KAPITEL 2

 

 

Um den Beamtenapparat zu entlasten, erhält die Bruderschaft des Goldenen Pfades das Recht, in besonders schwierigen Fällen, fällige Forderungen der Vereinigten Planeten einzutreiben. Zeit und Art des Vorgehens bestimmt die Bruderschaft.

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aus dem Edikt #2344 (2518 n.Chr.)

 

 

DATA CRYSTAL ENTRY: WAFFEN

SUBENTRY: EXPLOSIVWAFFEN

Seit dem Wiederaufbau nach dem Inferno von 2079 n.Chr. sind alle Waffen in allen assoziierten Staaten der Vereinigten Planeten strengstens verboten. Darunter fallen Waffen, die mittels einer kontrollierten Explosion Teilchen beschleunigen oder durch die eine Druckwelle ihre Wirkung erreichen (s.a. Handwaffen, Fernwaffen, Massenvernichtung)

 

 

Mißmutig schaute Aaskir gen Himmel. Die Plexistahlkuppel war verhüllt von dicken, schwarzen Wolken, und dicke Regentropfen prasselten unaufhörlich hernieder. Der Regen störte ihn kaum, es war die große Feuchtigkeit, die das Atmen schwer machte. Und trotz des heftigen Gusses schienen die Straßen genauso überfüllt wie sonst, was nicht verwunderte, da viele der Armen auf der Straße wohnten.

Neben ihm versuchte Meister Eelar gerade mit ein wenig Würde, die nächste große Pfütze zu umrunden. Wie üblich machten die Menschen überall wo sie hingingen, respektvoll Platz und einige zogen verschreckt die Köpfe ein, doch sie wurden von den beiden Brüdern kaum oder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Im Außendienst war Aaskir normalerweise mit Meister Oodrak unterwegs, doch an diesem Tag war er wegen einer dringenden Sitzung der Bruderschaft nicht abkömmlich.

Meister Eelar hatte zwar den gleichen Rang wie Oodrak, doch war er zwanzig Jahre jünger als dieser. Aaskir hatte mit Meister Eelar noch nicht so oft zusammengearbeitet, dieser war erst mit dem Mataman Yytzak nach Irind gekommen und war nun der jüngste der Meister, doch konnte sich Aaskir weniger angenehme Partner vorstellen. Sie hatten vom Meister Yytzak den Auftrag erhalten, die neuen Aufbausteuern von einem der großen Handelshäuser Irinds einzutreiben. Wahrscheinlich würde ein etwas bestimmteres Auftreten der Bruderschaft gegenüber dem Handelsherrn genügen, um die fälligen SAWES einzutreiben. Üblicherweise war das Eintreiben der Steuern Sache von Staatsbeamten, doch diese waren mit ihren Aufgaben ohnehin schon total überlastet, und die Aufbausteuern, sowie andere diverse Erhebungen, besonders die neueren Datums, die direkt an den Ultimaten zu entrichten waren, wurden auch direkt von der Bruderschaft verwaltet.

Endlich erreichten sie das Westtor, welches eines der vier öffentlichen Zugänge der unteren Stadtteile zum Viertel der Handelshäuser bildete. Lange Schlangen von Wartenden bildeten sich am Übergang, da die Protektoren bei den Kontrollen überaus gründlich vorgingen. Viele wurden wieder abgewiesen. Aaskir und Meister Eelar gingen an den Hunderten Wartender achtlos vorüber. Als der kommandierende Protektor sie sah, grüßte er zackig, während Meister Eelar nur knapp und herablassend als Entgegnung nickte, und man ließ sie ohne Beanstandung sofort durch das Tor.

Es war, als hätte man eine andere Welt betreten. Mußten sie sich eben noch einen Weg durch unüberschaubare Menschenmengen, durch verstopften Verkehr, Armut und Dreck Bahnen, so standen sie nun in einer fast menschenleeren Prachtstraße, einer Allee mit großen, schlanken Bäumen. Ab und zu zischte fast lautlos ein Elobil vorbei. Hier gab es keine vor sich hin Siechenden, keine Armen und Kranken, die sich an jedem festkrallten und so lange bettelten, bis sie entweder ein Almosen erhielten und handfest zurückgewiesen wurden. Auch Verbrechen wie offener Raub und Mord gab es hier nicht. Die Einwohner dieses Viertels gingen subtiler vor. Überall wo man hinsah, herrschte eine saubere, gepflegte Atmosphäre, die von Hundertschaften von Reinigungsleuten geschaffen wurde.

Schließlich erreichten sie ihr Ziel, das Hauptquartier der GALACTIC INTERCORP, dem drittgrößten Handelshaus Irinds. Das Haus hatte nur etwa siebzig Stockwerke und war im üblichen Stil eines dieser Glaspaläste erbaut. Die Reichen hatten es nicht nötig, mit dem Platz sorgsam umzugehen. Meister Eelar betätigte die Sprechfunkanlage.

"Wer ist dort ?" fragte eine quäkende Stimme aus dem Lautsprecher. "Gesandte der Bruderschaft." sagte Meister Eelar. Ein elektronisches Auge musterte die beiden. Es dauerte eine halbe Minute, dann glitt die schwere Panzertür auf, und sie betraten die Empfangshalle.

Sofort kamen ihnen konzerneigene Sicherheitsbeamte in Panzerwesten und mit schweren, geschulterten Prokatoren entgegen. Sie machten Anstalten, die beiden Brüder zu überprüfen, was schon fast einer Beleidigung gleich kam. "Wir lassen uns nicht durchsuchen!" zischte Meister Eelar dem ersten entgegen. Erschrocken wich dieser zurück. "Bringt uns zu Nurvad Lassar" forderte Meister Eelar. Nach kurzer Diskussion der Sicherheitsbeamten untereinander und einer Anfrage über Sprechanlage, zogen sich die Beamten bis auf zwei zurück. "Wir bringen Euch zu Direktor Lassar." meinte einer etwas zaghaft. Die Brüder wurden zu einem der fünf Expreßaufzüge geführt.

Der Familie Lassar hatte die GALACTIC INTERCORP gegründet und führte sie mit einigem Erfolg nun schon die fünfte Generation. Das derzeitige Familienoberhaupt Nurvad Lassar war ein vorsichtiger Mann, der jedoch ohne Skrupel seinen Willen durchsetzte. Doch das war wohl für einen Mann in seiner Position unerläßlich.

Der Aufzug bremste sanft ab und hielt schließlich an. "Hier entlang." wies sie der Beamte an. Er hielt ihnen die Tür auf und Meister Eelar, dicht gefolgt von Aaskir, betrat ein luxuriös ausgestattetes Büro. Hinter einem wuchtigen Eichentisch, das Holz war wahrscheinlich sogar echt, vermutete Aaskir, erhob sich bei ihrem Eintreten eiligst ein hagerer Mann mit blassem, ausdruckslosem Gesicht.

"Ehre der Bruderschaft, möge sie Unseren Ultimaten wohl behüten." begrüßte er sie mit der üblichen Floskel. "Mein Name ist Urs Lundt, leitender Geschäftsführer der GALACTIC INTERCORP. Womit kann ich den ehrenwerten Herren behilflich sein ?" fragte er unterwürfig. Meister Eelar versuchte nicht sonderlich, seinen Ärger zu verhehlen, und so kam seine Erwiderung mit einer Stimme von schneidender Kälte: "Ich habe schon ihren übereifrigen Beamten gesagt, daß ich zu Nurvad Lassar will, und nicht einem seiner Dienstboten!" Lundt zuckte unter der Anwort wie unter einem Hieb zusammen. "Äh... es tut mir leid, aber Herr Direktor Lassar ist nicht im Haus." Meister Eelar trat einen Schritt auf den bleichen Lundt zu. "Wir wissen, daß er hier ist. Bring uns zu ihm." Lundt wich zurück und schluckt heftig. "Natürlich.. sofort.. einen Augenblick bitte.." stammelte er, während er das Phone benutzte. "Lundt" meldete er sich. "Zwei Angehörige der Bruderschaft vom Goldenen Pfad sind hier. Sie wünschen... ja.. ja, sofort. Natürlich." Er legte auf. "Bitte kommen sie."

Lundt betätigte einen versteckten Knopf und eine Seitentür glitt auf. Dahinter erschien der Zugang zu einem weiteren, privaten Lift. "Herr Direktor Lassar erwartet sie." Er deutete auf den Lift. Ohne dem verschreckten leitenden Geschäftsführer noch eines Blickes zu würdigen, betraten die beiden den Privatlift. Einige wenige Stockwerke ging es noch weiter nach oben, dann hatten sie ihr endgültiges Ziel erreicht.

Aaskir und sein Begleiter betraten einen großen, pompös eingerichteten Wohnraum von Lassars Penthouse. Eine sehr modisch und recht knapp bekleidete sehr junge Frau kam ihnen entgegen. Sie versuchte gerade noch hastig, ihre Kleider zu ordnen. "Herr Direktor Lassar erwartet sie bereits." meinte sie mit schüchterner Stimme. Dabei starrte sie die beiden Brüder mit ängstlichen Augen an. Als Meister Eelar darauf nichts erwiderte, fügte sie hastig hinzu: "Wenn Sie mir bitte folgen würden." Sie führte sie durch das Penthouse in das Arbeitszimmer des Direktors. Aaskir fühlte die versteckten automatischen Kameras, die sie beobachteten, mehr, als daß er sie sah. Der Direktor war über jeden ihrer Schritte bestens informiert, wahrscheinlich schon, als sie die obere Stadt betraten, aber er hatte eigentlich nichts anderes erwartet.

Lassar hatte seinen recht korpulenten Körper in einen monströsen Ledersessel gewuchtet. "Möge die Bruderschaft immer über die Planeten wachen." nuschelte er ohne die glimmende Zigarre aus dem Mund zu nehmen. Aus seinem Mund hörte sich das eher wie eine Beleidigung als eine Begrüßung an. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, denen Aaskir bisher begegnet war, zeigte sich Lassar vom Auftreten der beiden Brüder völlig unbeeindruckt. Er ließ sogar seinen Besuchern eine gewisse Verachtung anmerken. So etwas erlaubten sich bisher nur wenige, und noch weniger konnten später davon erzählen.

Meister Eelar kam gleich auf den Punkt. "Sie schulden der Bruderschaft und insbesondere dem ehrenwerten Ultimaten unseres Wellshire die ihm zustehenden Abgagen für den Wiederaufbau." Lassar paffte genüßlich an seiner Zigarre. "Ich weiß. Ich habe der Bruderschaft eine Nachricht zukommen lassen, die meine Handlungsweise erklären." - "Die Bruderschaft interessiert es nicht, wieviel Verluste Sie im letzten Quartal mit ihrer Flotte von Seelenverkäufern gemacht haben." - "Das sollte sie aber. Natürlich bin ich dem Ultimaten treu ergeben, das ist meine Familie schon seit vielen Generationen. Wir haben stets unsere Steuern bezahlt. Doch in der letzten Zeit kommen ständig neue Abgaben hinzu. Aber ich will mich nicht beklagen. Ich werde noch einmal die Bücher prüfen und sehen, was sich machen läßt. Einen schönen Tag noch." Damit wandte sich Lassar demonstrativ dem Monitor zu, der rechts von ihm stand.

"Wir sind keine Botengänger, Lassar." sagte Meister Eelar mit gefährlich sanfter Stimme. "Wir werden die SAWES erhalten. Hier und jetzt! Und wenn es sein muß, fangen wir gleich mit einer Buchprüfung und ihrer Geschäfte an!" Meister Eelar stand nun direkt vor dem Tisch des Direktors. "Wollen sie mir etwa drohen ?" Lassar schaute nicht auf doch er biß nun deutlich heftiger auf die Zigarre. Dabei blies er den Rauch in des Meisters Richtung.

"Geh nach draußen, und sieh zu, daß uns niemand stört." sagte Meister Eelar zu Aaskir in absolut ruhigem Tonfall, der Aaskir sofort alarmierte. "Ich glaube hier ist ein Vieraugengespräch notwendig!" - "Das glaube ich nicht!" erwiderte Lassar nun doch erregt. "Das Gespräch ist beendet." Aaskir konnte gerade noch sehen, wie der Direktor einen Knopf drückte und fast im gleichen Moment glitt eine verborgene Seitentür auf. "Packt sie!" schrie Lassar den zwei herausstürmenden silbergekleideten Mitglieder der Silbernen Eiche zu. Lassar mußte ein Vermögen für seine Sicherheit investiert haben, schoß es Aaskir durch den Kopf. Das konnte nur bedeuteten, daß er seine Finger in ganz üblen Geschäften haben mußte, daher auch diese überreizte Reaktion. Doch viel weiter kam er nicht, denn sein Gegner griff an. Aaskir duckte sich unter dem ersten Tritt hinweg und zog dabei seinen Kampfstab heraus. Die Enden des Stabes flammten auf.

Sofort ließ Aaskir einen wahren Hagel von Schlägen auf den Silbernen los, doch dieser parierte sie geschickt mit seinem kleinen Rundschild. Auch Meister Eelar hatte seinen Kampfstab in den Händen und trieb seinen Gegner gegen die Stirnwand. Der Kampf spielte sich in einer beängstigenden Stille ab. Keiner der Kämpfer verlor ein Wort. Die Angreifer waren gut, wie es nicht anders bei der Silbernen Eiche zu erwarten war. Aaskir mußte sein ganzes Können aufbieten, um die Schläge und Tritte abzuwehren. Er spürte, wie ihm der Schweiß herunterlief, doch dann schlug Aaskirs Gegner nach seinem Hals, doch er ließ sich zur Seite fallen und gleichzeitig trat er nach den Knien des Gegners. Er hörte ein häßliches Knacken, wirbelte schnell herum, und riß dabei den Stab in die Höhe. Der Silberne blockte den Schlag mit dem Schild ab, doch sofort ließ Aaskir den Stab von der Wucht des Aufpralls herumwirbeln und schlug dabei mit dem anderen Ende gegen die Hüfte. Die Abwehrbewegung kam einen Sekundenbruchteil zu langsam. Das glühende Ende fraß sich in die Seite des Mannes und teilte ihn fast in zwei Hälften. Der Silberne brach zusammen.

Meister Eelar war noch mit seinem Gegner beschäftigt, als Aaskir sich umschaute. Lassar hatte wie gelähmt dem Kampf von der Geheimtür aus zugesehen, als er sah, wie Aaskir nun auf ihn zukam, fiel die Erstarrung von ihm ab. Doch statt in den hinter ihm liegenden Gang zu flüchten, holte er etwas hinter seinem Rücken hervor und richtete es auf Aaskir. Es sah fast so aus wie ein Prokator und Aaskir ließ sich instinktiv nach rechts fallen um den Projektil aufzuweichen. Doch statt dem üblichen leisen Zischen erfüllte ein ohrenbetäubender Knall den Raum. Für Aaskir fühlte es sich an, als würde jemand mit einem riesigen Vorschlaghammer gegen seine linke Schulter schlagen. Er wurde herumgerissen und krachte unsanft auf den Boden. Ein rasender Schmerz zuckte durch Schulter und Arm, doch der Schmerz wurde von dem ungläubigen Gedanken Aaskirs fast weggewischt. Lassar hatte eine Explosivwaffe, eine Pistole! Doch zu mehr als einem Schuß reichte der Mut des Direktors nicht und er floh endlich durch die Geheimtür. Denn mittlerweile hatte auch Meister Eelar seinen Gegner ausgeschaltet und wollte schon Lassar verfolgen, doch dann sah er Aaskir. Er beugte sich über ihn. "Geht es ?" Aaskir biß sich auf die Lippen und richtete sich vorsichtig auf. Das Blut quoll zwischen den Fingern hervor, die er auf die Schulter preßte.

"Ich schaffe es schon." meinte er mühsam und richtete sich langsam auf. Meister Eelar hetzte zum Geheimgang. Unter großen Schmerzen schaffte es Aaskir endlich, sich aufzurichten. Er merkte bereits, wie ihn der Blutverlust schwächte und sein linker Arm war völlig taub. Aber er war immerhin noch am Leben. Er wankte seinem Meister hinterher. Mehrmals blieb er stehen und lehnte sich gegen die Wand. Ein erneuter Schuß ertönte. Und dann ein Schrei. Anhänger der Bruderschaft schreien nicht. Aaskir erreichte einen kahlen Raum, aus dem ein weiterer Gang abzweigte. Einige Stühle waren darin, und auf einem saß ein Mann, etwas unfreiwillig, denn man hatte ihm die Arme hinter der Lehne gefesselt. Sein Gesicht zeigte Spuren von Mißhandlung. Ein säumiger Schuldner Lassars, sagte sich Aaskir. Der Mann schaute ihn erstaunt an. Naja, ein verletzter Bruder war kein alltäglicher Anblick. Als der Mann die Wunde sehen konnte, trat ein seltsamer Ausdruck auf sein Gesicht, sofort blickte er in eine andere Richtung. Aaskir ließ sich mit dem Rücken schwer gegen die Wand fallen und ein erneuter Schmerz durchzuckte die Schulter, seine Knie begannen zu zittern und sein Blickfeld verschwamm.

Eelar kam aus dem anderen Gang und wollte gerade seinen Kampfstab verstauen, als sein Blick auf den Gefangenen fiel. Normalerweise hinterließ die Bruderschaft keine unnötigen Zeugen. Man würde früh genug herausfinden, was geschehen war. Die Enden des Stabes flammten auf.

"Nein!" sagte Aaskir schwach; sein Gesicht war fast so weiß, wie die Wand hinter ihm. Er lehnte noch immer gegen die Wand, um so etwas gegen den immer stärker schwankenden Boden zu tun. "Laßt ihn doch laufen, er ist keine Gefahr." Meister Eelar und der Gefangene starrten ihn beide gleichermaßen verblüfft an. Dann zuckte Eelar mit den Schultern und durchschnitt statt der Kehle die Fesseln des Mannes. Er wollte in Aaskirs Zustand keine Diskussion anfangen. "Los, verschwinde! Mach schon!" Der Mann packte hastig seine schwarze Lederjacke und verließ, solange das Glück noch anhielt den Raum. Danach rissen die Erinnerungen Aaskirs ab.


Letzte Änderung 22. January 2001 / Bei Fragen und Anregungen Mail an nazkor@gmx.de

 

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