alles zu tun, was sie gern sieht.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, ich habe auch nichts anderes getan, als was Ihr mich geheißen habt. Ihr sagtet mir, ich könne Euren Dienst mit halber Arbeit tun. Und Eure Magd sähe gern mit beiden Augen, aber sie sieht doch nur mit einem Auge. Sie sieht nur halb, also tue ich halbe Arbeit.« Der Pfaffe lachte, aber die Haushälterin wurde zornig und sprach: »Herr, wenn Ihr diesen nichtsnutzigen Schalk länger als Knecht behalten wollt, so gehe ich von Euch fort.« So mußte der Pfaffe seinem Knecht Eulenspiegel gegen seinen Willen den Abschied geben.
Doch verhandelte er mit den Bauern, denn der Küster des Dorfes war kürzlich gestorben. Und da die Bauern einen Küster nicht entbehren konnten, beriet und einigte sich der Pfaffe mit ihnen, daß sie Eulenspiegel zum Küster machten.
Als Eulenspiegel in dem Dorf Küster geworden war, konnte er laut singen, wie es sich für einen Mesner gehört. Nachdem der Pfaffe mit Eulenspiegel wieder einen Küster hatte, stand er einmal vor dem Altar, zog sich an und wollte die Messe halten. Eulenspiegel stand hinter ihm und ordnete ihm sein Meßgewand. Da ließ der Pfaffe einen großen Furz, so daß es durch die ganze Kirche schallte. Da sprach Eulenspiegel: »Herr, wie ist das? Opfert Ihr dies unserm Herrn statt Weihrauch hier vor dem Altar?« Der Pfaffe sagte: »Was fragst du danach? Das ist meine Kirche. Ich habe die Macht, mitten in die Kirche zu scheißen.« Eulenspiegel sprach: »Das soll Euch und mir eine Tonne Bier gelten, ob Ihr das tun könnt.« Der Pfaffe sagte: »ja, das soll gelten.« Sie wetteten miteinander und der Pfaffe sprach: »Meinst du, daß ich nicht so keck bin?« Und er kehrte sich um, machte einen großen Haufen in die Kirche und sprach: »Sieh, Herr Küster, ich habe die Tonne Bier gewonnen.« Eulenspiegel sagte: »Nein, Herr, erst wollen wir messen, ob es mitten in der Kirche ist, wie Ihr sagtet.« Eulenspiegel maß es aus: da fehlte wohl ein Viertel bis zu Mitte der Kirche. Also gewann Eulenspiegel die Tonne Bier.
Da wurde die Haushälterin des Pfaffen wiederum zornig und sprach: »Ihr wollt von dem schalkhaftigen Knecht nicht lassen, bis daß er Euch durchaus in Schande bringt.«
Als Ostern nahte, sagte der Pfarrer zu seinem Küster Eulenspiegel: »Es ist hier Sitte, daß die Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe aufersteht.« Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten. Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er sprach zu dem Pfarrer: »Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd dazu leihen. Die kann schreiben und lesen.« Der Pfarrer sagte: »Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen.« Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch dazu auswendig. Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.
Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam - sie waren als Marien angezogen -, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: »Quem quaeritis? Wen suchet Ihr hier?« Da sprach der eine Bauer - die vorderste Marie -, wie ihn Eulenspiegel gelehrt hatte: »Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure.« Als die Magd hörte, daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll. Als das der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm vor dem Grabe. Als das die anderen Bauern sahen, liefen sie hinzu, und es entstand ein großes Geschrei. Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten, lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.
Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht. Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie einen anderen Küster hernahmen!
Bald nach dieser Zeit, als Eulenspiegel ein Küster gewesen war, kam er in die Stadt Magdeburg und vollführte dort viele Streiche. Davon wurde sein Name so bekannt, daß man von Eulenspiegel allerhand zu erzählen wußte. Die angesehensten Bürger der Stadt baten ihn, er solle etwas Abenteuerliches und Gauklerisches treiben. Da sagte er, er wolle das tun und auf das Rathaus steigen und vom Erker herabfliegen. Nun erhob sich ein Geschrei in der ganzen Stadt. jung und alt versammelten sich auf dem Markt und wollten sehen, wie er flog.
Eulenspiegel stand auf dem Erker des Rathauses, bewegte die Arme und gebärdete sich, als ob er fliegen wolle. Die Leute standen, rissen Augen und Mäuler auf und meinten tatsächlich, daß er fliegen würde. Da begann Eulenspiegel zu lachen und rief: »Ich meinte, es gäbe keinen Toren oder Narren in der Welt außer mir. Nun sehe ich aber, daß hier die ganze Stadt voller Toren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, daß ihr fliegen wolltet, ich glaubte es nicht. Aber ihr glaubt mir, einem Toren! Wie sollte ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel! Auch habe ich keine Fittiche, und ohne Fittiche oder Federn kann niemand fliegen. Nun seht ihr wohl, daß es erlogen ist.«
Damit kehrte er sich um, lief vom Erker und ließ das Volk stehen. Die einen fluchten, die anderen lachten und sagten: »Ist er auch ein Schalksnarr, so hat er dennoch wahr gesprochen!«
In Magdeburg war ein Bischof namens Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von Eulenspiegels Streichen und ließ ihn nach Schloß Giebichenstein kommen. Dem Bischof gefielen Eulenspiegels Schwänke sehr, und er gab ihm Kleider und Geld. Auch die Diener mochten ihn gar wohl leiden und trieben viel Kurzweil mit ihm.
Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich sehr gelehrt und weise dünkte. Aber des Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesinnt. Dieser Doktor hatte nicht gerne Narren um sich. Deshalb sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten: »Man soll weisen Leuten an der Herren Höfe Aufenthalt geben und aus mancherlei Gründen nicht solchen Narren.« Die Ritter und das Hofgesinde erklärten dazu, die Ansicht des Doktors sei nicht richtig. Wer Eulenspiegels Torheiten nicht hören möchte, der könne ja weggehen; niemand sei zu ihm gezwungen. Der Doktor entgegnete: »Narren zu Narren und Weise zu Weisen! Hätten die Fürsten weise Leute bei sich, so stünde ihnen die Weisheit immer vor Augen. Wenn sie Narren bei sich halten, so lernen sie Narretei.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen, die weise zu sein glauben? Man findet ihrer viele, die von Narren betrogen worden sind. Es ziemt sich für Fürsten und Herren wohl, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren vertreiben sie mancherlei Phantasterei, und wo Herren sind, wollen die Narren auch gern sein.« Also kamen die Ritter und die Hofleute zu Eulenspiegel und legten es darauf an, daß er einen Plan machte. Sie baten ihn, er möge sich einen Streich ausdenken, und wollten ihm, ebenso wie der Bischof, dabei helfen. Dem Doktor solle sein Weisheitsdünkel vergolten werden, wie er gehört habe. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wenn ihr mir dabei helfen wollt, soll es dem Doktor heimgezahlt werden.« So wurden sie sich einig.
Da zog Eulenspiegel vier Wochen lang über Land und überlegte, wie er mit dem Doktor umgehen wollte. Bald hatte er etwas gefunden und kam wieder zum Giebichenstein. Er verkleidete sich und gab sich als Arzt aus, denn der Doktor bei dem Bischof war oft krank und nahm viele Arzneien. Die Ritter sagten dem Doktor des Bischofs, ein Doktor der Medizin sei gekommen; der sei vieler Arzneikünste kundig. Der Doktor erkannte Eulenspiegel nicht und ging zu ihm in seine Herberge. Schon nach kurzer Unterhaltung nahm er ihn mit sich auf die Burg. Sie kamen miteinander ins Gespräch, und der Doktor sagte zum Arzt: »Könnt Ihr mir helfen von meiner Krankheit, so will ich es Euch wohl lohnen.« Eulenspiegel antwortete ihm mit Worten, wie sie die Ärzte in solchen Fällen zu sagen pflegen. Er gab vor, er müsse eine Nacht bei ihm liegen, damit er desto besser feststellen könne, wie er von Natur geartet sei. »Denn ich möchte Euch gern etwas geben, bevor Ihr schlafen geht, damit Ihr davon schwitzt. Am Schweiß werde ich merken, was Eure Krankheit ist.« Der Doktor ging mit Eulenspiegel zu Bett und meinte, alles, was ihm Eulenspiegel gesagt hatte, sei wahr.
Eulenspiegel gab dem Doktor ein scharfes Abführmitte1 ein. Der glaubte, er solle davon schwitzen, und wußte nicht, daß es zum Abführen war. Eulenspiegel nahm ein Steingefäß und tat einen Haufen seines Kotes hinein. Und er stellte den Topf mit dem Dreck zwischen die Wand und den Doktor auf die Bettkante. Der Doktor lag an der Wand, und Eulenspiegel lag vorn im Bett. Der Doktor hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck im Topf in die Nase, so daß er sich umwenden mußte zu Eulenspiegel. Sobald sich der Doktor aber zu Eulenspiegel gekehrt hatte, ließ dieser einen lautlosen Furz, der sehr übel stank. Da drehte sich der Doktor wieder um, und der Dreck aus dem Topf stank ihn wieder an. So trieb es Eulenspiegel mit dem Doktor fast die halbe Nacht.
Dann wirkte das Abführmittel und trieb so scharf, schnell und stark, daß sich der Doktor ganz verunreinigte und ekelhaft stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, würdiger Doktor? Euer Schweiß hat schon lange abscheulich gestunken. Wie kommt es, daß Ihr solchen Schweiß schwitzt? Er stinkt sehr übel!« Der Doktor lag und dachte: das rieche ich auch! Und er war des Gestankes so voll geworden, daß er kaum reden konnte. Eulenspiegel sprach: »Liegt nur still! Ich will gehen und ein Licht holen, damit ich sehen kann, wie es um Euch steht.« Als sich Eulenspiegel aufrichtete, ließ er noch einen starken Furz schleichen und sagte: »O weh, mir wird auch schon ganz schwach; das habe ich von Eurer Krankheit und von Eurem Gestank bekommen.« Der Doktor lag und war so krank, daß er sein Haupt kaum aufrichten konnte, und dankte dem allmächtigen Gott, daß der Arzt von ihm ging. jetzt bekam er ein wenig Luft. Denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, hatte ihn Eulenspiegel festgehalten, so daß er sich nicht aufrichten konnte, und gesagt, vorher müsse er erst genügend schwitzen.
Als Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer gegangen war, lief er hinweg von der Burg.
Indessen wurde es Tag. Da sah der Doktor den Topf an der Wand stehen mit dem Dreck. Und er war so krank, daß sein Gesicht vom Gestank ganz angegriffen aussah. Die Ritter und Hofleute sahen den Doktor und boten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete ganz schwächlich, konnte ihnen kaum antworten und legte sich in den Saal auf eine Bank und ein Kissen. Da holten die Hofleute den Bischof hinzu und fragten den Doktor, wie es ihm mit dem Arzt ergangen sei. Der Doktor antwortete: »Ich bin von einem Schalk überrumpelt worden. Ich wähnte, es sei ein Doktor der Medizin, doch es ist ein Doktor der Betrügerei.« Und er erzählte ihnen alles, wie es ihm ergangen war.
Da begannen der Bischof und alle Hofleute sehr zu lachen und sprachen: »Es ist ganz nach Euern Worten geschehen. Ihr sagtet, man solle sich nicht um Narren kümmern, denn der Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr seht, daß einer wohl durch Narren klug gemacht wird. Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und habt ihm geglaubt; von dem seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir uns mit seiner Narrheit abgaben, kannten ihn wohl. Wir mochten Euch aber nicht warnen, zumal Ihr gar so klug sein wolltet. Niemand ist so weise, daß er nicht auch Toren kennen sollte. Und wenn nirgendwo ein Narr wäre, woran sollte man dann die Weisen erkennen?« Da schwieg der Doktor still und wagte nicht mehr zu klagen.
Treue gibt Brot. Als Eulenspiegel den Doktor betrogen hatte, kam er danach gen Halberstadt. Er ging auf dem Markt umher und sah, daß es ein harter und kalter Winter war. Da dachte er: der Winter ist hart, und der Wind weht dazu scharf; du hast doch oft gehört: Wer Brot hat, dem gibt man Brot. Und er kaufte für zwei Schillinge Brot, nahm einen Tisch und stellte sich vor dem Dom von Sankt Stephan auf. Er hielt sein Brot feil und trieb solange Gauklerei, bis ein Hund kam, ein Brot vom Tisch nahm und damit den Domhof hinauflief. Eulenspiegel lief dem Hund nach. Unterdessen kam eine Sau mit zehn jungen Ferkeln und stieß den Tisch um; ein jegliches Tier nahm ein Brot ins Maul und lief damit hinweg.
Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sagte: »Nun sehe ich klar, daß die Worte falsch sind, wenn man spricht: wer Brot hat, dem gibt man Brot. Ich hatte Brot, und das wurde mir genommen.« Und er sprach weiter: »O Halberstadt, Halberstadt, du führst deinen Namen mit Recht. Dein Bier und deine Kost schmecken wohl, aber deine Geldbeutel sind von Sauleder gemacht.« Und er zog wieder gen Braunschweig.
Eulenspiegel war allezeit gern in Gesellschaft. Aber zeit seines Lebens gab es drei Dinge, die er floh.
Erstens ritt er kein graues, sondern immer ein falbes Pferd, trotz des Spottes. Zweitens wollte er nirgends bleiben, wo Kinder waren, denn man beachtete die Kinder wegen ihrer Munterkeit mehr als ihn. Und drittens war er nicht gern bei einem allzu freigebigen Wirt zur Herberge. Denn ein solcher Wirt achtet nicht auf sein Gut und ist gewöhnlich ein Tor. Dort war auch nicht die Gesellschaft, von der Gewinn zu erwarten war usw.
Auch bekreuzigte sich Eulenspiegel alle Morgen vor gesunder Speise, vor großem Glück und vor starkem Getränk. Denn gesunde Speise, das sei doch nur Kraut, so gesund es auch sein rnöge. Ferner bekreuzigte er sich vor der Speise aus der Apotheke, denn obwohl auch sie gesund sei, sei sie doch ein Zeichen von Krankheit. Und das sei das große Glück: wenn irgendwo ein Stein von dem Dach fiele oder ein Balken von dem Haus, pflege man zu sagen: »Hätte ich dort gestanden, so hätte mich der Stein oder der Balken erschlagen. Das war mein großes Glück.« Solches Glück wollte er gern entbehren. Das starke Getränk sei das Wasser. Denn das Wasser treibe mit seiner Stärke große Mühlräder, auch trinke sich mancher gute Geselle den Tod daran.
Die durchlauchtigen und hochgeborenen Fürsten von Braunschweig hielten einmal in der Stadt Einbeck ein Turnierfest mit Rennen und Stechen ab. Dazu kamen viele fremde Fürsten und Herren, Ritter und Knechte mit ihren Hintersassen. Das war im Sommer, als die Pflaumen und anderes Obst reif waren. In Oldendorf bei Einbeck lebte ein braver, einfältiger Bauersmann, der hatte einen Garten mit Pflaumenbäumen. Er ließ einen Karren voll Pflaumen pflücken und wollte damit nach Einbeck fahren, weil dort viel Volks war und er deshalb meinte, die Pflaumen besser zu verkaufen als zu anderen Zeiten.
Als er vor die Stadt kam, lag da Eulenspiegel unter einem grünen Baum im Schatten. Er hatte sich am Hof der Herren so überfressen und betrunken, daß er weder essen noch trinken konnte und eher einem toten Menschen als einem lebendigen glich. Als nun der brave Mann an ihm vorbeifuhr, da redete Eulenspiegel den Mann so kläglich an, wie er es zuwege brachte, und sprach: »Ach, guter Freund, sieh her, ich liege hier so krank drei Tage und Nächte ohne aller Menschen Hilfe. Wenn ich noch einen Tag so liegen soll, muß ich vor Hunger und Durst sterben. Darum fahre mich um Gottes willen nach der Stadt.« Der gute Mann sprach: »Ach, lieber Freund, ich wollte das recht gern tun. Aber ich habe Pflaumen auf dem Karren. Wenn ich dich darauf setze, so machst du sie mir alle zuschanden.« Eulenspiegel sagte: »Nimm mich mit, ich will mich vorn auf dem Karren behelfen.«
Der Mann war alt und mußte sich sehr anstrengen, ehe er den Schalk, der sich möglichst schwer machte, auf den Karren brachte. Um des Kranken willen fuhr der Bauer desto langsamer.
Als nun Eulenspiegel eine Weile gefahren war, zog er das Stroh von den Pflaumen, erhob sich heimlich etwas hinter dem Rücken des Bauern und beschiß dem armen Mann die Pflaumen ganz schändlich. Dann zog er das Stroh wieder darüber.
Als der Bauer an die Stadt kam, rief Eulenspiegel: »Halt, halt! Hilf mir von dem Karren, ich will hier draußen vor dem Tor bleiben!« Der gute Mann half dem argen Schalk von dem Karren und fuhr seine Straße weiter, den nächsten Weg zum Markt. Als er dort angekommen war, spannte er sein Pferd aus und ritt es in die Herberge.
Indessen kamen viele Bürger auf den Markt. Unter ihnen war einer, der immer der erste war, wenn etwas auf den Markt gebracht wurde, und doch selten etwas kaufte. Der kam gleich hinzu, zog das Stroh halb herab und beschmutzte sich die Hände und den Rock. Währenddessen kam der Bauersmann wieder aus seiner Herberge. Eulenspiegel hatte sich inzwischen verkleidet, kam auch auf einem anderen Weg gegangen und fragte den Bauern: »Was hast du auf den Markt gebracht?« »Pflaumen«, sagte der Bauer. Eulenspiegel sprach: »Du hast sie als ein arger Schalk gebracht, die Pflaumen sind beschissen, man sollte dir mit den Pflaumen das Land verbieten.« Der Bauer sah nach, erkannte, daß es so war, und sagte: »Vor der Stadt lag ein kranker Mensch, der sah ebenso aus wie der, der hier steht. Nur hatte er andere Kleider an. Den fuhr ich um Gottes willen bis vor das Tor. Der Schuft hat mir den Schaden angetan.« Eulenspiegel sprach: »Der Schuft verdiente Prügel.«
Der brave Mann aber mußte die Pflaumen wegfahren auf die Abfallgrube und durfte sie nirgends verkaufen.
Nicht lange danach kam Eulenspiegel zum Grafen von Anhalt und verdingte sich bei ihm als Turmbläser. Der Graf hatte viele Feindschaften und hielt deshalb in dem Städtchen und auf dem Schloß zu dieser Zeit viele Reiter und Hofvolk, die man alle Tage speisen mußte.
Darüber wurde Eulenspiegel auf dem Turm vergessen, so daß ihm keine Speise gesandt wurde. Und am selben Tage kam es dazu, daß des Grafen Feinde vor das Städtlein und das Schloß ritten, die Kühe nahmen und sie alle hinwegtrieben. Eulenspiegel lag auf dem Turme, sah durch das Fenster und machte keinen Lärm, weder mit Blasen noch mit Schreien. Als die Nachricht von den Feinden vor den Grafen kam, damit er ihnen mit den Seinen nacheilte, sahen einige, daß Eulenspiegel auf dem Turm im Fenster lag und lachte. Da rief ihm der Graf zu: »Warum liegst du im Fenster und bist still?« Eulenspiegel rief herab: »Vor dem Essen rufe oder tanze ich nicht gern.« Der Graf rief ihm zu: »Willst du nicht die Feinde anblasen?« Eulenspiegel rief zurück: »Ich darf keine Feinde heranblasen, das Feld wird sonst voll von ihnen, und ein Teil ist schon mit den Kühen hinweg. Bliese ich noch mehr Feinde heran, sie schlügen Euch zu Tode.« Für diesmal blieb es bei den Worten.
Der Graf eilte den Feinden nach und stritt mit ihnen. Und Eulenspiegel wurde erneut mit seiner Speise vergessen. Der Graf kehrte zufrieden zurück: er hatte seinen Feinden einen Haufen Rindvieh wieder abgenommen. Das schlachteten und zerlegten sie, sotten und brieten. Eulenspiegel dachte auf dem Turm, wie er auch etwas von der Beute erhielte, und gab darauf acht, wann es Essenszeit sein würde. Da fing er an zu rufen und zu blasen: »Feindio, Feindio!« Der Graf lief mit den Seinen eilends von dem Tisch, auf dem schon das Essen stand. Sie legten ihre Harnische an, nahmen die Waffen in die Hände und eilten sogleich dem Tore zu, um im Felde nach den Feinden Ausschau zu halten. Dieweil lief Eulenspiegel behend und schnell von dem Turm, kam über des Grafen Tisch und nahm sich von den Tafeln Gesottenes und Gebratenes und was ihm sonst gefiel; dann ging er schnell wieder auf den Turm. Als die Reiter und das Fußvolk hinauskamen, sahen sie keine Feinde und sprachen miteinander. »Der Türmer hat das aus Schalkheit getan« und zogen wieder heim, dem Tore zu.
Der Graf rief zu Eulenspiegel hinauf: »Bist du unsinnig und toll geworden?« Eulenspiegel sprach: »Ich bin ohne Arglist. Aber Hunger und Not erdenken manche List.« Der Graf sagte: »Warum hast du 'Feindio' geblasen, obwohl keiner da war?« Eulenspiegel antwortete: »Weil keine Feinde da waren, mußte ich etliche heranblasen.« Da sprach der Graf: »Du krauest dich mit Schalksnägeln. Wenn Feinde da sind, willst du sie nicht anblasen, und wenn keine Feinde da sind, so bläst du sie an. Das könnte wohl Verräterei werden!« Und er setzte ihn ab und dingte an seiner Statt einen anderen Turmbläser. Eulenspiegel mußte nun als Fußknecht mit den anderen herauslaufen. Das verdroß ihn sehr, und er wäre gern von dannen gegangen, konnte aber mit Anstand nicht ohne weiteres davonkommen. Wenn sie gegen die Feinde auszogen, so blieb er stets zurück und war immer der letzte zum Tore hinaus. Wenn sie den Streit beendet hatten und wieder heimkehrten, war er immer der erste zum Tore hinein. Da fragte ihn der Graf, wie er das verstehen sollte: wenn er mit ihm gegen die Feinde auszöge, so sei er stets der letzte, und wenn man heimzöge, sei er der erste. Eulenspiegel sprach: »Ihr solltet mir darüber nicht zürnen. Denn wenn Ihr und Euer Hofgesinde schon aßet, saß ich auf dem Turm und hungerte; davon bin ich kraftlos geworden. Soll ich nun der erste an den Feinden sein, so müßte ich die Zeit wieder einholen und besonders eilen, daß ich auch der erste an der Tafel und der letzte beim Aufstehen sei, damit ich wieder stark werde. Dann will ich wohl der erste und der letzte an den Feinden sein.«
»So höre ich wohl« sprach der Graf, »daß du es nur so lange bei mir aushalten wolltest, als du auf dem Turme saßest?« Da sagte Eulenspiegel: »Was jedermanns Recht ist, das nimmt man ihm gern.« Und der Graf sprach: »Du sollst nicht länger mein Knecht sein«, und gab ihm den Laufpaß. Darüber war Eulenspiegel froh, denn er hatte nicht viel Lust, jeden Tag mit den Feinden zu fechten.
Zornig und zwieträchtig waren die Kurfürsten untereinander, so daß kein römischer Kaiser oder König gewählt wurde. Endlich wurde der Graf von Supplinburg von allen Kurfürsten zum römischen König gekoren. Es waren aber auch andere da, die meinten, sie könnten mit Gewalt in das Reich eindringen. So mußte sich der neu gekorene König sechs Monate vor Frankfurt legen und warten, ob ihn jemand von dort hinwegschlüge.
Als er nun soviel Volk zu Roß und Fuß beieinander hatte, überlegte Eulenspiegel, was es für ihn da zu tun gäbe: Dahin kommen viele fremde Herren, die lassen mich nicht unbeschenkt; werde ich in den Kreis ihres Gefolges aufgenommen, so stehe ich mich gut. Und er machte sich auf den Weg dorthin.
Da zogen die Herren aus allen Landen heran. Und es begab sich in der Wetterau bei Friedberg, daß der Bischof von Trier mit seinem Gefolge Eulenspiegel auf dem Weg nach Frankfurt begegnete. Weil er seltsam gekleidet war, fragte ihn der Bischof, was er für ein Geselle sei. Eulenspiegel antwortete und sagte: »Gnädiger Herr, ich bin ein Brillenmacher und komme aus Brabant. Aber da ist nichts für mich zu tun; darum wandere ich nach Arbeit. Mit unserm Handwerk steht es schlecht.« Der Bischof sprach: »Ich glaubte, mit deinem Handwerk müßte es von Tag zu Tag besser werden. Die Leute werden doch von Tag zu Tag kränker und können schlechter sehen, weshalb man vieler Brillen bedarf.«
Eulenspiegel antwortete dem Bischof und sagte: »ja, gnädiger Herr, Euer Gnaden sprechen wahr, aber eine Sache verdirbt unser Handwerk.« Der Bischof fragte: »Was ist das?« Eulenspiegel sprach: »Darf ich das sagen, ohne daß Euer Gnaden mir deshalb zürnen?« »Ja«, sagte der Bischof, »wir sind das wohl gewohnt von dir und deinesgleichen. Sag's nur frei heraus und scheue nichts!« »Gnädiger Herr, das verdirbt das Brillenmacherhandwerk, und es ist zu befürchten, daß es noch ausstirbt: daß Ihr und andere große Herren, Papst, Kardinal, Bischof, Kaiser, König, Fürst, Rat, Regierer und Richter der Städte und Länder (Gott erbarm's!) zu dieser Zeit durch die Finger sehen, was recht ist, und das nur um des Geldes und der Gaben willen. Aber man findet geschrieben, daß vor alten Zeiten die Herren und Fürsten, soviel es ihrer gab, in den Rechtsbüchern zu lesen und zu studieren pflegten, auf daß niemandem Unrecht geschehe. Dazu brauchten sie viele Brillen, und da ging's unserm Handwerk gut. Auch studierten die Pfaffen damals mehr als jetzt; so gingen die Brillen hinweg. Jetzt sind sie so gelehrt geworden von den Büchern, die sie kaufen, daß sie das auswendig können, was sie für ihre Verhältnisse brauchen. Ihre Bücher aber schlagen sie in vier Wochen nicht mehr als einmal auf. Deshalb ist unser Handwerk verdorben, und ich laufe aus einem Land in das andere und kann nirgends Arbeit finden. Der Niedergang ist so weit verbreitet, daß dies die Bauern auf dem Land auch schon zu tun pflegen und durch die Finger sehen.« Der Bischof verstand den Text ohne Glosse und sprach zu Eulenspiegel: »Folge uns nach Frankfurt, wir wollen dir unser Wappen und unsere Kleidung geben.« Das tat Eulenspiegel und blieb bei dem Herrn so lange, bis der Graf als Kaiser bestätigt war. Dann zog er wieder nach Sachsen.
Eulenspiegel war ein solcher Hofmann geworden, daß der Ruf seiner Trefflichkeit vor manchen Fürsten und Herren kam und daß man vieles von ihm zu erzählen wußte. Das mochten die Herren und Fürsten wohl leiden und gaben ihm Kleider, Pferde, Geld und Kost. So kam er auch zu dem König von Dänemark. Der hatte ihn sehr gern und bat ihn, etwas Abenteuerliches zu tun, er wolle ihm auch sein Pferd mit dem allerbesten Hufbeschlag beschlagen lassen. Eulenspiegel fragte den König, ob er seinen Worten glauben könne. Der König bejahte das, wenn er nach seinen Worten täte.
Da ritt Eulenspiegel mit seinem Pferde zum Goldschmied und ließ es mit goldenen Hufeisen und silbernen Nägeln beschlagen. Dann ging er zum König und bat, daß er ihm den Hufbeschlag bezahlte. Der König sagte ja und wies den Schreiber an, den Beschlag zu bezahlen. Nun meinte der Schreiber, es sei ein schlichter Hufschmied zu bezahlen. Aber Eulenspiegel brachte ihn zu dem Goldschmied, und der Goldschmied wollte hundert dänische Mark haben. Der Schreiber wollte das nicht bezahlen, ging hin und sagte das dem König,
Der König ließ Eulenspiegel holen und sprach zu ihm: »Eulenspiegel, was für einen teuren Hufbeschlag ließest du machen? Wenn ich alle meine Pferde so beschlagen ließe, müßte ich bald Land und Leute verkaufen. Das war nicht meine Meinung, daß man das Pferd mit Gold beschlagen ließe.« Eulenspiegel sagte: »Gnädiger König, Ihr sagtet, es sollte der beste Hufbeschlag sein, und ich sollte Euern Worten nachkommen. Nun dünkt mich, es gebe keinen besseren Beschlag als von Silber und Gold.« Da sprach der König: »Du bist mir mein liebster Hofmann, du tust, was ich dich heiße.« Und fing an zu lachen und bezahlte die hundert Mark für den Hufbeschlag.
Da ließ Eulenspiegel die goldenen Hufeisen wieder abreißen, zog vor eine Schmiede und ließ sein Pferd mit Eisen beschlagen. Bei dem König blieb er bis zu dessen Tod.
Bei dem hochgeborenen Fürsten Kasimir, König von Polen, war ein Abenteurer, der voller seltsamer Schwänke und Gauklereien war und gut auf der Fiedel spielen konnte. Eulenspiegel kam auch nach Polen zu dem König. Dieser hatte schon viel von Eulenspiegel sagen gehört, der ihm ein lieber Gast war. Der König hätte ihn und seine Abenteuer schon lange gerne gesehen und gehört. Aber auch seinen Spielmann hatte er sehr gern. Nun kamen Eulenspiegel und des Königs Narr zusammen. Da geschah es, wie man sagt: zwei Narren in einem Haus tun selten gut.
Des Königs Schalksnarr konnte Eulenspiegel nicht leiden, und Eulenspiegel wollte sich nicht vertreiben lassen. Das merkte der König, und er ließ sie beide in seinen Saal kommen. »Wohlan«, sprach er, »wer von euch beiden den abenteuerlichsten Narrenstreich tut, den ihm der andere nicht nachmacht, den will ich neu kleiden und will ihm zwanzig Gulden dazu geben. Und das soll jetzt in meiner Gegenwart geschehen.«
Also rüsteten sich die beiden für ihre Torheiten und trieben viel Affenspiel mit krummen Mäulern und seltsamen Reden und was einer sich ausdenken konnte, um den anderen zu übertreffen. Aber was des Königs Narr tat, das tat ihm Eulenspiegel immer nach, und was Eulenspiegel tat, das tat ihm der Narr nach. Der König und seine Ritterschaft lachten, und sie sahen mancherlei Abenteuerliches. Sie waren gespannt darauf, wer das Kleid und die zwanzig Gulden gewinnen würde.
Da dachte Eulenspiegel: zwanzig Gulden und neue Kleidung, das ist schon sehr gut; ich will darum etwas machen, was ich ungern tue. Und er sah wohl, was des Königs Meinung war: daß es ihm gleich sei, wer von ihnen den Preis gewönne. Da ging Eulenspiegel mitten in den Saal, hob sich hinten auf und schiß mitten in den Saal einen Haufen. Dann nahm er einen Löffel, teilte den Dreck genau in der Mitte, rief den anderen und sprach: »Narr, komm her, und tu mir die Schalkheit nach, die ich dir vormachen will!« Und er nahm den Löffel, faßte den halben Dreck damit und aß ihn auf. Dann bot er den Löffel dem Schalksnarren und sprach: »Sich her, iß du die andere Hälfte! Danach mach auch du einen Haufen, teile ihn auseinander, und ich will dir nachessen.« Da sagte des Königs Narr: »Nein, das tue dir der Teufel nach! Und sollte ich mein Lebtag nackend gehn, ich esse so von dir oder von mir nicht.«
Also gewann Eulenspiegel die Meisterschaft in der Schalkheit. Der König gab ihm die neue Kleidung und die zwanzig Gulden. Da ritt Eulenspiegel hinweg und trug den vom König versprochenen Preis davon.
Zu Celle im Lande Lüneburg verübte Eulenspiegel einen abenteuerlichen Schalksstreich. Darum verbot ihm der Herzog von Lüneburg das Land: wenn er darin gefunden wurde, sollte man ihn fangen und dann henken. Dennoch mied Eulenspiegel das Land nicht. Wenn ihn sein Weg dahin trug, so ritt oder ging er nichtsdestoweniger durch das Land, so oft er wollte.
Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel durch das Lüneburger Land ritt. Da begegnete ihm der Herzog. Als Eulenspiegel sah, daß es der Herzog war, dachte er: ist es der Herzog und wirst du flüchtig, so holen sie dich mit ihren Gäulen ein und stechen dich vom Pferd; der Herzog kommt dann zornerfüllt und läßt dich an einen Baum hängen. Er faßte einen kurzen Entschluß, sprang von seinem Pferd ab und schnitt ihm rasch den Bauch auf. Dann schüttete er das Eingeweide heraus und stellte sich in den Rumpf.
Als der Herzog mit seinen Reitern an die Stelle geritten kam, wo Eulenspiegel in seines Pferdes Bauch stand, sagten die Diener zu dem Herzog: »Sehet, Herr, hier steht Eulenspiegel in eines Pferdes Haut.« Da ritt der Fürst zu ihm und sprach: »Eulenspiegel, bist du das? Was tust du in dem Aas hier? Weißt du nicht, daß ich dir mein Land verboten habe? Und wenn ich dich darin fände, so wollte ich dich an einen Baum hängen lassen?« Da sprach Eulenspiegel: »O gnädigster Herr und Fürst, ich hoffe, Ihr wollt mir das Leben schenken. Ich habe doch nichts so Übles getan, was des Henkens wert wäre!« Der Herzog sprach zu ihm: »Komm her zu mir und beweise mir doch deine Unschuld! Und was meinst du damit, daß du so in der Pferdehaut stehst?« Eulenspiegel kam hervor und antwortete: »Gnädigster und hochgeborener Fürst! Ich mache mir Sorge wegen Eurer Ungnade und fürchte mich gar sehr. Aber ich habe all mein Lebtag gehört, daß jeder Frieden haben soll in seinen vier Pfählen.« Da fing der Herzog an zu lachen und sprach: »Willst du nun auch künftig meinem Lande fernbleiben?« Eulenspiegel antwortete: »Gnädiger Herr, wie es Eure Fürstliche Gnaden will « Der Herzog ritt von dannen und sagte: »Bleib, wie du bist.«
Und Eulenspiegel sprang eilends aus dem toten Pferde und sprach zu ihm: »Hab Dank, mein liebes Pferd, du hast mir geholfen und mir mein Leben gerettet; und hast mir noch dazu wieder einen gnädigen Herren gemacht. Liege nun hier! Es ist besser, daß dich die Raben fressen, als daß sie mich gefressen hätten.« Und er lief zu Fuß davon.