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Ein großer Sack Wut - wohin damit? (30.9.03)

Endlich habe ich dir meinen schweren Sack abgegeben! Endlich! Obwohl ich ihn vorher auch schon öfters bei dir gelassen hatte. Doch nur für die Ferien. Später hatte ich ihn mir dann wieder geholt, weil ich ihn doch sehr vermisste. Ohne den Sack konnte ich nicht leben – aber mit noch weniger. Was sollte ich tun?
So oft versuchte ich, auf ihn einzuschlagen, ihn jemand anderem anzuhängen, ihn fortzuwerfen usw. Doch es gab kein Entrinnen. Selbst in den Zeiten, in denen er bei dir war, merkte ich, wie sehr ich auf ihn angewiesen bin. Wenigstens sagte er mir, wer ich bin – auch, wenn es nicht stimmte. Aber dadurch gab er mir eine gewisse Sicherheit. Ich wusste, wie ich mich zu verhalten hatte, und konnte damit leben. Doch die Steine in meinem Sack sammelten sich an und an und an. Und nun musste ich mich entscheiden. Hätte ich ihn behalten, wäre ich darunter vollkommen zusammengebrochen und er hätte mich letztendlich überwältigt. Irgendwann wäre es zu spät gewesen, ihn abzugeben.
Ich entschied mich also gestern, ihn mit allen – und zwar zum ersten Mal wirklich mit allen – Konsequenzen dir zu überlassen. Diesmal lud ich ihn nicht nur bei dir ab, sondern ich ließ dich ihn öffnen. Du hieltest mir schon gleich einige Steine hin mit der Bitte, sie mir anzuschauen und auf dich zurückzuwerfen. Mit aller Kraft sollte ich werfen. Meine ganze Wut hinaus lassen.
Diese Bitte konnte ich nicht nachvollziehen. Noch nie hatte ich mich gewagt, dir etwas vorzuwerfen, wo du doch immer nur das Beste mit mir vorhast. Wenn jemand meine Wut verdient hat, dann doch ich!
Aber du ließt nicht locker. Du könntest meine Wut aushalten, antwortetest du mir. Ich würde daran zugrunde gehen, aber dich würde sie nicht überfordern. Du wärest der Einzige, der sie aushalten könne – und daher auch der Einzige, an den ich sie richten solle.
Na gut, zögerlich fing ich daher an. Du reichtest mir immer mehr Steine, und langsam bekam ich Wut auf dich. Den ganzen Tag über, und heute schon wieder, ließt du mich einfach nicht in Ruhe mit diesen verhassten Steinen. Ich schrie und heulte meine Wut heraus. Ich bewarf dich mit dieser schweren Last. Manchmal konnte ich sehen, wie du zusammenzucktest. Ja, es schmerzte dich sehr.
Doch ich konnte noch etwas erkennen, was mich sehr erstaunte: du liebtest mich immer noch. Du hieltest mir nichts vor und nahmst mich trotzdem noch in deine Arme. Herr Jesus, ich versteh dich nicht. Wieso machst du das mit? Wieso lässt du mich nicht links liegen oder bestrafst mich? So oft ich auch darüber nachdenke: ich versteh dich einfach nicht!
Heute gibst du mir einen ganz besonderen Stein, auf dem steht: „Ich hasse mich!“ und machst mir wieder Mut, ihn auf dich zu werfen. „Nein!“, das kann doch nicht sein. „Du kannst doch nicht von mir verlangen, dass ich dich hassen soll!“. Ich will ihn wieder einstecken, als du mir sagst, dass ich mich entscheiden muss. Entweder ich behalte ihn für mich und werde weiter darunter leiden, oder ich muss dich damit verletzen, damit er wertlos und machtlos wird, erklärst du mir. Beides keine schönen Aussichten: ihn behalten oder dich verletzen. Nachdem ich deinen liebenden Blick auf mir ruhen sehe, entscheide ich mich für die bessere Möglichkeit. Zuerst halte ich ihn noch krampfhaft fest und fange zögernd an: „Manchmal verstehe ich nicht, warum du das alles bei mir zugelassen hast. Wieso lässt du mich immer so in mein Unglück und mein Versagen rennen? Wieso bist du so weit weg von mir und zwingst mich dazu, dir nachzufolgen? Ich hasse es, dass du mich nur liebst, wenn ich etwas leiste. Und dass du so viel von mir forderst ohne mir was dafür zu geben. Ich hasse es, wie du mit mir umgehst. Ja, Herr Jesus, ich hasse dich!“. Und mit aller Kraft werfe ich den Stein.

In deinem Gesicht ist tiefer Schmerz zu lesen. Sofort will ich mich rechtfertigen: „Also, ich meine, eigentlich hasse ich ja mich, weil ich so von dir denke,...“. Aber du legst nur zärtlich deinen Finger auf meinen Mund.
Jetzt begreife ich: der Stein, den ich werfen sollte, ist jetzt bei dir. Ich muss mich nicht dafür rechtfertigen oder entschuldigen. Ich muss nur abwarten bis du mir darauf antwortest.
Und ohne Worte ist es mir plötzlich sonnenklar. Du liebst mich immer noch! Dass du mich auch nach dem schmerzlichen Schlag noch liebevoll anschaust und mir die Hand reichst, ist mehr als eine Antwort. Du kannst meinen Hass aushalten! Du hast ihn in Liebe verwandelt. Jetzt ist in mir die Voraussetzung geschaffen, dass ich endlich deine Liebe annehmen kann.
Mein Herr, ich will ab heute jeden Stein, den Du mir gibst, auf Dich zurück werfen. Und ich weiß schon jetzt, dass du mich auch am Schluss noch lieben wirst. Doch wenn der Sack leer ist, kannst du mich endlich völlig mit Deiner Liebe ausfüllen. Ist das nicht das schönste Ziel, dass man sich vorstellen kann?

 

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