Flexibilisierung und Globalisierung allerorten — nichts

bleibt, wie es ist. Einzig die Universitäten sind scheinbar

alt und ehrwürdig genug, um sich gegen die Forderungen

nach Modernisierung und Mobilität taub zu stellen und

unverrückbar in der Weltgeschichte auszuharren.

Oder bewegen sie sich am Ende doch? (Kasper 1998)

 

  1. Einleitung

Flexibilisierung und Globalisierung, Modernisierung und Mobilität sind Schlagwörter unserer Zeit. Sie durchdringen viele Bereiche unserer Gesellschaft. Doch weder der Autor des Zitats noch die deutsche Gesellschaft assoziieren diese Begriffe mit Universität. Ob Hochschulen sich auf dem Gebiet ihrer Kommunikationsarbeit "bewegen", gilt es zu klären.

Universitäten als Bildungsstätten sind verantwortlich für den Prozeß und das Ergebnis zielgerichteter Persönlichkeitsformung, die neben Faktenwissen die Fähigkeit zu kritischem Denken und Kreativität zum Ziel haben. Was hat die Menschheit von der Wissenschaft? Sie "wollen sich in der Welt besser zurechtfinden. Sie haben Hoffnungen. Vieles wünschen sie sich besser, anders, gerechter, leichter (...) Wissenschaft dient der Veränderung." (Schöne 1982, 23) Technische Veränderungen sind alltäglich. Ein sich ständig änderndes Wertesystem verursacht Unsicherheiten, und es entsteht ein Bedürfnis nach Information. Information ist ein Merkmal von Mitteilungen. Unter der Voraussetzung eines Kenntnis- bzw. Aktualitätsgefälles zwischen Kommunikator und Rezipient werden Mitteilungen ausgetauscht, die neu und aktuell sind, und damit bisher Unbekanntes beinhalten. (Vgl. Noelle-Neumann1994, 148f) "Ausreichende Information schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen erhöht den Glauben an die Wissenschaft und schafft damit Verständnis für die Probleme derer, die sich mit ihr beschäftigen — die Hochschulen." (Heinisch 1993, 15)

Hochschulen in Deutschland haben erkannt, daß ein Reformprozeß unumgänglich ist, will man mit europäischer Konkurrenz mithalten. Selbstdarstellung, Profilierung, Kommunika-tionspolitik sind Schlagwörter, die in diesem Zusammenhang fallen. Der Kampf um finanzielle Unterstützung und gesellschaftliche Akzeptanz stellt neue Anforderungen an die Selbstdarstellung von Universitäten. Die Universität Leipzig hat Konsequenzen gezogen und einen Dezernenten für Öffentlichkeitsarbeit ernannt. Damit geht die zweitgrößte sächsische Universität mit gutem Beispiel voran: mit der Einrichtung einer Institution zur Koordinierung und Aufsicht sämtlicher Kommunikationsaktivitäten der Universität.

Doch unzählige Berichte in den Medien und in der Wissenschaftswelt verweisen auf positive Entwicklungen und Zustände im Ausland, besonders in den Vereinigten Staaten:

Das veranlaßt zu der Frage, welche Situation im Ausland, insbesondere dem zitierten Beispiel USA herrscht und ob die Ratschläge berechtigt sind. Auch amerikanische Bildungspolitiker und —interessenten sind beunruhigt über die Entwicklungen in ihrem Hochschulsystem. Steigende Kommerzialisierung und Massenproduktion von Credit points gefährden ihrer Meinung nach den Bildungsauftrag. So ein amerikanischer Professor: "Consumerism is taking over college campuses. I’m hearing more students saying, ‚After all, I pay your salary, and since I pay your salary, I should be able to tell you when I want to come to class and when my paper should be due.‘ Students live in a Wal-Mart society, where it’s convenience that counts." (Will 1998) Oft wird auch vom Mass-Market Business gesprochen.

Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationsaktivitäten der amerikanischen Ohio University in Athens, Ohio, sowie der deutschen Universität Leipzig in Sachsen sind Untersuchungsgegenstand dieser Studie. Mittels einer qualitativ orientierten Erforschung der Hochschul-Öffentlichkeitsarbeit wurden Informationen und Kenntnisse zu dieser Problematik gesammelt. Die geeignetste Vorgehensweise war ein Verbund verschiedener Methoden der empirischen Sozialforschung. Aussagen zum Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Zielen und Profilierung wurden durch mündliche Befragungen mittels eines Leitfadengespräches gewonnen. Ein Fragebogen zur Beantwortung vor dem Gespräch klärte Detailfragen, z.B. die Anzahl der Mitarbeiter, Budgethöhe, Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit der jeweiligen Abteilung, Teilöffentlichkeiten. Durch teilnehmende Beobachtung war es möglich, Öffentlichkeitsarbeit aus einer anderen Perspektive zu erfahren. Die meisten Befragten der amerikanischen Hochschule stellten einen ausführlichen Lebenslauf sowie eine Tätigkeitsbeschreibung zur Verfügung.

Details zum Untersuchungshergang finden sich in Kapitel 4.1. Der erste Teil der Studie aber widmet sich der Erkenntnisgewinnung über den Untersuchungsgegenstand. Die Hochschulsysteme beider Ländern werden vorgestellt, die Rahmenbedingungen und institutionellen Voraussetzungen erhellt. Das Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit, das diesem Projekt zugrunde liegt, wird erörtert. Verschiedene Arbeiten haben sich in Deutschland in letzter Zeit mit Universitätsbeziehungen und Kommunikationsaktivitäten von Hochschulen beschäftigt. In der amerikanischen Literatur findet man häufiger Analysen zum Hochschulmarketing. Ältere Untersuchungen spiegeln die Geschichte der Hochschul-PR wider, wobei besonderer Wert auf ostdeutsche Arbeiten gelegt wird, da dies für dieses Projekt relevant ist.

Zwei exemplarische Studien zu Hochschul-PR bilden den zweiten Teil der vorliegenden, praktisch orientierten Untersuchung. Nach Ausführungen über das methodische Vorgehen schließt sich die erste Fallstudie an. Sie beschäftigt sich mit den Kommunikationsaktivitäten der Ohio University. Diese Universität hat ein umfangreiches University Relations Department, das vorwiegend externe Öffentlichkeitsarbeit steuert und koordiniert. Außerdem betreiben auch eine Vielzahl anderer Abteilungen Öffentlichkeitsarbeit im engeren und weiteren Sinne. Demgegenüber steht die Fallstudie der Universität Leipzig, die exemplarisch Öffentlichkeitsarbeit an einer deutschen Hochschule analysiert. Die neuesten Entwicklungen geben Anlaß zu der Vermutung, daß die Universität Leipzig eine ernsthafte Verbesserung ihrer Öffentlichkeitsarbeit anstrebt.

Im abschließenden Teil geht es darum, die gewonnen Informationen der beiden Universitäten zu vergleichen hinsichtlich dem Verständnis von Public Relations, den Zielgruppen, der Profilierung, der Evaluation der Kommunikationsanstrengungen sowie den eingesetzten Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit und Schlüsse zu beiderseitigem Vorteil zu ziehen. Ein Resümee wird die aufgestellten Fragen und Thesen aufgreifen.

Budgetangelegenheiten werden an der Ohio University offengelegt, sind eindeutig und klar verständlich. Das Gegenteil trifft auf die Universität Leipzig zu und im weiteren Sinne auch auf die Mehrheit der deutschen Hochschulen. Ständige Planungsänderungen, Etatkürzungen, Stellenstreichungen, Drittmittelbeschaffung sowie ungewisse Planungssicherheit lassen keine eindeutigen Aussagen bezüglich den Budgets der entsprechenden Abteilungen zu. Dies ist nicht nur ein Hindernis in dieser Arbeit, da auf dieser Ebene kein Vergleich möglich ist, sondern auch Ursache vieler struktureller Probleme innerhalb der Universität. Deutsche Hochschulen kämpfen um die Selbstverwaltung der finanziellen Ressourcen.

Die Diskrepanz zwischen geplanten Mitteln und tatsächlich erhaltenen Geldern scheint groß und undurchsichtig, so daß Angaben zum Budget mit Vorsicht behandelt werden sollten. Konkrete Angaben zu den Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit sind nicht möglich, da es selten einen "Topf" für Kopier-, Druckkosten, Sachmittelausgaben oder Herstellung der Universitätszeitschrift gibt. Das trifft sowohl für die Universität Leipzig als auch für die Ohio University zu. Angaben sind integriert, um Anhaltspunkt und Orientierung zu geben, aber nicht mehr.

Folgende These liegt dieser Arbeit zugrunde:

Trotz der Ungleichheit des deutschen und des amerikanischen Hochschulsystems können einige Kommunikationsaktivitäten der Ohio University auf die Universität Leipzig übertragen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit der Ohio University ist ausgesprochen professionell, zentral koordiniert und beispielgebend. Die Universität Leipzig verfügt über Potential für eine zielgruppenspezifische Kommunikationsarbeit, worauf gebaut werden kann.

Weitere Annahmen werden in dieser Arbeit untersucht:

Fragen zu Voraussetzungen der Öffentlichkeitsarbeit an den Hochschulen, zu bereits bestehenden Situationen sind zu klären. Behindern die stetigen Beschwerden über mangelnde Kapazitäten die Kommunikationspolitik an deutschen Hochschulen, hier am Beispiel der Leipziger Universität untersucht? Gibt es eine "University Identity" an der Ohio University? Inwieweit ist der Dienstleistungs- und Servicecharakter an den Hochschulen ausgeprägt? Ein Ausblick auf mögliche Forschungsvorhaben beschließt dieses Projekt.

 

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