Tagebuch des Don Bosco

Ein übergewichtiger Kleriker einer unausrechenbaren Gottheit, ein Kind der Menschen : Das bin ich. Außer meiner Wenigkeit sind da noch meine Freunde. Dondolf, mit dem ich zusammen aufgewachsen bin. Ein Spielkamerad seit den frühesten Tagen. Dondolf kann ganz schön verwegen sein, ein Risiko wird bei ihm nicht kalkuliert und abgewogen sondern einfach gewagt. Jaffez ist von Beruf Sohn und ziemlich starrsinnig. Er weiß aber interessante Dinge zu erzählen, da er von uns Dreien Aaron am besten kennt. Wir sind zusammen in Finfurt aufgewachsen, wahrscheinlich der langweiligste Ort der ganzen bekannten Welt.
Merris und Maija sind Halbelfen !!!
Merris ist auf etwas tumultartige Art und Weise dazu gestoßen. Manchmal kommt er mir wie eine zerrissene Persönlichkeit vor. Auf der einen Seite mußte er als Knecht in einer " Herrchen - Hund - Beziehung " leben, auf der anderen Seite setzt er große Hoffnungen auf die Suche nach den Elfen. In diesem Punkt haben wir alle etwas gemeinsam : Unser eigentlich durch nichts begründbarer Glaube an die Elfen. Wenn nicht als Gott oder Übermenschen, so doch als irrationale Hoffnung etwas in unserer Welt ändern zu können. Etwas von dem zurückzuholen, was ich in den Alten Büchern gefunden habe, von dem, was mein Meister erzählt hat. Eine Welt mit Sonne, Klarheit und Freiheit.
Doch zurück zu Merris. Eine gespaltene Person ? Dafür spricht, daß er zu großen Extremen neigt. Dondolf hat gefallen daran gefunden, ihn wegen seiner Angst, als Halbelf erwischt zu werden, zu verspotten. Das hat so weit geführt, daß er wehrlose Menschen tötete. Ich wünschte, ich hätte früher etwas getan, aber ich habe die Situation wohl unterschätzt. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt eine gewisse Unnahbarkeit von Merris. Niemand darf erfahren was er denkt. Leicht, so etwas auf eine elfische Überheblichkeit zurückführen zu wollen. Er ist Psioniker, ein Meister in der Kunst Gedanken zu lesen. Bei dem Gedanken, daß er jederzeit in mein Innerstes eindringen kann, daß es vor ihm keine Geheimnisse geben kann, habe ich Angst. Ich kann mir gut vorstellen, daß Merris, wenn er nur will, Leute in den Wahnsinn treiben, ihnen die Vernunft rauben kann. Wie gesagt, er ist unnahbar, die Einzige die ihm näher kommen darf ist Maija, unsere zweite Halbelfin.
Sehr moralisch, irgendwo aus dem Wald, draufgängerisch. Eine sehr hübsche Frau die am liebsten mit Merris zusammen ist. Außer der Rasse trennt uns drei, mich, Jaffez und Dondolf, noch das Wissen von- und übereinander von den Halbelfen.
Seit neuestem ist Alfred dabei. Er ist, man kann es kaum glauben, ein Zwerg ! Er sieht für einen Zwerg sehr liebenswert aus. Ich habe immer unwillkürlich den Eindruck, wenn er toben und schimpfen würde, so würde er doch in Wahrheit darüber Schmunzeln und noch Spaß daran haben. Nun ja, wer weiß. Er hat ebenfalls eine dunkle Vergangenheit. Das muß ein typisches Merkmal für alle Nichtmenschen sein. Gerettet von einem Elfen will er jetzt ihnen seinen Dank dafür abstatten. Oder so ähnlich. Das sind also meine Gefährten.
Wir befinden uns in einem Dauerzustand der Flucht vor der schwarzen Garde. Conan, eine trübe Tasse, die wir aufgelesen haben, reitet im Moment auch noch mit uns.
Warum ich dabei bin ? Wenn ich die anderen fragen würde, bekäme ich wahrscheinlich ein Schulterzucken, was mir gar nicht so Unrecht ist. Vielleicht noch eine Bemerkung über Bequemlichkeit und gutes Essen. Die anderen haben also keine Ahnung. Wie steht es mit mir ? Zuerst ist da mein Glaube an eine mögliche bessere Welt. Nicht durch aber doch mit Elfen greifbar. Zum anderen bin ich zwar in einem Kaff aufgewachsen. Dadurch, daß ich Lesen und Schreiben kann und mein Meister meine Fragen immer nach besten Vermögen gefördert und beantwortet hat, weiß ich mehr über unsere Welt, als so mancher annehmen würde. Es hat sich bereits gezeigt, daß meine Strategie, neues zu lernen, aufgeht. Wir haben einen Ring gefunden der magisch ist, wie ich feststellen konnte. Ich muß nur noch herausfinden, warum ich Kopfschmerzen vom Tragen bekomme und die anderen nicht.
Ich habe die wunderbarsten Sachen über Ringe gelesen. Ringe, mit denen schnell wie der Blitz reisen kann, Ringe, die einen Sturz zu einem Schweben machen oder solche, die Unsichtbar machen. Anscheinend wohnt ein Geist in diesem Ring der ähnlich wie Merris ist. Vielleicht gehören die beiden sogar irgendwie zusammen. Magie ist etwas wunderbares.
Ich meine jetzt nicht die Art wie Jaffez sie praktiziert, auch nicht die eher unheimliche Art, die Mirithron beherrscht, sondern die Magie, die aus dem Glauben kommt. Dies zeigt, daß mein Gott, Aton, nicht etwas fernes unbedeutendes ist, sondern durch mich einen tatsächlichen Einfluß auf die Welt hat. Mit der Welt meine ich nicht nur meine Welt, sondern die aller. Ich kann fremden Leuten meinen Willen aufzwingen und dies unabhängig davon, ob sie an den Herrn, Aton, glauben oder nicht, oder sogar überhaupt von Ihm wissen.
Eine spannende Sache, die mir keine Ruhe läßt, sind die Untoten. Falls es sie gibt, der Herr bewahre uns, müßte ich einen gewissen Schutz wenn nicht sogar Einfluß auf sie haben. Aber dazu würde wohl ein unglaublicher Mut gehören. Ein weiterer Grund die Elfen aufzusuchen, ist die Suche nach dem Schönen. Jetzt kenne ich schon zwei Halbelfen und habe sie noch nicht einmal Singen hören. Der Gesang eines Elfen soll das Herz verzaubern und die Welt vergessen machen. Weder Mirithron noch Maija scheinen überhaupt musikalisch zu sein. Wirklich schade. Ich glaube zumindest Mirithron würde es helfen, seine Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten.
Wie kommt es, daß ich immer wieder über ihn rätseln muß ? Ich komme mir vor wie eine Katze die um ihn herum schleicht. Halbe Andeutungen und Blicke, die ich bestimmt anders interpretierte als sie gemeint sind. Die Gefahr dabei ist, daß er seine Kraft auf mich anwenden könnte, ich muß also vorsichtig sein. Vielleicht liest er ja mal, was ich jetzt schreibe und berichtigt meine Vermutungen, die meiner Neugier über jeden und alles entspringt, sie ist ja gar nicht böse gemeint.


Demnächst machen wir eine Schiffsreise, meine erste. Diese bringt uns hoffentlich den dringend benötigten Abstand zu den schwarzen Garden, denn langsam habe ich die Flucht und vor allem das Töten satt. Ich bin froh, daß Beowulf die anderen nicht überreden konnte, weiterhin Handlangerdienste für ihn zu verrichten, wie diese leidige Affäre ,die uns Conan eingehandelt hat.
Mit einer meiner stärksten Beweggründe, jetzt wo ich darüber nachdenke und schreibe, ist nun einmal das Fernweh. Genauer war mein Studium der Schriften schon immer eine Flucht aus Finfurt. Der Gedanke, wieder irgendwo an einem Ort leben zu müssen, ist mir unerträglich. Ich gebe zu, daß ich gerne bequem lebe, was ist denn auch falsch daran. Aber der Horizont würde mir wohl keine Ruhe lassen bis ich wieder aufbreche. Ich reise nicht der Gefahr wegen, sondern die Gefahr ist ein notwendiges Übel, welches ich in Kauf nehme, um neues zu lernen. Im Moment ist eine Reise allerdings genau die richtige Medizin, um einen gewissen Steckbrief, der im Umlauf ist, vergessen zu machen.
Ich bin gespannt, was ich noch über Alfred herausfinden kann. Ein "netter Zwerg", was in sich eigentlich schon ein Widerspruch ist. Ein Spion ist er auf keinen Fall oder ich kann andere nicht mehr einschätzen. Er ist eher still und hält sich zurück. Eine Wesensart die der meinen sehr nahe kommt. Was er wohl von den Elfen hält ? Zumindest hat er nichts gegen Halbelfen. Ob er besondere Talente hat weiß ich noch nicht, allerdings konnte ich mich noch nicht mit ihm ungestört unterhalten. Bestimmt weiß er viele Dinge über seinen Vater erzählen. Etwas mulmig ist mir schon, Alfred ist zwar nett aber eben doch eine Ausnahme. Nach meinem Wissen hat seine Rasse sich an die Kaiserin verkauft. Ich glaube schon, daß man dies so hart ausdrücken darf. Die Macht der Zwerge beruht auf der Unterdrückung der anderen, sie haben sich auf die Gewinnerseite geschlagen, sozusagen. Nun, jeder muß in der Zeit leben und mit den Problemen fertig werden, in die er geboren ist. Alfred ist Schmied. Zwerge sind berühmt für die Artefakte, die sie geschaffen haben sollen.
Das war zwar eine andere Zeit aber ich könnte mir vorstellen bei den Elfen Gleichgesinnt zu treffen. Also nicht nur Elfen sondern auch Halbelfen, Menschen, Zwerge, Gnome, Halblinge. Man stelle sich vor, wir träfen auf Zwerge, die in den alten Künsten bewandert sind ! Wenn die andren mich lassen, bewahre ich deshalb auch den Ring auf. Früher oder später klärt sich jedes Rätsel auf.
Unsere Bekanntheit, wenn auch nicht gerade Beliebtheit, hat dazu geführt, daß wir uns alle auf einem Wagen verstecken mußten, um ungesehen in die Stadt zu kommen. Nachdem wir gekonnt die Kontrolle am Tor passiert haben ( man setze einfach einen Zwerg gut sichtbar auf den Wagen und die Wache wird auf einmal viele Dinge finden, die sie noch zu erledigen hat, außer Wagen mit Zwergen drauf zu kontrollieren ) mieteten wir uns in einer Herberge ein. Alfred und Jaffez ( oder Pfaffi ) bezogen eine Unterkunft, während der Wagen in die Scheune gebracht wurde. Dies ist also die Ausgangssituation.
Im folgenden kam irgend jemand auf die Idee, mich und Dondolf in die Kneipe zu schicken, um etwas zu Essen und zu Trinken zu besorgen. In solchen Fällen kommen leider mehrere ungünstige Faktoren auf einmal zusammen. In Kneipen überkommt mich regelmäßig das Verlangen, sie auch gemäß ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zu benutzen, der da ist, Bier zu konsumieren. Nach dem 2. oder 3. Bier kam Alfred in die Kneipe, worauf Dondolf ihn sofort lauthals zuwinkte. Alfred gab natürlich vor, uns nicht zu kenne ( man denke nur an den besagten Steckbrief ).
Nun, um es kurz zu machen, wir forderten ihn auf, sich doch zu uns zu setzen. Er tat es nicht, was mich zu der Bemerkung veranlaßte, er solle doch nicht so kleinlich sein. Dies brachte den Wirt auf Plan. Der wollte auf einmal 5 ( in Worten fünf ) Goldstücke für die paar Bier und ein bißchen Brot haben und uns danach seiner Spelunke verweisen. Wenn ich es mit solchen zu tun bekommen, kann ich sehr ärgerlich werden.
Dondolf hatte kein Gold bei sich, ich gab vor, keins zu haben, worauf der sogenannte Wirt (eigentlich Blutsauger ) seinen Gehilfen nach der Stadtgarde schickte. Ich war auf jeden Fall eher bereit, mich mit der Garde auseinanderzusetzen, als irgendwelche Mondpreise an Halsabschneider zu zahlen. Es ist so ungerecht ! Normalerweise hätten wir den Wirt bei der Garde wegen Wucherei anzeigen könne.
So blieb uns aber nichts anderes übrig, als zu gehen, wobei ich das restliche Brot mitnahm. Alfred erklärte sich bereit, unsere Zeche zu übernehmen, um die Wogen zu glätten. Er rief sogar die Stadtgarde zurück, die dann nach auftauchte. Dem dummen Wirt kam es überhaupt nicht merkwürdig vor, daß ein " wildfremder " Zwerg so " mir nichts dir nichts " unsere Zeche übernahm. Wahrscheinlich hat der Wirt in seiner frühesten Jugend irgendwo den Spruch " Wer nichts wird, wird Wirt " aufgeschnappt und sich genauestens daran gehalten.
Wir gingen darauf in die Scheune zurück, wobei wir noch schnell einen Eimer Wasser von den Pferden holten, denn wir sollten ja Essen U N D Trinken besorgen. Besagtes lieferten wir ab, was uns keineswegs Dank eintrug, sondern allenfalls Gemecker über " nur Brote ? " und die Qualität des Wassers. Ich hatte es mir gerade wieder auf dem Wagen bequem gemacht, als der Halbelf das Wasser über mich goß. Das meiste landete in meinem Gesicht. Im ersten Reflex hätte Merris beinahe meinen Streitkolben ins Gesicht bekommen. Zum Glück konnte ich mich beherrschen. Ich vermute stark, daß er durch seine Gedankenkunst über die Szene in der Kneipe schon Bescheid wußte. Daß seine Angebetete Maija dann noch von dem Wasser getrunken hat, war wohl das Quentchen zuviel. Nun, jeder hat seine Schwächen und Fehler, und ich wäre der letzte, der seine nicht zugibt, aber nicht jeder muß es mit einem Gedankenleser, der zudem noch höchste moralische Grundsätze hat, aushalten.
Ich habe mich dann bei Maija entschuldigt und bin sogar zu Merris gegangen, um mich zu entschuldigen. Dieser schaute mich aber nur an, so daß ich mir richtig schlecht und böse vorkam. Ich konnte seinen Blick jedenfalls nicht lange standhalten und brachte nur noch ein " War ja nicht so gemeint " heraus. Dann, man höre und staune, hat Maija mich sogar in Schutz genommen. Ob selbst das etwas genützt hat, kann ich nicht sagen.
Interessant ist auch, wie Merris und Maija Conan in die Zange genommen haben. Dazu muß man wissen, daß Conan zwar überreichlich mit Muskeln ausgestattet ist, beim Gehirn aber wahrscheinlich zugunsten schneller Reflexe auf Fähigkeiten wie abstraktes Denken verzichtet worden ist. Im Moment ist sein Denken derart von seinem zerquetschten Daumen beherrscht, daß er sich im übrigen darauf beschränkt, irgendwo in der Ecke zu stehen und mürrisch vor sich hin zu starren. Darin wiederum ist er allerdings ausgesprochen gut.
Merris und Maija ist das oder zumindest letzteres wohl auch aufgefallen. Daraufhin hatte Conan eigentlich schon verloren. Einmal im Fokus ihres Interesses bekam er Dinge wie, " Als Krieger mußt du dich dem Leben stellen " und " Deine Gefährten würden von dir erwarten, daß du dich durchsetzt " oder " Sie leben in deinen Gedanken weiter und sind deshalb gar nicht gestorben ". Dazu muß man noch wissen, daß die " Gefährten " den Rest seiner Gruppe darstellten. Darstellten deshalb, weil sie vor kurzem alle abgeschlachtet worden sind. Conan, als einig Überlebender der ruhmreichen aber wohl auch traumatischen Schlacht, wurde dann verschleppt, bei der anschließenden peinlichen Befragung kam dann auch besagter Daumen zu Schaden, bevor wir ihn befreien konnten.
Wie zu erwarten, wußte Conan auch nicht so rechtes zu erwidern. In sofern ist der Appell an seinen Lebenswillen wohl auf offene Ohren gestoßen. Bei Conan ist übrigens größte Vorsicht angebracht. Eine Bemerkung wie, " Ich würde es nie wagen, zu behaupten, du bist so intelligent, wie du aussiehst !" , wäre wahrscheinlich zu kompliziert für ihn. Er gehört zu den Typen, die dort, wo ihnen die Worte fehlen, andere gewichtige Argumente, wie zum Beispiel ein 40 Pfund schweres Schwert anführen. Bevor also Dritte Conan die Bemerkung als harmlosen Scherz erklären könnten, wäre der Diskussionsgegner schon tot. Eine solche Aussicht dämpft natürlich das Verlangen, Situationen durch treffende Bemerkungen zu kommentieren. Das Fatale daran ist, daß die Zunge manchmal schneller wie das Denken ist.
Ich habe mir übrigens aufrichtig vorgenommen, mich zu bessern. Weniger Bier, mehr Besonnenheit. Insbesondere Merris scheint sehr hohe Erwartungen an mich zu knüpfen, oder hat dies zumindest getan bis zum Zwischenfall mit dem Wasser. Wenn ich es schaffe, dem gerecht zu werden, kann ich wohl auch endlich zufrieden mit mir selbst sein.
Und wenn ich schon dabei bin, mir gute Vorsätze vorzunehmen, sollte ich auch weniger aufs Gold schauen. Ich gehöre definitiv nicht zu den Leuten, die Geld belastet und es deshalb möglichst schnell loswerden wollen. Geldgier führt wohl unweigerlich zur Unehrlichkeit. Dabei meine ich nicht, daß ich dem Blutegel seinen Wucherpreis nicht zahlen wollte. Dies war durchaus gerechtfertigt. Nein, vor kurzem habe ich eine Börse eines Schwarzgardisten eingesteckt, da dieser nicht so glücklich bei seiner Verfolgung war. Auch hierin nichts schlimmes. Allerdings habe ich den anderen dann vorgelogen, es wären 5 anstelle von 7 darin, mitunter also einen Teil des Geldes unterschlagen. Wohl auch unter dem Einfluß von Merris Mißbilligung habe ich aber mein gesamtes Barvermögen angegeben, als wir für die Passage zusammenlegen wollten. Die Differenz ist weiter keinem aufgefallen. Und falls eine gewisse Person dies in meinen Gedanken gelesen haben sollte, so läßt sie sich wenigstens nichts anmerken.


Vor kurzem hat sich übrigens mein Ring wieder gemeldet. Er wollte unbedingt eine Gute-Nacht-Geschichte hören. Als ich dann sozusagen geistig die Ärmel hochkrempelte, war der einzige Erfolg meiner wirklich schönen Geschichte, daß alle in kürzest möglicher Zeit eingeschlafen sind. Anscheinend ist mein Talent als Geschichtenerzähler noch stark verbesserungswürdig. Besonders geärgert hat mich, daß meine Zuhörer geradezu eulenhaft dasitzen, dem Schlaf näher als dem Wachsein. Sobald es aber zu einer kleinen Unstimmigkeit im logischen Fluß kommt, wachen sie unweigerlich auf, um lästige, da schwer zu beantwortende Fragen zu stellen.
Im konkreten Fall hatte der Zauberer Mathew, der gerade im Verließ saß ( warum würde hier zu weit führen ) unbeabsichtigt einen Drachen herbeigehext und zwar in der Absicht, etwas Licht oder etwas, das Licht erzeugen kann, in sein dunkles Loch zu bringen. Der Drache fühlte sich durch den plötzlichen Ortswechsel angegriffen und spie Feuer, wobei jeder Feuerstoß dazu führte, ihn um so betrunkener zu machen. Der Zauberer schaffte es, ein Gespräch mit dem Drachen zu beginnen, wodurch dieser aufhörte Feuer zu speien und damit wieder nüchtern wurde. So gesehen eine harmlose logische Sache.
Genau dann muß so ein Besserwisser nach dem genauen Inhalt des Gesprächs fragen, das den Drachen zur Räson brachte. Mir fiel natürlich so auf Anhieb nichts ein. Mir bleibt aber wenigstens die Möglichkeit, es in meinem Tagebuch klarzustellen. Zuerst rief der Zauberer natürlich "Halt !" und "Ich habe nur harmlose Forschung betrieben !" , was natürlich zu keinem Einlenken seitens des Drachens führte. Dann aber fiel ihm auf, wie der Drache jedesmal die Schnauze verzog bei jedem Feuerstoß. Als er daraufhin rief "Hast du Schmerzen ?" stutzte der Drache und fragte, wobei er versuchte beiläufig zu klingen, "Und wenn das so wäre ?" Um es kurz zu machen, daß Interesse des Drachen war geweckt, der Zauberer gab vor Arzt zu sein (eine gewiß verzeihliche Notlüge in seiner Situation).
Wie sich später herausstellte litt der Drache unter nicht unerheblichen Zahnschmerzen. Man sieht, für alles gibt es eine plausible und einleuchtende Erklärung, auch wenn diese nicht sofort auf der Hand liegen mag.
Ich habe bereits zu meinem Glauben, mit welchen untrennbar meine Macht über die Welt verknüpft ist, Stellung genommen. An dieser Stelle ist dringend ein bißchen gesunder Menschenverstand angebracht. Sagte ich tatsächlich Macht über die Welt und Dritte ? Geringfügiger Einfluß trifft die Sache bei ehrlicher Betrachtung besser.
Ein Beispiel. Merris hat es geschafft, den Wirt in Panik zu versetzen, um ihn von der Scheune fernzuhalten. Prinzipiell ist mir das auch möglich. Der feine Unterschied besteht darin, daß Merris schlicht an das Opfer denkt. Ich dagegen müßte mich vor dem Wirt aufbauen, eindrucksvoll mein heiliges Symbol schwingen, die dazugehörige Formel murmeln und anschließend auf den Wirt deuten. Dazu kommt, daß die Wirkungsdauer höchst beschränkt ist. Viele Leute neigen dazu, dasjenige, vor dem sie sich einmal gefürchtet haben, auf das entschlossenste zu bekämpfen, wenn sich denn Gelegenheit dazu bietet. Ich müßte mich also in Zukunft vor dem Wirt sehr in Acht nehmen.
Bei diesem Spruch und fast allen anderen gibt es solche Probleme. Ich glaube, ich sollte meine Gabe lieber als nützliche Zugabe zum Leben sehen. So schütze ich mich vor Situationen in denen ich schnell am Ende wäre, würde ich ausschließlich auf meine sogenannte " Macht " vertrauen.


In letzter Zeit ist nicht sonderlich viel passiert, wir sind immer noch dabei, unsere Passage nach Nufringen zu organisieren. Wir haben jetzt einen weiteren Halbelfen, Dalwin oder so , in der Gruppe. Jaffez und Dondolf haben ihn gekauft, um ihn von seinem Sklavendasein zu befreien. Ein größeres Kontingent Schwarzgardisten befindet sich in der Stadt oder wird erwartet. Vier der Piers im Hafen sind abgesperrt worden.
Soviel zum Tagesgeschehen, jetzt zum wichtigen. Ich habe endlich eine Aussprache mit Mirithron . Das fing damit an, daß wir in ein Argument über Conan geraten sind. Wie gesagt, habe ich Mirithrons und Maias Gespräch mit ihm als sehr kraß empfunden. Dies war aber deshalb so, weil ich nur Teile des Gesprächs überhören konnte, sozusagen die "Highlights". Im Zusammenhang macht es durchaus Sinn, was sich ja auch darin zeigt, daß Conan aus seiner Lethargie aufgewacht ist. Meine Meinung über Conan wird sich wohl als Vorurteil herausstellen, wie Maija und Mirithron mir prophezeit haben. Vorurteile an sich sind nicht Negatives, man muß nur bereit sein sie jederzeit zu Hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Mirithron hat mir klipp und klar gesagt, daß er mein Freund ist und damit auch nie in meinen Gedanken herumlesen wird. Ich hab ihm daraufhin die Hand gegeben, also Frieden geschlossen. Frieden mit ihm aber auch mit mir selbst. Da es über Freundschaft, Vertrauen, Liebe letztendlich keine Gewißheit geben kann, macht es auch keinen Sinn, überall und jederzeit Feinde zu sehen. Insofern kann man nur Geben aber nicht Verlangen. Das ist bestimmt keine analytische Schlußfolgerung, ich glaube aber fest daran, daß es die Richtige ist. Eine Frage bleibt dabei allerdings noch. Oftmals wird es doch so sein, das gegebenes Vertrauen enttäuscht wird. Woher wird dann die Kraft kommen, es so zu akzeptieren, wie es ist ? Wahrscheinlich ist eine solche Frage nur zu Erfahren, nicht aber zu Beantworten.
Zum Tagesgeschehen : In Cantor treffen Ausrüstung und Soldaten zusammen, um von hier aus gegen die Elfen zu ziehen. Mirithron hat Beowulf und Aaron davon verständigt. Aaron versteht es, seinen Körper durch die Ebenen hindurch zu versetzen. Kaum hatte er also die schlechten Neuigkeiten gehört, erschien er wie aus dem Nichts vor unseren Augen. Wir selbst reisen demnächst nach Nufringen weiter, Aaron wird die Schwarzgardisten aufhalten.
Wie ? Er wird ganz "einfach" den Bug eines der Schiffe auflösen, sobald es sich auf Höhe der Hafeneinfahrt befindet. An dieser Stelle sind wir zu einer äußerst interessanten Diskussion über Magie gekommen. Ich werde sie hier wiedergeben, so gut es in meinen Gedächtnis hängengeblieben ist.
Ich glaube, Aaron und zum großen Teil auch Mirithron waren es, die meinten, beim Zaubern werde Energie von den äußeren Ebenen auf unsere eigene transferiert. Das Energiedefizit werde durch Körperenergie des Zaubernden wieder aufgefüllt. Der Kleriker hingegen erbitte von seiner Gottheit Energie. Körperernergie des Klerikers werde dazu benötigt, Verbindung zur Gottheit aufzunehmen. Psioniker arbeiten gänzlich ohne Körperernergie.
Dieses theoretische Grundgebäude führe zu einer interessanten möglichen Reihen- und Rangfolge. Demnach kommen an erster Stelle die Magier, dann die Kleriker und dann die Psioniker. Die Magier sind in ihrer Macht nur darin begrenzt, wie es ihrer Fähigkeit entspricht, Energie von den äußeren Ebenen zu transferieren. Kleriker dagegen bleiben immer ein Schatten ihrer Gottheit, deren Grenze ist auch die theoretische Obergrenze ihrer Macht. Demnach können Magier selbst Götter werden, Kleriker jedoch nur Diener von Göttern. Psioniker schließlich haben ihre Grenzen in ihrer Körperenergie. Unterstellt, daß Götter mächtiger wie selbst die fähigsten Bewohner unserer Ebene sind, ergibt sich daraus, daß Psioniker an dritter Stelle kommen.
Soweit die Theorie, welche die höchstmögliche Stufe der Vollendung der jeweiligen Gruppen zu Inhalt hat. Ob und vor allem wann, das heißt wie schnell, diese Stufe erreicht werden kann ist wahrscheinlich unterschiedlich. So mag es irgendwo einen Psioniker geben der mächtiger ist, wie alle anderen Bewohner seiner Ebene. Man kann diese Theorie nämlich auch ohne weiteres umdrehen. Wenn jeder seinen Gott, oder besser, seien göttliche Kraft, in seinem Innersten trägt, dann wird gerade der am erfolgreichsten sein, der sein Streben danach richtet, sein Innerstes zu erforschen. Dies würde natürlich unterstellen, daß sowohl Magier als auch Kleriker in einer Selbsttäuschung leben, da sie nicht bereit sind, die Quelle ihrer Kraft zu erkennen. Man sieht, für jede These läßt sich auch die dazugehörige Antithese aufstellen, wenn die Prämissen beliebig postulierbar sind.
Jaffez war doch tatsächlich so dreist, irgendwelche Experimente bezüglich meines Glaubens vorzuschlagen. Nun, ein Spiel mit Theorien und Gedanken mag erlaubt sein, bei einer empirischen Überprüfung könnte es sehr schnell sehr gefährlich für mich werden. Etwaiges Wissen mag dann teuer erkauft sein. Ich hab also Jaffez gesagt, er sei nicht ganz dicht und solle den Scheiß lassen. Mirithron hat mir dabei auch Recht in der Sache gegeben.
Noch einmal zurück zur Theorie über Magier. Wenn diese Energie transferieren, was passiert, wenn ein Psioniker just in diesem Augenblick Kontakt aufnimmt ? Energie nimmt immer den Weg des geringsten Widerstandes, hat der Psioniker also Pech, wird er zum Blitzableiter, es kommt zu einem Kurzschluß und die transferierte Energie, die durchaus eine beachtlichen Betrag haben kann, nimmt eine Abkürzung durch den Körper des Psionikers. Wer einmal die Baumleiche eines einstmals großen stämmigen Baumes gesehen hat, der als Blitzableiter gedient hat, mag sich vorstellen können, was, bzw. was alles nicht, in so einem Fall von einem menschlichen Körper übrigbleiben würde. Aber ähnliche Gefahren gibt es für alle Spielarten der Magie, da ja alle letztendlich auf Bewegung von Energie hinauslaufen. Am besten nicht weiter darüber nachdenken. In diese Richtung, einmal zu weit gedacht, lauert der Wahnsinn. Für den Kleriker ist dies leicht zu beherzigen, da seine Magie auf Vertrauen fußt und beruht, ein Hinterfragen ist also nicht erforderlich.


Liebes Tagebuch, halt dich gut fest, was jetzt kommt, ist starker Tobak. Kaum waren wir 50m aus der Stadt heraus, ging der Zauber im wahrsten Sinne des Wortes los. Der Himmel über Cantor verfärbte sich, die Erde bebte und die Luft war auf einmal angefüllt mit Bersten und Krachen. Das folgende entstammt einer Schilderung Mirithrons, der das Risiko auf sich genommen hat, das Geschehen durch die Augen des Hafenmeisters zu beobachten.
In der Hafeneinfahrt liegt ein Schiff der schwarzen Garde, das Aaron wie angekündigt versenkt hat. Das Hafenbecken ist angefüllt mit Soldaten die sich schwimmend an Land zu retten versuchen, soweit sie nicht bereits mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben.
Weitere Schiffe und viele Piers sind schwer beschädigt, der gesamte Hafen ist eine Zone der Zerstörung. Aaron steht hinter den Überresten eines ausgebombten Lagerschuppens, sein Gesicht ist von Verzweiflung beherrscht.
Über dem Hafen schweben drei Humanoide, offensichtlich mächtige Vertraute der Kaiserin. Sie sind umgeben von mehreren Feuerkugeln oder Energieballungen, welche für einen großen Teil der Vernichtung verantwortlich sind. Sowohl Aaron als auch die Zauberer sind von Schutzschirmen umgeben. Aarons Kraft reicht nicht, die der Zauberer zu durchbrechen. Die drei arbeiten zusammen und es gelingt ihnen, Aarons Verteidigungsbarrieren zu durchbrechen. Eine schimmernde Hülle entsteht um Aaron, der inzwischen bewußtlos am liegt.
Einer der drei Zauberer fällt zwar dank Mirithron aus, dennoch wird Aaron von einer grellen Entladung eingehüllt. Nachdem die Reflexe auf der Netzhaut des Hafenmeisters abgeklungen sind, ist von Aaron nichts mehr zu sehen.
An dieser Stelle habe ich gespürt, daß die Welt, wie wir sie kennen, schwer erschüttert worden ist und nicht mehr existiert. Die Tragweite des Geschehenen kann nicht überschätzt werden. Aaron, den wir noch eine Stunde zuvor, halb im Scherz, halb im Ernst, gefragt haben, warum er uns nicht direkt zu den Elfen bringe, ist verschwunden, wahrscheinlich tot. Ich hatte mich schon auf eine langjährige Reise zu den Elfen eingestellt, wobei Aaron oder Beowulf ab und zu nach den Rechten schauen.
Dies ist übrigens längst nicht alles was passiert ist. Dondolf ist nach Finfurt zurückgekehrt, was für mich doch überraschend kommt.
Maija und Mirithron haben sich gestritten, und zwar, man glaubt es kaum, über ein Märchen. Es ging darum, ob man Leben gegen Leben aufrechnen kann. Nach Maija ist der Einzelne im Interesse mehrerer zu opfern. Eine Ansicht, die ich nicht verstehen kann. Selbst wenn Hunderttausende gerettet werden, ergibt sich daraus noch kein Recht, das Leben eines Einzelnen zu vernichten. Die Gesellschaft mag ein hohes Interesse am Opfer des Einzelnen haben, dem Betroffenen nützt dieses überhaupt nichts. Ob und wie viele gerettet werden, macht für ihn keinen Unterschied, tot ist tot.
Das Argument, ein Edler wäre bereit, sich für die Allgemeinheit zu opfern, führt hier nicht weiter. Die freie Entscheidung über das eigene Leben ist keinesfalls mit einer Verfügungsgewalt über das Leben Dritter zu verwechseln. Wenn Maija also meint, sie selbst würde so ein Opfer bringen, ist dies noch keine ausreichende Grundlage für eine Verallgemeinerung dieser Ansicht. Nun ja, das Gespräch schwenkte dann um auf den Zwischenfall mit Dalmin auf dem Markt. Mirithron hätte Dalmin ja auch nicht gefragt, als er sein Leben riskierte, also ihn in Gefahr brachte.
Ein sehr zweifelhaftes Argument. Ersten ist die Motivation eine grundlegend andere. Mirithron hat es gar nicht darauf abgesehen, Dalmin in Gefahr zu bringen, das Motiv war Helfen zu wollen. Die Gefahr für Dalmin hat Mirithron nicht erkannt, aber erkennen können. Ein gerade klassischer Fall von Fahrlässigkeit. Im Märchen dagegen wird die Opferung planmäßig vorbereitet, also mit direkter Absicht, einen Menschen zu töten. Im Gespräch hat Maija Mirithron dann sozusagen über(ge)redet, so daß er zuletzt sagte, "Es tut mir leid".
Nach meiner Ansicht eine überflüssige, da grundlose Entschuldigung. Dies muß ich ihm übrigens unbedingt noch sagen, es kann nicht angehen, daß er sich seine völlig richtigen Ansichten zu diesem Thema ausreden läßt. Man kann halt nicht aus Unrecht Recht machen, und wenn das Volk noch so sehr dazu applaudiert.


Liebes Tagebuch, in letzter Zeit sind gleich zwei neue dazu gestoßen. Ich muß sagen, daß ich mich über mangelnde Abwechslung wahrhaftig nicht beklagen kann. Der eine ist bereits bekannt : Lorileander oder so ähnlich, dieser Typ ( Freak ? ), der damals sich höchstpersönlich aus der Akademie sprengte und danach den unheilvollen Entschluß faßte, uns, koste es was es wolle, fortan schwer auf die Nerven zu fallen. An diesem Ziel hat er anscheinend in der Zwischenzeit hart gearbeitet und erstaunliche Verbesserungen zustande gebracht. Na, ja.
Der andere, Conan - II, seinen richtigen Namen konnte ich mir nicht merken, scheint ein kleiner Psycho zu sein, der seine ganze Liebe den Waffen geschenkt hat. Sein Plan ist es zu den Elfen zu gehen, kurz ein paar überlieferte Geheimnisse der Schmiedekunst zu erlernen und fortan Waffen von überragender Qualität herzustellen. Wer diese dann benutzen wird ist ihm dabei egal.
Man sieht, man lernt nie aus. Kaum glaubt man die Krönung an skurrilem Verhalten zu kennen, wird man eines besseren belehrt. Maija hat ihr Märchen zu Ende erzählt. Ich glaube, ich konnte ihre Ansichten etwas geradebiegen, von "rechtens" zu "nötig", sozusagen.
Mirithron macht mir in letzter Zeit wirklich Sorgen. Irgendwie muß ich ihm da heraushelfen, wobei ich noch nicht die geringste Ahnung hab, wie. Ist schon merkwürdig, am Anfang hab ich Angst vor ihm gehabt und ihm alles mögliche zugetraut, inzwischen hab ich ihn richtig liebgewonnen mit seinen Ansichten zu - und öfter auch gegen - alles und jedem und seinem hektischen Wesen.
In einer ruhigen Minute, also in fünf bis zehn Jahren ( ha, ha ), werd ich mir ihn mal vorknöpfen. Wenn man ständig in Extremen lebt, kann das auf Dauer einfach nicht gutgehen. Zwischen totaler Unterordnung bei Otist und Blutrache gibt es auch für Mirithron einen Platz wo er hingehört.
Nur, wie sag ich's ihm ? Erstens dürfte ein solcher Gedanke sehr fremd für ihn sein. Ungefähr so, als wenn ich in einem Raum kopfüber auf der Decke stehend auf ihn zukommen würde und ihm einreden wollte, sein Unten sei in Wirklichkeit Oben. Zweitens ist seine Fähigkeit Zuzuhören neben der zu Reden nahezu verkümmert.
Sein Motto ist es, viel zu Argumentieren und sich dabei nicht durch Nebensächlichkeiten wie andere Meinungen irritieren zu lassen. Übrigens etwas, wo ihm der Rest kaum nachsteht. Kompromisse in Glaubensfragen und persönlichen Ansichten gibt es bei uns so gut wie überhaupt nicht. Gerade Mirithron erzählt gerne und lebhaft und könnte sich dabei manchmal genauso gut mit einer Wand unterhalten. Die anderen haben anscheinend bereits einen M-Filter entwickelt, der sofort auf Durchzug schaltet, wenn eine gewisse Wortanzahl überschritten wird. Eine Unterroutine sorgt dann noch dafür, daß man wissend nickt oder "ja, hmmm" sagt, um den Vortrag zu beenden. Ich ertappe mich übrigens auch dabei, aber wer kann es einem verdenken ? Weniger kann halt auch mehr sein bei einer Diskussion. Trotz aller Kritik und Fehler hab ich ihn aber irgendwie gern.


Ich hab jetzt mit Mirithron gesprochen. Alles in allem geht es ihm jetzt wieder besser. Wir sind nach Cantor zurückgekehrt um Aarons Überreste an uns zu bringen. Da wir letztendlich gemeinsam die Stadt betreten haben, hat die Stadtwache uns an den Steckbriefen erkannt. Im Moment sind wir im Hafen, die Suche nach uns wird wohl gerade organisiert. Meine Idee war es ein Schiff zu klauen und am besten mit der Erde abzuhauen. Da Cantor nur ein Tor hat, ist dies so ziemlich der einzige Weg.
In kürze heißt es wohl kämpfen. Anders wie vorher greifen wir diesmal an und verteidigen uns nicht nur. Ich hoffe nur, daß wir den Magier, der mitgeholfen hat Aaron zu besiegen, erwischen. Nachdem wir so lange herumgeschubst worden sind, kann ich in mir auch kein Mitleid für ihn oder die Wachen finden. Wozu die Erde eigentlich gut ist, weiß der Himmel. Aber besser wir haben sie als die anderen.
Zugegebener Maßen sieht die nächste Zukunft etwas düster aus. Vielleicht habe ich Mirithron´s Sorgen nicht nur ab- sondern übernommen. Irgendwie wird´s schon weitergehen, schließlich habe ich vor, irgendwann mal Hundertjährige als junge Leute bezeichnen zu können. Bis jetzt sind wir noch aus jeder Klemme ohne Verluste herausgekommen.
Was schreibe ich da eigentlich ? Zweckoptimismus, im Moment habe ich Bauch- und Kopfschmerzen, eventuell eine Erinnerung an meine Lungenentzündung, wahrscheinlicher aber die Angst vor dem Kampf. Ich denke halt zuviel. Wo andere zufrieden sind und glücklich dahinleben, finde ich immer noch einen Stein zum umdrehen.
So wie die Sache jetzt aussieht, hat Mirithron wohl doch recht. Unsere Reise wird immer knapper und enger, von Mal zu Mal entwischen wir den Verfolgern mit größerer Mühe. Während ich von einer Zukunft gesprochen habe, hat er die Realität gesehen. Vielleicht kommen wir hier noch mal raus, aber was dann ? Früher oder später ist jede Glückssträhne zu Ende. Tja, da heißt es wohl Würde bewahren und die anderen nichts merken lassen. Auch wenn es jetzt schon vorbei ist für die, die Augen zum sehen haben, so können wir es der Gegenseite doch möglichst schwer machen.
Etwas von einem Krieger ist wohl auch in mir. Man hat zwei Möglichkeiten, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht : Aufgeben und um sein Leben betteln, oder Lachen und es so teuer wie möglich verkaufen. So braucht das Ganze gar keinen Sinn zu haben. Trotz und Stolz lassen einen weitermachen. Schön wär's gewesen, eine Welt der Elfen mit Sonne und Freiheit. Statt dessen bleibt alles beim alten. Die Nachricht, daß der Partisanentrupp endlich unschädlich gemacht worden ist, wird wohl keinen groß interessieren. Und daß irgendwo ein kleiner Priester aufgeknüpft wurde, wird wohl nur für mich einen Unterschied machen. Wenigstens lasse ich keinen zurück, der deshalb trauern würde.
Bis dahin könnte/sollte ich mir einen neuen Zeitvertreib zulegen, den Galgenhumor ! Schließlich sollte man ja in alles und jedem auch die positive Seite sehen. Jetzt muß ich Schluß machen, ein paar Schwarzgardisten und der Magier werden auf jeden Fall vor mir abtreten.


Den Magier haben wir geschafft und wir sind draußen aus Cantor- mit der Erde, die irgendwie Aarons Reste enthält. Im Moment sind wir auf einem kleinen Fischerboot. Wir treffen uns mit Beowulf in Nufringen oder früher oder nie. Der Kampf hat meine Befürchtungen noch übertroffen. Aufgrund seiner Macht und Gefährlichkeit blieb uns nichts anderes übrig, als den Schwarzmagier aus dem Hinterhalt zu massakrieren.
Sein Sterben war ein unnatürlicher Tanz aus Blut und Fleisch. Conan rammte sein Schwert quer durch ihn und Maija hat ihm den Kopf eingeschlagen. Mirithron hat seinen Kopf abgeschnitten und mitgenommen wobei ich Maija ablenkte. Angeblich sollen diese Schwarzmagier neun Leben haben. Mal sehen, wie es dem Bastard ohne Kopf gefällt. Das Fleisch samt Hirn haben wir verbrannt, die Knochen ins Meer geworden.
Die ganze Sache zeigt, daß am Krieg nichts ehren- oder würdevolles ist. Im Gegenteil, es ist dreckig und schmutzig, geradezu eklig, wenn es zum Sterben kommt. Die Geräusche, wie Mirithron den Kopf in handliche Scheibchen zerschnitten hat, damit er in den Ofen paßt, werde ich so schnell nicht vergessen. Hingeschaut hab ich nicht.
Maija hat die ganze Sache nicht so gut verkraftet. Sie wollte, daß wir den Magier nur überwältigen, nicht töten. Ein edles Ansinnen, das leider jeder Grundlage in unserer Position entbehrte. Im Streß vor dem Kampf und in der Zeitnot ist so manches hartes Wort gefallen. Wie gesagt, es ging um das entweder- oder. Zeit für eine verständnisvolle Würdigung von Maias Meinung und ihren Gefühlen war da nicht.
Ob das ganze noch nachträglich zu reparieren ist ? Ich hab da so meine Zweifel. Wir alle haben das Monster in uns gefühlt und unsere dunkle Seite erlebt. Einmal losgelassen von den Ketten der Vernunft tun sich Abgründe auf und die dünne Tünche der Zivilisation bröckelt ab. Ist es wirklich so, daß das wirkliche Gute sich nie des Bösen bedient ? Falls die Antwort ja ist, dann verstehe ich die Welt noch weniger als ich dachte. Auf jeden Fall sägen wir weiterhin eifrig an dem Ast auf dem wir sitzen, wobei der Baum an sich sowieso gerade abbrennt. Auf den Fahndungslisten dürften wir bestimmt befördert worden sein.
Insgeheim habe ich immer noch die Befürchtung, daß die Kaiserin eine Spezialtruppe hat. Kleiner, aber kompetenter und gefährlicher wie die Schwarzgardisten und nicht unbedingt Menschen. Die Bekanntschaft mit diesen Wesen möchte ich im Idealfall bis in die Unendlichkeit hinausschieben. Vielleicht brauchen wir auch gar keine Feinde mehr. Die Grenzen der Belastung sind bei mir erreicht ( bei Maija überschritten ? ).
Allein Mirithron hat die Sache durchgezogen. Conan, als Krieger sicherlich mit dem Tod in allen Variationen vertraut, ist auch eine große Stütze. Ich selbst habe mich verändert. Ob zum guten oder zum schlechten, muß ich erst noch herausfinden. Eins ist so sicher wie der tägliche Nebel, so wie früher wird es nie wieder werden.


Liebes Tagebuch, jetzt bin ich doch noch zu meiner ersten Schiffsreise gekommen. Auf einem Boot, zumindest auf einem eher kleinem, bekommt man gezwungener Maßen alles mit. Maija hatte tatsächlich einen Schock, Alfred ein Seetrauma und sogar Conan war wegen irgend etwas eingeschnappt.
Alfred haben Mirithron und meine Wenigkeit kuriert. Auf einfache aber geniale Weise : Mirithron hat ihm eine Medizin angedreht die in Wirklichkeit schnödes Brot ist. Ich stand im Hintergrund und hab einen Zauber gewirkt der sein Selbstvertrauen stärkt. Der Glaube an die Medizin und mein Zauber zusammen haben geholfen. Zum Glück hat Alfred nicht gemerkt, daß ich ihn bezaubert habe. Nach dem Hypnoseerlebnis mit Mirithron dürfte seine Abneigung gegen Magie sich etwa quadriert haben. Als Zwerg hätte Alfred sich bestimmt schon aus Prinzip gegen den Zauber bis zum letzten Barthaar gewehrt. Ein schönes Gefühl auf jeden Fall, helfen zu können.
Mit Maija war das schon schwieriger. Zuerst hat sie mit niemanden gesprochen und nur in die Gegend gestarrt. Mirithron konnte ihr auch nicht helfen. Ich hab schließlich etwas zu Essen geholt und mich zu Maija gesetzt. Dann hab ich ihr gut zugeredet und einen Segen auf sie gewirkt. Gegessen hat sie nichts, aber wenigstens reagiert. Anschließend hat sie sich an den Bug zurückgezogen, um, wie ich annehme, über das Geschehene sich klar zu werden.
Dann sind natürlich Mirithron und Maija aneinandergeraten. Mit der Liebe zwischen den Beiden ist es wohl aus. Wenn sie sagt, sie müsse ihre Gedanken sortieren und er doch sicherlich auch, oder sie sollten sich noch besser kennenlernen, dann ist es aus. Das habe ich höchstpersönlich ausprobiert und bestätigt gefunden.
Maija hat dann uns allen kundgetan, sie wolle den Menschen helfen und nicht weiter morden. Das hab ich so verstanden, daß sie mit uns nichts weiter zu tun haben will und bei der erst besten Gelegenheit sich dann absetzen wird. Zum Glück hab ich mich getraut, nachzufragen. Bei dem Schwarzmagier haben wir ja unterschiedliche Auffassungen über die Notwendigkeit seines Todes, wobei ich nach wie vor zu meiner Meinung stehe. In einer solchen Situation wird Maija nicht nachgeben. Ansonsten hält sie aber zu uns und ich kann mich auf sie verlassen.
Komisch ist, was sie über unsere Reise gesagt hat. Das Ziel, zu den Elfen zu kommen, ist kein Selbstzweck. Die Reise an sich ist schon wichtig und nicht nur das Ergebnis. Wenn wir unterwegs etwas zum Guten verändern oder anderen helfen, zählt das nicht weniger, weil es vielleicht nur Mittel zum Zweck wäre, die Elfen zu erreichen. Das ist etwas, was mir schon die ganze Zeit klar ist und für mich auch selbstverständlich.
Lustig daran ist, daß Maija gar nicht wußte, das ich das genauso wie sie sehe. Irgendwie war mir halt, als ob es diesbezüglich ein Einverständnis geben würde, ich dachte halt, ich hätte das schon mal erwähnt. Na ja, besser spät als nie. Auf jeden Fall ist es schön, jemanden zu kennen, der die Welt genauso oder zumindest ähnlich sieht. Wenn ich vor kurzem fast aufgegeben hab und beinahe zum Zyniker geworden wäre, so hab ich auf der Schiffsreise meinen Mut und meine Hoffnung wiedergefunden.


Während die anderen gepennt haben war ich in der Nacht oben an Deck. Irgend etwas hat mich geweckt. Es kommt sehr selten vor, daß ich träume. Manche sagen, jeder träumt, nur nicht alle erinnern sich im Wachbewußtsein daran. Daran mag etwas sein, die einzigen Male, das ich mich an Träume erinnern kann, sind entweder die äußerst intensiver ( Alpträume dann ), oder wenn ich aus dem Schlaf hochschrecke.
Im dieser Nacht war dem so. Im Traum hatte ich einen Streit mit Mirithron von schon monumentalen Ausmaßen. Worum es genau ging, weiß ich nicht mehr, nur das ich absolut im Recht war. Gleichzeitig hab ich aber gesehen, warum Mirithrons Standpunkt für ihn absolut einleuchtend und logisch war. Etwas, was eigentlich unmöglich ist, entweder sind meine oder aber seine Gründe logisch. Wie dem auch sei, ich beharrte auf meiner Meinung und Mirithron ist total ausgeflippt. Sein Zorn auf mich hatte göttliche Dimensionen und hätte Welten vernichten können.
Ich glaub, am wütendsten war er darauf, das er mich nicht umbringen konnte, da ich ja dann nicht mehr hätte einsehen können, daß er Recht hat. Das Ende habe ich leider nicht mitbekommen, da ich vorher aufgewacht bin.
Ich habe vollstes Verständnis für mein Unterbewußtsein, meinen Wachbewußtsein in der Regel so einen beunruhigenden Unsinn nicht mitzuteilen. An Deck dann war ich allein. Zuerst allein auf dem Schiff, dann allein auf der Welt. Nur noch ich und das Meer waren da. Zum Anfang waren die Größenverhältnisse noch normal. Ich in der Mitte und rundherum das Meer bis zum Horizont.
Dann fing das Meer an zu wachsen. Das beunruhigende dabei, es hörte nicht auf damit ! Schließlich war in jede Richtung nur noch Äonen von Nichts und ich hatte gar keine meßbare Größe mehr. Mein ganzes Bewußtsein war auf einen logischen Punkt beschränkt in einer im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlosen Weite. Meine Freunde, das Schiff, ja sogar das Meer, einfach jeder Bezugspunkt waren verschwunden. Ein Gefühl, das ich meinen schlimmsten Feinden nicht wünsche. Hätte ich mich in diesem Zustand umbringen können, ich hätt´s sofort und ohne zu zögern getan. Wär irgend jemand - und sei es die Kaiserin - vorbeigekommen, ich wäre ihm um den Hals gefallen.
Schließlich bin ich aufgewacht - zum zweiten Mal. Ich hasse diese Träume im Traum. Verständlicherweise ist man dann der Realität gegenüber mißtrauisch, wer weiß schon, wie weit so eine Schachtelung gehen kann. Außerdem gefällt mir nicht, daß ich tatsächlich an Deck war. Schlafwandeln kann gerade auf einem kleinen Schiff sehr unpraktisch sein und in einem unfreiwilligen nassen Begräbnis enden.
Was will mir die ganze Sache jetzt sagen ? Nun, KEINE AHNUNG ! Von Träumen im allgemeinen und Traumdeutern um besonderen habe ich keine sonderlich hohe Meinung. Das einzige was ich aus Erfahrung weiß ist, daß Träume, an die ich hinterher erinnere, ein Anzeichen für Streß sind. Mehr als die ganze Sache zur Kenntnis zu nehmen und möglichst schnell ad acta zu legen kann ich nicht machen. In diesem Sinne angenehmen Nachtruhe, ich gehe jetzt wieder runter zum Schlafen.


Wir sind leider immer noch eingeschifft. Meine Vorliebe für Schiffsreisen ist inzwischen in einem nicht unerheblichen Ausmaß gesunken. Besonders seit gestern. Wir sind eine Art Händlern begegnet. Äußerst dynamische Jungunternehmer die meist ein aufstrebendes Projekt führen im einem hart umkämpften, risiko- aber auch profitreichen Wirtschaftszweig. Sie sind keinem Geschäft abgeneigt und handeln mit alles und jedem. Sie haben viele Namen. Halsabschneider, Schrecken der Meere, Freibeuter, Händler, schwarze Teufel, Gesetzlose, Raub- und/oder Mordgesindel, Geißel oder einfach die Würgehand am Hals des freien Fernhandels. Ich für meine Wenigkeit bediene mich des Fachausdruckes Piraten.
Wie dem auch sei, sie wollten jedenfalls mit uns Handel treiben. Da die Zahlungsmodalitäten sehr einseitig sein sollen ( angeblich gilt es als äußerst unschicklich in der Piratenbranche einen Gegenwert für eine erhaltene Ware zu entrichten ) haben wir lieber gleich ein Geschäft dankend abgelehnt und versucht den Piraten etwas gutes zu tun. Denn nur ein toter Pirat ist ein guter Pirat. Diejenigen welchen waren irgendwie eingeschnappt und versuchten unser Schiff in Brand zu setzen. Ein höchst unliebenswertes Benehmen. Vor allem wenn man bedenkt, das wir unser Schiff ja noch brachen, um nach Nufringen zu segeln und das adäquater Ersatz gerade mitten auf dem Meer so schwer zu bekommen ist. Am Ende brannte ihr Schiff auch.
Die anderen haben leider nicht zugelassen, das Feuer ausreichend anzuschüren. Wenn ich es könnte, hätte ich ein Feuerelementar auf ihr Schiff beschworen. Wahrscheinlich hätte ich sehr schnell die Kontrolle über das Wesen verloren. Besonders wenn es merkt, daß es auf einem Holzschiff auf dem Meer ist. Es wäre bestimmt total ausgeflippt. Ich wette jeden Betrag, daß keiner der Piraten ertrunken wäre oder zumindest kein Pirat in einem Stück.
Aber solche herzerfrischenden kleinen Späßchen sind den Großen meines Ordens vorbehalten. Kleine Priester mit weniger als 100 Jahren Erfahrung dürfen keine Elementare beschwören. Dies hat zumindest mein Meister gesagt. Die Piraten sind gerade recht gekommen, um mich etwas von den morbiden Affären, welche den Rest meiner Gefährten umtreibt, abzulenken.
Ich hatte sogar schon ein Schweigegelübde abgelegt, um auf andere Gedanken zu kommen. Den anderen ist dies natürlich nicht aufgefallen, da ich meistens eh nicht an den Besprechungen teilnehme. Man muß ja nicht unproduktive Beratungen über selbst den Belanglosesten Mist auch noch unterstützen. Der Kampf mit den Händlern ist leider dazwischengekommen. Ohne Worte kein Efforte, wie mein Meister immer zu sagen pflegte.
Na ja, in spätestens drei oder schlimmstenfalls acht Jahren sollte auch diese schöne Kreuzfahrt ihrem Ende zugehen. Wenn es noch sehr lange dauert, dann werde ich am Ende wohlmöglich noch glücklicher als Alfred sein, meine Füße wieder festen Boden betreten zu lassen. Geduld ist eine Tugend. Eine Tugend ist etwas, was man anstreben sollte um es hoffentlich im hohen Alter zu erreichen. Ergo mangelt es daran in der Jugend, insbesondere jetzt gerade.


Schiffsreise und kein Ende in Sicht. Ich spiele mit dem Gedanken, mein Tagebuch mit einem Schutzzauber zu versehen. Das Problem ist den richtigen zu finden. Eine bloße Selbstvernichtung des Papiers wäre ideal. Schließlich möchte ich nicht, das zum Beispiel Maija der Kopf abgerissen wird. Bis jetzt hat auf jeden Fall noch keiner gemerkt, das ich ab- und zu schriftliche Aufzeichnungen anfertige. Manchmal ein Vorteil nicht für der Allerhellsten gehalten zu werden.
Später, also wirklich später, nach dem ich die Welt gesehen, den Elfen geholfen, einen Drachen besiegt und die Kaiserin abgesetzt habe, möchte ich ein Haus haben. Nicht in der Stadt, sondern auf einem Bergrücken über der Stadt. Nichts aufregendes, kein Palast. Also nur eine Eingangshalle, am besten Zweigeschossig um einen Innenhof angelegt.
Ich möchte mindestens fünf Kinder mit meiner Frau haben. Wenn man das Haus selbst baut, oder besser bauen läßt, macht das Planen und Aussuchen am meisten Spaß. Man kann sich auf die skurrilsten Vorschläge und Ansichten schon jetzt einstellen, wenn man seine Frau mitreden läßt. Aber schließlich soll das Haus beiden gefallen und wenn wir dann etwas so überflüssiges wie ein Ankleidezimmer haben, soll mir das auch recht sein.
Machmal frage ich mich, was die anderen denken, für sich erwarten oder sich wünschen. Soweit ich das sehe, ist bisher jedes Gespräch von mir ausgegangen und das selten genug. Wenn die anderen sich unterhalten, dann erstens nicht mit mir und zweitens immer nur über strategische Sachen und die Reise und so. Alles beschränkt sich auf Lagebesprechungen, sozusagen. Gespräche müssen immer bedeutungsschwer und aussagereich sein. So etwas wie Plaudern oder Schwatzen kennen die gar nicht.
Und es ist nicht etwa so, daß dafür keine Gelegenheit wäre. Wir sind nicht ständig auf der Flucht und im Einsatz, es gibt auch Freiräume. Manchmal bin ich versucht nachzuschauen, was für eine Art Blut durch die anderen fließt. Vielleicht bin ich der einzige Mensch in der Gruppe ?
Dann wieder macht es doch Spaß wenn einer mal ins Erzählen kommt. Zumal man jedes Mal wieder merkt, was der Gegenüber denkt und ich meine Vorstellungen entsprechend korrigieren kann. ich weiß genau, das sich wahrscheinlich jeder auf die eine oder andere Art und Weise sich mir überlegen fühlt. Es mag jeder seine Probleme haben aber jeder steht noch über dem Priester. Warum das so ist, kann ich nicht genau sagen. Ich meine, das wir alle anders aber nicht besser oder schlechter, weniger oder mehr sind.
Es ist nicht so, das etwa einer herablassende Bemerkungen machen würde. Das ganze ist viel subtiler und grundlegender und erstreckt sich auf das gesamte Miteinander, nein, richtigerweise vielmehr Nebeneinander. Aber schließlich kennen wir uns auch erst kurze Zeit. Vielleicht braucht das ganze einfach Zeit. Auf jeden Fall bin ich keinem deswegen böse oder achte sie deswegen geringer. Wahrscheinlich hilft sogar das Gefühl und der Glaube nicht ganz unten zu stehen. Solange ich selbst nicht genauso werde, ist für mich die Sache in Ordnung.


Ich habe dieses Gedicht in einem alten Buch gefunden und irgendwie hat es mich berührt.

Ein Gedicht

Du liest das Buch, Du wendest die Seiten,
Das Licht der Erleuchtung berührt Deinen Geist.
Nichts ist so, wie vermutet.
Am Horizont
Ist eine neue Welt zu begreifen.
Nichts ist wichtiger, kann so wenig warten.
Nichts ist zärtlicher, zerbrechlicher
Und so kostbar.

Dann zerfällt die Erinnerung.

Zurück bleibt ein schwacher Abglanz,
Eine vage Idee der Farbenpracht,
Das Wissen um etwas Großes,
Ein zerrissenes Gespinst,
Konturen eines Werkes,
Das im Morast des Alltags
Versinkt.

Verfasser unbekannt.

Ich stelle mir dabei einen großen Gelehrten vor, der vielleicht im Traum oder dem merkwürdigen Bereich zwischen Wachen und Schlafen eine große Einsicht erhalten hat, sich aber beim Aufwachen nicht mehr an den wesentlichen Inhalt erinnern kann. Ein Glück bin ich kein Student der Wissenschaften. Ein solches Gefühl um etwas wirklich Großes gewußt zu haben um es dann wieder zu verlieren, würde mir wohl wirklich stinken.


Man glaubt es kaum, wir sind immer noch auf dem Schiff. Regis, ich und Mirithron haben die beiden gefangenen Piraten verhört. Viel wissen sie nicht über die Elfen, nur das diese ab und zu mit den Piraten zusammenarbeiten. Wir haben vorläufig beschlossen, die Piraten nicht hinzurichten.
Heute morgen hat Mirithron mich geweckt, mir auf die Schulter getippt und mich gebeten, als Vermittler zwischen ihm und Maija aufzutreten. Vor Schreck bin ich gleich erstmal liegengeblieben. Zum einen freut es mich riesig, das ich für Mirithron ein so guter Freund bin, das er mir solche Dinge anvertraut und mit mir teilt. Zum anderen sehe ich keine Hoffnung für eine derartige Vermittlung. Wenn beide persönlich nicht miteinander auskommen, wie kann dann ich als Außenstehender helfen ? Außerdem, wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich wirklich wollen, das die Beiden wieder zusammenfinden ?
Eine prekäre Situation. Ich bin zwischen zwei Lager geraten, ganz ohne eigenes Dazutun und soll jetzt anscheinend den unparteiischen Schiedsrichter darstellen, da ich mich ja außer Essen und Unsinn anstellen eh nichts interessiert.
Na, ja. Apropo Essen, in letzter Zeit habe ich bestimmt 10 kg abgenommen. Wenn das so weiter geht, werde ich noch zu einem dürren Wicht wie Jaffez, und keiner nimmt mir mehr ab, ein Priester zu sein.


Die Sonne scheint, eine leichte Brise geht und das Schiff wiegt sich in den Wellen. Auch nur der Gedanke an Arbeit liegt im Moment in angenehmer Ferne. Es mag sein, daß eine Schiffsreise nach allem doch noch angenehme Seiten hat. Zeit, um sich meiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen, dem philosophieren.
Zum Beispiel Glück und Zufriedenheit. In wie weit bin ich dafür verantwortlich ? Vergleiche ich mein Leben mit Mirithrons, sollte man doch meinen, es ginge mir blendend. Mußte ich etwa mein Dasein als Sklave fristen ? Oder trage ich die Last auf meinem Gewissen einen Wehrlosen getötet zu haben ?
Und doch habe ich das Gefühl, es fehlt etwas. Ich lebe nicht in einer wohlgeordneten Welt. Ich lebe nicht, sondern warte. Auf was kann ich leider nicht genau sagen. Ich hab nur manchmal das Gefühl, es müßte etwas passieren. Das Gefühl man möchte jemand anderes mit besonderen Fähigkeiten sein, geht in eine ähnliche Richtung.
Wie es wohl wäre, Gedanken lesen zu können. Einem Blinden Farben erklären zu wollen, ist wohl genauso aussichtsreich wie die Beantwortung dieser Frage. Oder Musik. Mancher mag seine Erfüllung in der Kunst finden. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß meine Bestimmung sich darauf beschränkt, ein möglichst guter Priester zu werden. Es ist zwar nett heilen und helfen zu können, aber mehr auch nicht.
Sollte ich meine Priesterlaufbahn überdenken ? Aber was dann ? So etwas dämliches wie Kämpfer ? Oder Druide ? Es wäre bestimmt nett, ein erfolgreicher Dieb zu sein. Gefällt einem etwas, nimmt man es sich. Wenn der Besitzer das nicht merkt, will er es wahrscheinlich loswerden, da er ja nicht gebührend aufpaßt.
Je mehr ich überlege...Ein Priester besitzt Vertrauen, kann Leute beeinflussen...der perfekte Dieb. Dabei müßte man natürlich im Idealfall cool und kaltschnäuzig sein. Ein Folterknecht ärgert mich ? Das hätte dann einschneidende Konsequenzen für ihn. Ein Magier könnte mir gefährlich werden ? Kopf ab. Aber leider, leider...Ich bin nur der kleine Don Bosco mit all seinen Bedenken und Skrupeln. Ich würde nie die nötige Ruchlosigkeit aufbringen. Mein Gewissen würde mir wohl im Weg stehen. Außerdem so ziemlich jede Regel meines Ordens. Schade.
Auch die Art und Weise wie andere mich sehen hätte dazu gepaßt. Wer würde schon im dummen und harmlosen Priester Bosco eine Gefahr sehen ? Aber genug jetzt. Ich glaube kaum, daß die anderen auf mich warten würden, falls ich unterwegs eine Stadtkasse ausräumen möchte.
Auf uns warten altruistische Taten welche gleichsam eine Allegorie des Guten auf dieser Welt verkörpern. Unser Lohn wird nicht Gold, Reichtum oder Ehre sondern das Gefühl ganz für einen allein sein, sich selbstlos für eine Sache hingegeben zu haben. Ich hoffe, das hinter der Ironie dieser Zeilen auch ein wahrer Kern steckt.


Gute Neuigkeiten habe ich leider nicht. Mirithron hat einen Selbstmordversuch begangen. Da wir auf einem kleinen Schiff zusammengedrängt leben, meine ich, einen ziemlich umfassenden Überblick über die Zusammenhänge und Hintergründe zu haben. Als erstes muß ich mich über Dalmin aufregen. Er steckt voller guter Absichten und richtet dabei jede Menge Schaden an. Angefangen hat das schon, wie er Mirithron das Segeln beibringen wollte. Mirithron für so blöd zu halten, daß er nicht merkt, daß er aus Mitleid, abgelenkt werden soll, ist selbst reichlich blöd. Dann diese unglaubliche Geschichte mit dem Windstoß. Damit hat sich Dalmin um ein Haar selbst umgebracht. Ich meine, es war dunkel, kurz nach dem Drama zwischen Mirithron und Maija erzählt eine offensichtliche Lügengeschichte. Dabei steht er allein auf Deck und Mirithron ist über Bord gegangen. In der ersten Verwirrung dacht ich tatsächlich, Dalmin hätte Mirithron versucht umzubringen. Zum Glück für ihn ist er ein so miserabler Lügner, daß es sich schnell aufgeklärt hat. Wenn ich tatsächlich geglaubt hätte, Dalmin wolle Mirithron was antun... Es ist klar, auf welcher Seite meine Sympathien stehen. Und schließlich Dalmins Vorwürfe gegenüber Maija. Viel plumper und direkter Maija die Schuld an dem Vorgefallenen anzulasten, dürfte wohl sehr schwierig werden. Vielleicht wird es nötig, Dalmin irgendwann in seine Schranken zu verweisen. Die Überheblichkeit mit der er sich in alles und jedes einmischt, brauchen wir uns nicht gefallen zu lassen. Aber zurück zu den Gründen und Ursachen der Beinahekatastrophe. Heute Nacht habe ich einen Teil des Gespräches zwischen Maija und Mirithron überhört. Ein großes Rätsel ist damit geklärt. Ich habe richtig gemerkt, wie die Zahnräder bei mir geknirscht haben, und hätte mir am liebsten vor den Kopf geschlagen, als ich es endlich kapiert habe. Maija hat immer wieder gesagt, Mirithron müsse sich selbst finden. Sich selbst finden ist eine Redewendung, eine hohle Phrase, ein Modewort, das alles und nichts bedeuten kann. Und genauso muß Mirithron es verstanden haben. Ich weiß jetzt, was in diesem Fall gemeint ist. Es war die ganze Zeit vor meinen Augen und trotzdem sehe ich es erst jetzt. Mag sein, weil es so zutreffend auf Mirithron paßt.
Was ist es ? Nun, Mirithron muß erkennen, wie viele Qualtiäten und Vorzüge er hat. Kurz, Selbstbewußtsein und Stolz auf sich selbst entwickeln. Sich selbst finden im Sinne von Selbstachtung. Und das ist auch ein gangbarer Weg. Es gibt viele Dinge, auf die Mirithron mit Recht Stolz sein darf. Wie oft hat er uns allen schon aus der Klemme geholfen ? Und er hatte letztendlich den Schneid, den Kopf des Magiers zu beseitigen ? Aber bisher hat das jeder von uns als selbstverständlich in Anspruch genommen. Mirithron, kannst du mal seinen Gedanken überprüfen ? Na gut, erhol dich, aber schnell ! Ich brauche Mirithron gar keine großen Vorträge über das Leben zu halten. Es reicht schon, wenn ich das anerkenne, und würdige, was er für uns tut und ihm das auch ehrlich sage.
Mirithron ist die eine Hälfte des Dramas, Maija die andere. Nach Dalmins Meinung hat Mirithron versucht sich umzubringen, um es Maija heim zu zahlen. Er hat sich Sorgen um Maija gemacht nach dem Kampf mit dem Magier, jetzt soll Maija sich Sorgen um ihn machen. Nach seiner Meinung ist das ganze ein Schrei nach Hilfe. Mirithron wollte sich nicht in letzter Konsequenz umbringen, sondern auf seine Lage aufmerksam machen. Die ist im Moment so verzweifelt, daß es sogar sein Leben riskiert, um da wieder heraus zu kommen. Ist jetzt Maija an allem schuld? Hat sie Mirithron durch ihr herzloses Verhalten in die Enge getrieben, wie Dalmin meint ? Ich denke nicht. Die letzte Konsequenz hat Mirithron gezogen und die was für andere nicht vorhersehbar. Ich befürchte aber, daß Dalmins Standpunkt der populärere ist. Es ist immer einfacher auf jemanden zeigen zu können, wenn etwas schlimmes passiert ist. Die Anklage lenkt so bequem von den eigenen Versäumnissen ab. Das beste was uns jetzt allen passieren kann, ist, daß diese Schiffsfahrt möglichst bald vorüber ist. Nicht nur die Zeit heilt Wunden, sondern auch eine räumliche Veränderung kann helfen. Ein Tapetenwechsel, sozusagen. Das ganze , was jetzt passiert ist, ist nicht nur eine Tragödie und eine Katastrophe, sondern auch einen Gelegenheit. Eine Chance es besser zu machen und vom Geschehenen zu lernen.


Ich habe mich entschlossen, Mirithron einen Brief zu schreiben. Das ist auf jeden Fall sicherer als sich in ein Gespräch mit ihm zu wagen. Dabei bin ich bisher noch jedesmal durcheinandergekommen. Ich hoffe, er versteht mich.

Lieber Mirithron,
ich habe mir sehr lange und ausführlich überlegt, ob ich dir diese Zeilen hier gebe oder nicht. Versuch bitte nicht darüber ein Gespräch zu führen. Ich habe das geschriebene Wort mit Bedacht gewählt, da es mir leichter fällt, meine Gedanken niederzuschreiben, als diese im Gespräch zu entwickeln, zu vertreten und, am wichtigsten, zu vermitteln.
Du hast mich gebeten, zwischen Dir und Maija zu vermitteln. Ich habe mich entschlossen, dies nicht zu tun. Weil ich Dich sehr schätze und achte, bin ich auch bereit, das wie und warum zu erklären, etwas, das mir bestimmt nicht leicht fällt.
Meine Gedanken sind in etwa in eine Myriade verschiedener Richtungen geschossen, nachdem Du mich um diesen Dienst gebeten hattest. Zu Deiner Beziehung mit Maija möchte ich nichts sagen, da ich mir ein Urteil darüber nicht anmaßen möchte. Folgende Überlegungen haben mich bewegt. Kann ich denn erfolgreich als Vermittler auftreten, wenn ich doch im eigenen Herzen nicht an den Erfolg glaube ? Der einfache Weg wäre es gewesen, meinen Dienst pro forma zu erweisen, erwartungsgemäß zu scheitern und Dir dies dann bedauernd mitzuteilen.
Der schwere Weg ist es, ehrlich Dir gegenüber zu sein und mein Unvermögen zuzugeben. Ich meine, das Du es wert bist, den schweren Weg zu gehen.
Von Anfang an hast Du mich beschäftigt und interessiert. Nach langen Zögern schreibe ich das Gedicht doch dazu. Ich habe es vor einiger Zeit geschrieben. Auf diesem verdammten Boot hat man ja auch viel Zeit dazu. Ich hoffe, das Du Gedichte schreiben nicht als einen unnützen Zeitvertreib siehst, oder als etwas unmännliches und schwächliches. Manchmal können sie mehr sagen als der längste und ausführlichste Brief.
Mirithron

Den Blick gesenkt, dem Herren folgend,
so hab ich ihn kennengelernt.
Die Fesseln gesprengt, dem Herren abgeschworen,
so sind wir gemeinsam aufgebrochen.
Stolz und Unverwundbar
schien er mir.
Ein Ziel vor Augen
und seine Frau an der Seite,
so ist er mit mir gewandert.
Die Taten getan,
das Reden den anderen überlassend,
so hat er gehandelt.

Das Ziel aus den Augen verloren,
von Liebe und Glück verlassen,
so ist er Stück um Stück
zerbrochen.
Kämpfend und sich wehrend,
so ist er untergegangen.
Hoffnung war da nicht,
still und leise,
so wollte er abtreten.

Da wo das Ende sein sollte
ist jetzt ein Anfang.
Mit der Gnade des Vergessens
wurde er nicht bedacht.
Mit Würde und Stolz,
so werd ich mit ihm weitergehen.

Wenn Du dich entschließen solltest, den Kampf noch einmal aufzunehmen, dann bin ich dabei. Ich glaube, das unser Weg viel mehr als nur eine Abzweigung oder Sackgasse bereithält. Solange man den Mut hat auch Umwege zu gehen, wird es auch weitergehen.
Don Bosco


Ich werde jetzt zu dem ganzem Mist kein weiteres Wort verlieren bis auf das folgende. Möge mein Gott mir gnädig sein und mich einstmals wieder feste Erde betreten lassen.


Auf See


Man sagt das Meer,
Wellen,
Abgrundblau bis Todesblau,
Wind,
Kaltblau und Stahlblau,
Wogen,
Tiefblau oder Glasgrün,
und Weite
Hellblau bis durchsichtig,
verändere
den Menschen.


Man sagt das Meer,
denn nur,
wenn es ihm gefalle,
sei es freundlich und zärtlich,
gebe frei
und lasse ziehen,
Töricht
es dafür zu lieben,
zu grundlos für Erbarmen,
zu tief
für Gnade,
umschließe.

Man sagt sogar
die Zeit,
die Tage glichen sich
und Unterschiede
verwischten,
der Horizont verspotte einen
in seiner Unerreichbarkeit,
Bewegung werde zur Illusion,
ordne sich
der Dimension des Meeres
unter.


Der Wandel,
die Abwechslung,
das bunte Leben
ist einem genommen.
Die eigene Person
drängt ins Bewußtsein.
Aggression und Konflikt
treten hervor,
der Raum zum Ausweichen
fehlt.

Gefühle brechen auf :
Eitergelb und Ekellila,
Zwietracht und Eifersucht,
Zornesrot und Dumpfschwarz,
Sturmwut und brennender Haß
mischen sich mit
Hoffnungsgrün und Kummergrau,
Liebe entsteht,
und vergeht.


So sagt man,
aber unser Schiff
lebt,
es atmet das Meer,
sein Holz stöhnt
im rhythmischen Wiegen.
Mag es auch
- wie wir Menschen -
sterben.


Ich erinnere mich noch gut an ein Gebet, welches ich als junger Schüler Aton gerichtet habe. Es ging ungefähr folgendermaßen :

Ich glaube an dich
Den Herrscher des Himmels über der Erde
Dich zu preisen
Oh Aton
Will ich meinen Reichtum mehren
Du wärmst mich
Gebietest über die Zeit
Die Nacht muß deinem Antlitz weichen
Ich will den Schwachen helfen
Und das Böse zerdrücken
Bedecke mich mit Schande und Tod
Falls ich jemals fehlen sollte
Steh mir bei
Oh Aton
Und halte deine schützende Hand über mich
Tu es nicht
Und ich helfe mir selbst
Dann zur Hölle mit dir.

Damals wie heute habe ich ein eher zwiespältiges Verhältnis zu Aton. Wahr genug, hat er mich bis zum heutigen Tag nie enttäuscht. Oft habe ich ihn dafür in meine Gebete eingeschlossen. Und doch fehlt mir bis heute die bedingungslose Hingabe, das Vermögen rückhaltlos auf ihn zu Vertrauen. Nach dem, was mein Meister angedeutet hat und was ich bei der Auslegung der Schriften erfahren habe, ist eine derartige Hingabe auch keineswegs eine der grundlegenden Merkmale meines Ordens.
Ob ich jetzt zum Priester bestimmt bin oder nicht. Ich werde auf jeden Fall immer ein Priester bleiben, auch wenn mir ein anderer Weg bestimmt sein mag. Nach außen hin besteht eh kein Unterschied. Meine Gebete verrichte ich im Stillen und der Abgeschiedenheit, von anderen unbemerkt. Es liegt Aton nicht, das mit ihm angegeben und er herum gezeigt werde. Die anderen wissen noch nicht einmal welchem Gott ich eigentlich folge. Ein bemerkenswerter Mangel an Wißbegierde. Ob ich mich dem Totenreich, dem Guten oder Bösen, dem Chaos oder einem Dämonen verschrieben habe, interessiert keinen.
Gut für sie, daß ich ihnen keineswegs etwas antun will, geschweige denn muß. Aton verlangt nicht nach zuckenden Herzen oder blutigen Mitternachtsmessen. Ich bin nur gehalten, denen, die mir am Herzen liegen, beizustehen und diese nach besten Vermögen zu helfen und zu unterstützen. Eine Pflicht die ich gerne erfülle. Davon abgesehen steht es mir frei, das Beste aus meinem Leben zu machen.


Gestern war ein denkwürdiger Tag, vielleicht sogar der bemerkenswerteste überhaupt. Innerhalb von nicht einmal 5 Stunden hat sich mein Leben verändert. Wochenlang passiert nichts und dann überstürzen sich die Ereignisse.
Ich bin verliebt !! Querida Maija ! Ich bin also hin zu ihr und hab ihr meine Liebe gestanden. Dabei mußte ich die ganze Zeit an Mirithron denken. Ich bin mir wie ein Verräter vorgekommen und bin wohl letztendlich auch einer. Egal, Maija liebt mich und das ist es, was zählt.
Dabei hab ich übrigens erfahren, das Mirithron von Maija den Brief bekommen hat. Dazu hat Maija noch gesehen, wie ich Mirithron getröstet habe. Verbunden damit, das ich mich nicht getraut habe mit Maija zu sprechen, ergibt das dann insgesamt, das ich schwul bin. Wenigstens nach der Logik meiner Liebsten. Genau dieses hat sie Mirithron erzählt.
Einen Tag später muß ich Mirithron dann erzählen, daß ich Maija liebe. Schöner Mist. Er ist auch wie erwartet kreidebleich geworden. Ich hab eine unheimliche Angst gehabt. Mirithron gehört zu den Leuten, die unter Umständen nicht lange fackeln, wie er schon des öfteren bewiesen hat. Er hat es aber mit Fassung aufgenommen.
Ich bin immer noch ganz verwirrt. Ich möchte mein Licht keineswegs unter einen Scheffel stellen, aber das Maija meine Liebe erwidert, hab ich mir zwar geträumt, damit ernsthaft gerechnet jedoch nie. Manche Hindernisse pflegen so unüberwindbar zu sein wie gewisse Frauen. Hier hat mich mein Instinkt zum Glück völlig in die Irre geführt.
Was ist sonst noch so nebensächliches passiert ? Ach ja, wir haben endlich richtige Elfen getroffen. Ich muß sagen, ich bin doch ganz schön beeindruckt von ihnen. Wir dürfen, können, sollen, müssen, wer weiß das schon so genau, sie näher kennenlernen. Ich bin lieber mit Maija Kräuter sammeln gegangen.
Es ist alles in allem ein schöner Tag geworden, eine sehr wohltuender Gegensatz zu dieser grauenhaften Odyssee.
Was wird jetzt eigentlich in nächster Zeit auf und zukommen? Das klare Ziel ist uns erst einmal genommen. Die Elfen sind gefunden und nichts genaues weiß man nicht. Gut möglich, daß unsere Gruppe jetzt auseinanderfällt. Mirithron hat bestimmt die Schnauze voll von uns, Jaffez kümmert sich eh nur um seinen Ausbildung im Hokuspokusgewerbe, Dondolf und Alfred sind bereits weg, Lüsander auch, das ist allerdings leicht zu verkraften. Unsere Gruppe wird also unaufhaltsam kleiner, die Neuerwerbungen sind nicht immer einer Bereicherung, sie können sozusagen mit dem alten Kern nicht mithalten. Hat es unter den ersten kaum Vertrauen und Freundschaft gegeben, dann bestimmt nicht zu den Neuen. Conan-II ist eh nur unter Protest Mirithron's aufgenommen worden, Dalmin hat bereits ausführlich für Ärger und Streit gesorgt und Conan hält sich meistens zurück.
Nun ist also das äußere Ziel erreicht, das uns noch zusammengehalten hat. Aber man sollte dem ganzen auch nicht hinterher weinen. Nur das Mirithron gehen wird, ist traurig. Vielleicht treffe ich ihn später noch einmal. Wie klein die Welt doch ist, wie man zu sagen pflegt. Mag natürlich auch sein, daß die Elfen gar nicht erlauben, daß wir uns in alle vier Himmelsrichtungen verstreuen, mit unserem ganzen Wissen werden wir wahrscheinlich höflichst aufgefordert werden, in ihrer Nähe zu bleiben.


Ich bin ratlos. Die Erde wird nach Mondschein gebracht, und zwar von uns allen. Drei Wochen Bootsfahrt und noch mal so lang in den Bergen bedeutet dies. Die Berge sind mir im Moment egal, nur beim Gedanken an Schiffe wird mir schon übel. Eron und Thor spielen eine bedeutende Rolle bei den Elfen. Tor ist von seiner Freundin getrennt, da sein Vater die Verbindung nicht billigt. Genaues weiß ich aber nicht. Muß mal Maija fragen, Frauen wissen so etwas normalerweise bis in die letzten Einzelheiten. Anscheinend ist er Halbelfe und sie Elfin, oder umgekehrt, so daß die Lebenserwartung unterschiedlich ist. In der Tat ein Problem. Wenn Maija ein Bruchteil ihres Lebens hinter sich hat, werde ich bereits tot sein. Ach ja, Otist ist wieder aufgetaucht, und damit auch die fehlende Erde. Sein Geld hat er vergessen, was mir nur recht sein kann. In Mondschein wird es dann hoffentlich ein Wiedersehen mit Aaron geben. Die mächtigsten Magier sollen sich dort versammeln, um ihn wiederzubeleben.
Ansonsten hänge ich eher trüben Gedanken nach, ohne eigentlich einen rechten Grund dafür angeben zu können. Maija geht es auch nicht gerade prächtig. Die schläft viel und ist trotzdem nicht ganz auf dem Damm. Ich hoffe, daß es nichts ernstes ist. Morgen sehen wir weiter. In nächster Zeit werden die Einträge wohl weniger werden. Papier ist knapp und entsprechend kostbar. Es zu verschwenden mit meinen eher belanglosen und trübsinnigen Einträgen, wie in letzter Zeit, hat wenig Sinn. Mag sein, daß es mit in Mondschein besser gehen wird.


Wie es Schiffsreisen so an sich haben ist schlimmes passiert.
Nur das es diesmal nicht Mirithron oder Maija ist sondern ich selbst, den das Unglück getroffen hat. Maija ist zu mir gekommen, hat gesagt wir paßten nicht zueinander und peng. Ich konnte gar nichts sagen in dem Moment. Dann ist anscheinend eine Schwarzgardistin aus dem Meer gefischt worden. Das wußte ich zu dem Zeitpunkt nur, weil Mirithron mir den Befehl gegeben hatte, sofort zu dieser Zelle zu kommen, um nach ihr zu schauen. Ich war unten im Schiff weil ich einfach keinen sehen konnte. Sogar meiner Hilfspflicht als Priester bin ich nicht gefolgt.
Als ich dann doch helfen wollte, hab ich Maija in der Zelle getroffen. Ich war so überrascht und so aufgeregt, das ich sie geschlagen habe. Natürlich das beste, was ich in ihren Augen hätte tun können. Die Ohrfeige ist natürlich nicht Folge meiner Hilflosigkeit mit der Situation fertig zu werden, sondern Ausdruck meines niedrigen Charakters. Sie ist mir prompt hinterhergelaufen und hat auch entsprechendes in der Richtung gesagt, Feigling und so. Das ich sie wirklich liebe zählt jetzt nicht mehr. Für sie ist es anscheinend immer nur geben. Und wenn nicht genug rüber kommt, dann ist halt Schluß. Sie hat es zwar nicht für nötig gehalten, irgendwelche Gründe anzugeben, außer wir passen nicht zueinander aber sie hätte mir genauso gut ins Gesicht spucken können, um zu sagen was los ist.
Was mich ebenfalls getroffen hat ist das Verhalten von Mirithron. In dem Moment, wo ich wirklich seine Hilfe hätte brauchen können, war er nicht da. Anscheinend gibt es wichtigeres. Als er dann doch noch gekommen ist, kam mir das mehr wie ein Anstandsbesuch vor. Sozusagen um das notwendige zu klären, ob ich mich jetzt mit ihm duellieren wolle, ob ich sauer sei und ähnliches. Ich hab natürlich nichts derartiges gesagt und das würde ich auch nicht wollen.
Trotzdem ist es schon hart. Die Freundschaft die ich für Mirithron empfinde zählt gar nichts, auch nicht die Hilfe, die ich versucht habe, ihm zu geben. Das ist so nicht ganz richtig, sie bedeutet für mich eine Menge, ich meine nur, das sie nicht zurückkommt. Alles was ihm wichtig ist, sind seine Interessen. Ob ich etwa angreifen wolle oder mich rächen. Ein wohl naheliegender Gedanke, nachdem ich auch Frauen schlage. Ich hab mich damals wirklich um ihn bemüht. Wie kommt so etwas eigentlich? Ich habe mich bemüht, optimistisch zu sein und an andere zu glauben und hinterher stellt sich alles als Lüge heraus. Bin ich wirklich das Stück Dreck als das die anderen mich behandeln? Alles meine Schuld? Nicht gut genug für Maija? Nicht gut genug für Mirithron?
Das möchte ich nicht glauben und doch macht es keinen Unterschied, solange die anderen es nur glauben. Ich möchte mich jetzt auch nicht umbringen, in lebenslange Trauer verfallen oder als Eremit in die Wüste ziehen. Ganz im Gegenteil möchte ich leben, mich freuen und gut mit anderen auskommen, ja, sogar für jemanden da sein und ihn lieben. Das ist nur insofern schwierig, als das dazu immer zwei Seiten gehören. Wenn man von anderen als Fußabtreter benutzt wird, ist es nicht nur schwierig sondern unmöglich.
Tja, und wenn einer von ihnen dies hier lesen würde oder ich so etwas zur Sprache bringen würde, wäre es natürlich der perfekte Beweis für das beleidigte Kind, das die Schuld bei anderen sucht und sich nichts vernünftiges sagen läßt.
Aber was soll ich denn machen, genauer, besser machen? Noch nie war ich so ratlos und gleichzeitig in einer so ausweglosen und unauflösbaren Situation. Fragen kann ich nicht, zumindest wüßte ich im Moment keinen, der sich die Mühe mit mir machen würde, ich selbst weiß noch am wenigsten. Was ist, wenn ich keine Antwort finde?
Ich habe Angst, gleichsam mit einem Messer im Rücken oder nur mit einem Bein, als Gefühlskrüppel durch die Welt zu humpeln und alles und jedem zu mißtrauen. So will ich nicht werden, aber im Moment bin ich wirklich bei Null angelangt. Das, was ich bisher geglaubt und gehofft, vielleicht auch etwas gutgläubig naiv erwartet habe, ist in Stücke gerissen, in den Dreck geworfen, mit Füßen getreten und zerstört worden.
Irgendwo gibt es auch dafür eine Antwort, diese zu suchen gilt es jetzt. Ich hoffe, das ich nicht zwischenzeitlich zerbreche oder zusammenfalle an der Leere die es zu füllen gilt. Auf der Strecke bleiben will ich nicht.


Zwischenzeitlich habe ich anscheinend gründlich den Kontakt zu meiner Umwelt verloren. Was um mich herum alles vorgeht vermag ich gar nicht oder doch nur unvollständig wiedergeben.
Viele neue Gestalten sind hinzugekommen. Casmir, ein Wüstenbewohner, Allene, die aus der gleichen Welt stammt wie Arglebargle. Aaron hat damals die Verbindung zu der anderen Welt hergestellt und bei diesem Experiment Arglebargle in den Ring verbannt. Dieser ist nun wieder auf seiner Welt, nur eben ohne einen Körper. Sogar mit Aaron haben wir über Allene Verbindung aufgenommen. Allene verliert periodisch ihre stoffliche Substanz, da sie nicht vollständig auf unsere Welt übergewechselt ist. Dadurch konnte sie in Aarons Erde einsinken und mit diesem Kontakt aufnehmen.
Wenn jetzt der Leser dem vorhergehenden Absatz wenig Sinn entnehmen kann, so sei er beruhigt. Ich kann es auch nicht. Dies alles hat sich übrigens auf dem Schiff und in einem kleinen Piratennest abgespielt. Zu meinen inneren, rein privaten Problemen kommt also auch noch ein äußerst verwirrendes Umfeld.
Im Moment bin ich, so befürchte ich, zu wenig nütze.


Inzwischen ist alles nicht besser sondern eher schlimmer geworden. Genau das, was ich befürchtet habe, ist eingetreten. Um mich herum ist alles so normal wie seit eh und je. Nur das die Umgebung mir immer mehr entgleitet. Ich habe mich fast schon häuslich am Schiffsbug eingerichtet. Wenn ich mit dem Rest zusammen bin, reagiere ich mehr als das ich agiere. Ich bin nicht mehr Don Bosco sondern nur noch ein Schauspieler, der sich bemüht, Don Bosco seiner Umgebung darzustellen. Ich getraue mich kaum noch, auch nur irgend etwas zu sagen, da ich mit Sicherheit etwas falsch mache. Verglichen mit früher gehe ich eher neben dem Leben. An einer Stelle habe ich einen Seitenschritt gemacht hinein in eine Sackgasse, während alles auf der Hauptstraße geschäftig weiterströmt.
Ich weiß zwar nicht wie, aber ich habe es geradezu meisterhaft geschafft, mich selbst auszumanövrieren. Das wenn läßt mir keine Ruhe. Was wäre gewesen, wenn ich dieses und jenes anders gemacht hätte? Darüber kann ich stundenlang brüten, wobei mir mein Zeitgefühl so vollständig abhanden gekommen ist, daß mir selbst die Stunden wie bloße Minuten vorkommen. Schrecke ich dann auf aus dem Grübeln, so ist entweder Hunger oder Kopfschmerzen, welche dieses bewirken. Übrigens, ersteres nimmt beständig ab, letzteres zu. Ich brauche nur daran zu denken, wie ich mich früher vollgestopfte habe, um keinen Appetit mehr zu haben. Heute zum Beispiel, während ich dies alles schreibe, habe ich noch nichts gegessen und nur bei dem Gedanken daran wird mir schlecht.
Macht nichts, ich habe ja sozusagen Reserven, von denen ich zehren kann. Ha, ha. Es ist schon sehr merkwürdig. Obwohl ich sehr genau sehe was mit mir passiert, kann ich dennoch nichts dagegen machen. Ich sehe die Symptome, beobachte, zumindest in wachen Phasen wie jetzt, meine Veränderungen und kann nichts daran ändern. Es ist verrückt.
Tief in mir Drinnen gibt es einen Fremden der dies alles auch beobachtet und feststellt. Er lacht. Er lacht laut und herzlich. Mitunter lacht er so gellend, daß er mich nicht schlafen läßt. Und in der Tat ist meine Verfassung an Ironie nicht zu überbieten. Ein Priester, der es gelernt hat, anderen Leuten zu helfen und beizustehen wird zum Patienten. Das Wissen des Priesters eignet sich hervorragend zur Diagnose, nicht aber zur Behandlung. Dazu kommt, das der Priester bereits jetzt weiß, wie die Sache ausgeht, da er ja über seine Erfahrung verfügt. Den Fremden amüsiert dies, ich dagegen...
Ein Rätsel. Was ist klein, häßlich und dick und fängt mit D an? Zu einfach? Welche der drei Eigenschaften wird sich zuerst ändern?
Heute ist nicht viel passiert. Die anderen sind kurz vorbeigekommen da es bei Beowulf eine Besprechung gab. Maija hat Hallo gesagt, ich habe auch artig zurück gegrüßt. Als alle beschäftigt waren bin ich dann zurück zum Bug gegangen. Das ist auch gar nicht weiter aufgefallen.
Ansonsten, es schmerzt. Dagegen habe ich auch nichts. Ganz im Gegenteil, der Schmerz stopft dem Fremden den Mund.
Ich kann es keinem Erzählen aber Aufschreiben. Merkwürdig...früher hat das geholfen.

Ich bin so häßlich
schon in Ordnung
so bist Du
Ich bin so einsam
schon in Ordnung
rasier mir den Kopf

Ich mag dich
werd nicht zerbrechen
Ich lieb dich
werd nicht zerbrechen
ich vermisse dich
werd nicht zerbrechen
Ich töte dich
werd nicht zerbrechen

Ich bin so schuldig
schon in Ordnung
was Du sagst
Ich bin so hornig
schon in Ordnung
mein Kopf ist leer

Ich mag dich
werd nicht zerbrechen
Ich lieb dich
werd nicht zerbrechen
ich vermisse dich
werd nicht zerbrechen
Ich töte dich
werd nicht zerbrechen

Ich bin so verloren
schon in Ordnung
schneid mich selbst
Ich bin so wütend
schon in Ordnung
bleib weit weg

Ich mag dich
werd nicht zerbrechen
Ich lieb dich
werd nicht zerbrechen
ich vermisse dich
werd nicht zerbrechen
Ich töte dich
werd nicht zerbrechen

Ich verbrenne
schon in Ordnung
kann's nicht erklären
Ich habe so Angst
schon in Ordnung
mich kümmert's nicht

Ich mag dich
werd nicht zerbrechen
Ich lieb dich
werd nicht zerbrechen
ich vermisse dich
werd nicht zerbrechen
Ich töte dich
werd nicht zerbrechen

Ich bin so traurig
schon in Ordnung
verlor meine Freunde
Ich bin so stumm
schon in Ordnung
wende mich ab

Ich mag dich
werd nicht zerbrechen
Ich lieb dich
werd nicht zerbrechen
ich vermisse dich
werd nicht zerbrechen
Ich töte dich
werd nicht zerbrechen

Ich bin so wertlos
schon in Ordnung
bleib zurück
Ich kann nicht mehr
schon in Ordnung
leg mich schlafen

Ich mag dich
werd zerbrechen
Ich lieb dich
werd zerbrechen
Ich vermisse dich
werd zerbrechen
Ich töte mich
werd zerbrechen


Heute war nicht viel los. Am morgen war ein ständiges kommen und gehen in der Kapitänskajüte. Später dann ist Casim zu mir gekommen, der Rest wolle etwas von mir. Ich bin mitgegangen in den Laderaum. Dort lag ein toter Elf. Anscheinend haben die anderen versucht herauszukriegen, wie die Schwarzgardisten uns auf die Spur gekommen sind. Das habe ich daraus geschlossen, das ich dem toten Elfen diesbezügliche Fragen zu stellen hatte. Ich hoffe und glaube, das ich für die anderen normal gewirkt habe. Jedenfalls hat auch keiner weiter auf mich geachtet oder irgend etwas erklärt, so daß ich mich sehr schnell unbemerkt wieder zurückziehen konnte. Ich war so nervös, daß ich sogar die erste Frage zwischenzeitlich vergessen hatte. Den anderen scheint es gut zu gehen, besonders Mirithron und Maija sind guter Laune.
Auf dem Weg zurück zum Bug muß ich irgendwo angestoßen sein. Ich habe es erst später bemerkt, da mein rechter Ellbogen aufgeschlagen ist. Außer das meine Robe durch das Blut verdreckt ist, kaum der Rede wert, eine Platzwunde halt.
Dann ist es passiert. Dort wo der Bug mit der Hängematte sein sollte war eine Steppe. Gelbgrünes Gras so weit das Auge reicht. Hinter mir, ich habe mich natürlich sofort umgedreht, dieselbe Szene, nur begrenzt durch den Horizont. Über mir die Sonne. Nicht verdeckt durch die sonst so vertraute und schützende Nebeldecke, sondern unmittelbar und unverhüllt. Dann bin ich ohnmächtig geworden.
Als ich wieder aufwachte lag ich in einer kleinen Senke gelben Sandes. Hinter mir eine Felswand.
Schräg vor mir sitzt eine Frau. Sie ist ungefähr 1,70 m groß, hat braune Augen und ebensolches schulterlanges gelocktes Haar. Sie hat eine unglaublich kleine Stupsnase. Sie sieht nett aus. Sie trägt Hosen, ein grünes Hemd und darüber eine Lederweste. Noch weiter hinten weidet ein Pferd. Jetzt hat sie gemerkt, das ich sie schon die ganze Zeit über anstarre.
"Na endlich, Fremder. Ich hab dich im Merilam gefunden. Wer bist du?"
Klasse. Jetzt bin ich total Plemplem. Das Ganze kann nur bedeuten, das ich endgültig verrückt geworden bin.
"Ich heiße Melanie. Du mußt ziemlich lange in der Sonne gelegen haben. Ungeschützt kann das zum Tod führen. Die Sonne ist sehr stark zu dieser Jahreszeit."
Wenn ich verrückt bin, dann auf höchst angenehme Weise. Sie macht einen sehr sympathischen Eindruck. Ich muß meiner Phantasie wirklich dankbar sein.
"Du sprichst wohl nicht so viel, oder? Verstehst du vielleicht meine Sprache nicht? Fremd genug schaust du ja aus."
Ich stütze mich auf meinen Ellbogen und ein Schmerz durchfährt meinen Arm.
"Autsch, verdammt!"
"Ah, du kannst also sprechen und dazu noch meine Sprache! Wie heißt du?"
"Don Bosco."
"Schön, Don Bosco. Wo kommst du her? So weit im Merilam geht man nicht alleine und ohne Schutz ohne einen triftigen Grund."
Sie hat inzwischen ihren Kopf auf ihre Knie gestützt und scheint keinerlei Befürchtungen zu haben, ich könnte irgendwie gefährlich sein. Langsam werde ich ruhiger und fange wieder an zu denken. Ich war auf dem Piratenschiff, habe den Toten befragt und bin zum Bug zurückgegangen. Das heißt, ich wollte es. Gelandet bin ich in dieser Steppe. Es ist heiß hier. Meine Wunde am Ellbogen ist verschorft. Es gibt zwei Möglichkeiten. Ich bin in eine andere Welt übergewechselt oder die Depressionen sind inzwischen...
"Nun, was ist? Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich hätte dich schon längst töten können oder einfacher dort liegen lassen können, wenn ich dies gewollt hätte."
Wenn ich hier jetzt liege und Melanie mit mir spricht, bedeutet dies, das ein anderer Don Bosco auf dem Schiff liegt, zusammengebrochen, oder irre vor sich hin kichernd, sinnloses Zeug murmelnd, von den anderen umringt und leicht angeekelt betrachtet? Mit anderen Worten, bin ich wahnsinnig? Diese Vorstellung ist mir wirklich peinlich...
"Hallo, Don Bosco, so dumm siehst du doch gar nicht aus. Ich rede ja schließlich auch mit dir."
Aber auch wenn dies alles so ist, was kann ich dagegen machen. Erst einmal muß ich mich mit dem auseinander setzten, was hier und jetzt passiert. Egal ob es wirklich oder nicht ist. Eins ist immerhin tröstlich. Wenn ich verrückt bin, dann nicht für lange, da ich bereits seit Tagen nichts mehr esse und auch nicht vorhabe, dies zu ändern. Irgendwann muß also Schluß sein. Oder schaufelt der Irre auf dem Schiff bereits wieder Essen in sich hinein? Müßig, ich weiß es nicht. "Tja, Melanie, ich bin Don Bosco der Irre. So wie ich das sehe, kommst auch du nur in meiner Vorstellung vor."
"Bitte was? Wahrscheinlich hast du viel eher einen kräftigen Sonnenstich. Ich komme mir sehr wirklich vor und kann mich auch nicht erinnern, das dies mal anders gewesen sein sollte."
Bei diesen Worten lacht sie hell auf und streicht sich die Locken aus dem Gesicht.
"Na, ja. Meine Freundin verläßt mich, ich entschließe mich für den Hungertod, bin auf einem Piratenschiff und jetzt hier bei dir. Das sagt doch eigentlich schon alles."
"Du willst dich umbringen? Das wird aber noch dauern, bei deinem Umfang. Außerdem ist hier weit und breit kein Meer, ja nicht einmal ein See in der Nähe. Wenn dein Piratenschiff also nicht auf Rädern fährt, kommst du von weit her."
Gegen meinen Willen muß ich schmunzeln. Wenn sie von mir spricht, komme ich mir gar nicht so häßlich vor wie ich bin.
"Aber es stimmt. Ich will dich nicht verulken, Melanie. Ich war wirklich auf diesem Schiff und einen Augenblick später in der Steppe."
Ihre Augen verengen sich und sie blickt mich prüfend an. Dabei kräuselt sich ihre Nase.
"Wenn das wirklich stimmt, Don Bosco der Irre, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder du hast auf irgendeine Weise die Welten gewechselt oder..."
"...oder ich bin verrückt. Der Irre halt."
"Langsam, nicht so schnell. Vielleicht läßt sich das eine oder andere ja nachprüfen. Hast du irgendwelche Sachen bei dir? Etwas außerweltliches, sozusagen?"
Den Rest des Satzes sagt sie halb im Ernst halb im Scherz. So als erwarte sie kaum, ich würde darauf eingehen. Leider sieht es so aus, als müßte ich passen. Außer meiner Robe, meinen Schuhen, habe ich nichts bei mir. Hilflos zucke ich mit den Schultern.
"Außer meiner Erinnerung, die, wie schon gesagt, eher gegen mich spricht, habe ich leider nichts. Aber schau doch mal. Ich stecke mitten in einer, nein besser, der Krise und begegne dann dir, einer schönen Frau die sich auch noch mit mir abgibt. Das genaue Gegenteil zu meiner Position auf dem Schiff. Das ganze ist also..."
"Moment. Vielen Dank für dein Kompliment. Trotzdem weigere ich mich, ein Produkt deiner Gedanken zu sein. Außerdem find dich zwar recht nett, bin aber nicht dazu da, dich zu trösten oder was auch immer du dir vorstellen magst. So etwas vergißt du am besten schnell."
Ups, was habe ich jetzt wieder angestellt? Ich beeile mich, mich zu entschuldigen.
"Nein, nein, das meine ich doch nicht."
Ein etwas angestrengtes Schweigen entsteht. Langsam entspannt sich ihre Miene wieder. Anscheinend kann sie nicht lange böse sein. Wir sprechen beide auf einmal los und müssen lachen. Das ist das erste Mal, das ich lachen kann, seit Maija mich verlassen kann. Es tut gut.
"Na, ja. Und was mache ich jetzt mit dir? Kommst du mit nach Utlam?"
"Was ist Utlam?"
Einen Moment sieht es so aus, als wolle sie auffahren. Dann entspannt sie sich wieder.
"Ich vergaß, daß du ja aus einer anderen Welt sein willst. Wer würde auch sonst Utlam nicht kennen? Es ist natürlich unser Siach."
"Siach?", wage ich zu fragen.
Sie seufzt.
"Ich sehe schon, das wird nicht einfach, Don Bosco. Unser Siach ist natürlich unser aller, also auch mein Astat."
"Ah, ja", nicke ich verstehend. Ich halte es für besser im Moment nicht weiter zu fragen. Ich werd es ja noch früh genug sehen. Inzwischen ist die Sonne im Zenit angelangt. Es ist sehr warm. Trotzdem schwitze ich nicht, da die Luft sehr trocken ist.
"Gehen wir?"
"Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber hättest du eventuell etwas zu essen? Ich habe seit drei Tagen nichts mehr gegessen."
"Ah, so? Ich dachte, du wolltest dich umbringen? Na, ja, ich will mal nicht so sein, ich habe noch etwas in den Satteltaschen. Du kannst es haben, während wir zurücklaufen."
So unwirklich wie alles im Moment erscheint, macht es auch keinen Sinn, weiterhin zu hungern, wenigstens nicht, bis ich weiß, woran ich bin.
Etwas später sind wir unterwegs. Melanie auf ihrem Pferd und ich nebenher. Etwas unwohl ist mir schon das ich durch nichts weiter von der Sonne getrennt bin. Die Augen schmerzen, wenn man versucht hinein zu schauen.
"Wie weit ist es ungefähr?", frage ich kauend.
"Es ist nicht so schlimm, normalerweise 3 Tage, mit dir langsamen Klotz bestimmt eine gute Woche."
"Oh!"
Sie lacht. "Das hört sich jetzt schlimmer an als es ist. Wir können uns mit dem Reiten abwechseln. Einer der sportlichsten scheinst du ja nicht zu sein, Don Bosco."
Ich ziehe es in diesem Augenblick vor zu Schweigen und mich für die Schönheiten der Steppe zu interessieren. Dann kommen meine Gedanken unweigerlich zu mir zurück. Bin ich verrückt oder nicht? Alles spricht dafür. Und trotzdem kann ich keinen Fehler in meinen Wahrnehmungen entdecken. Alles sieht und fühlt sich unbedingt real an. Vielleicht...
"Also, Don Bosco. Wie wäre es, wenn du etwas von dir erzählst. Ich höre gerne Geschichten."
"Wie?"
"Ja, vielleicht können wir dir irgendwie helfen zurückzukommen. Das heißt, wenn du das willst."
Melanie geht also fest davon aus, das ich die Welten gewechselt habe und nicht nur ein Verrückter bin. Ich dagegen bin mir da nicht so sicher. Wenn es nur einen Beweis geben würde, wäre ich...
"Also, du bist so schweigsam. Ist es denn so schlimm?"
"Von mir gibt es nicht so viel zu erzählen. Da wo ich herkomme, gelte ich nicht viel. Tatsächlich ist es so, daß ich eventuell für bestimmte Sachen herangezogen werde, soweit ich nützlich bin, ansonsten aber eher geduldet denn respektiert werde. Das war natürlich nicht immer so."
Melanie schaut auf mich herunter. Sie scheint darüber nachzudenken.
"Wer sind diese anderen? Kameraden, Freunde oder Bekannte?"
Ich räuspere mich.
"Es waren mal Freunde, zumindest möchte ich das gerne Glauben."
"Was ist denn passiert? Oder willst du darüber nicht sprechen?"
Eine Zeitlang gehen wir nur still nebeneinander her. Die Sonne wandert langsam in unseren Rücken. Das ist natürlich eine schwierige Situation. Soll ich alles erzählen und damit alles verderben? Soll ich schweigen? Das macht wohl einen noch schlechteren Eindruck.
"Hmm, die anderen sind eine kleine Gruppe von Halbelfen und Menschen. Sie kämpfen gegen die Kaiserin, die unsere Welt unterjocht hat. Was passiert ist? Eine Frau aus der Gruppe war lange Zeit mit einem Freund von mir zusammen. Die beiden haben sich dann getrennt, ich war mit ihr zusammen und jetzt sind sie beide wieder zusammen und ich stehe außen vor."
"Wie? Das hört sich etwas kompliziert an. Aber vielleicht ist es auch nicht so wichtig. Solange du keinen umgebracht hast."
Den Rest des Tages sprechen wir über belanglose Dinge. Trotz der Umstände bin ich guter Dinge, was nicht zuletzt daran liegt, das man sich mit Melanie sehr angenehm unterhalten kann. Am Abend machen wir Rast.
"Müssen wir eine Wache aufstellen, Melanie?"
"Mmm? Oh, nein, ich lasse mein Pferd grasen, wenn etwas passieren sollte, so merkt Locke das rechtzeitig."
"Oh, in Ordnung."
Nach einem kurzen Abendessen legen wir uns dann hin. Melanie hat einen Schlafsack dabei, mir hat sie eine Pferdedecke gegeben unter der ich mich ausstrecke. Lange Zeit kann ich nicht einschlafen. Ich habe Angst, das ich, wenn ich aufwache, wieder auf dem Schiff bin. Wer weiß, was der Morgen bringen wird.
Jemand zieht mir die Decke weg. Wenn es einer dieser dreckigen Piraten ist, so werde ich...
"Du bist ein Langschläfer, Don Bosco!"
Beim Klang dieser Stimme durchfährt mich die Erinnerung. Bevor ich es wage, die Augen aufzumachen, fühle ich nach dem Boden. Es ist Gras! Schließlich schiele ich mit dem linken Auge. Über mir ist Melanie zu sehen, die Decke in der Hand. Um mich herum die Steppe. Ich versuche ein Lächeln.
"Guten Morgen, Melanie."
"Morgen, laß uns kurz frühstücken und dann weiter."
Was soll ich sagen, der Rest der Woche verläuft ähnlich. Langsam lernen wir uns näher kennen. Ich bin die ganze Zeit über sehr vorsichtig. Jederzeit rechne ich damit, das ich entweder auf dem Schiff aufwache oder Melanie mich verläßt. Nur langsam kann ich mich mit der total verrückten Situation anfreunden. Ich erfahre so allerhand über diese Welt. Melanie hat anscheinend akzeptiert, das ich aus einer anderen Welt sein will, und erklärt mir geduldig auch die für sie banalsten und einfachsten Sachen. Umgekehrt erzähle ich von Finfurt, aus meiner besseren Zeit sozusagen.
Schließlich ist es soweit. Wir erreichen Utlam. In einer Senke liegt eine Stadt mit ungefähr vielleicht zehn- bis fünfzehntausend Einwohnern. Kleine verwinkelte Gassen ziehen sich zwischen den ein- bis zweigeschossigen Häusern entlang. Außen herum erhebt sich ein Erdwall der mit einer Palisade gekrönt ist. In regelmäßigen Abständen befinden sich steinerne Türme. Es gibt auf unserer Seite drei Tore, die alle geöffnet sind. Ab- und zu sind Wagen und Leute zu sehen, die Utlam entweder betreten oder verlassen. Das ganze macht einen friedlichen Eindruck.
Im Hintergrund thront eine Burg über der Stadt. Der Herr des gesamten Astats regiert von dort aus. Die Burg will sich nicht so recht in das friedliche Bild einfügen. Es ist so, als wenn schwarzer Felsen wild gewuchert wäre, um dann irgendwann zu erstarren. Das Ergebnis ist ein Alptraum aus Erkern, Säulen, Mauern, Vorsprüngen und Zinnen. Die Burg liegt auf einem Plateau über Utlam und ist nur über eine schmale Straße zu erreichen. Ich bin mit Melanie bereits übereingekommen, daß sie mir etwas Geld leiht, bis ich meinen Beruf als Heiler in Utlam nachgehen kann. Wohnen kann ich solange bei Freunden von ihr.
Als wir durch das Tor reiten, sehe ich, das die Tore gut bewacht sind. Das Torhaus bietet bestimmt zwei- bis dreihundert Soldaten Raum. Kontrolliert werden wir und andere allerdings nicht.
Wir schreiben den 12. Tatr.
Heute habe ich bei Melanie übernachtet. Ihr Mann Petrov hatte nichts dagegen. Sie haben zwei Kinder, Mirko, acht Jahre und seine zwei Jahre ältere Schwester Maja. Petrov ist Schmied. Petrov ist ungefähr dreißig, etwas größer wie ich und längst nicht so dick. Er hat sehr starke Arme. Er hat ein freundliches Gesicht und ein einnehmendes Wesen. Mirko hat wie sein Vater blonde Haare und blaue Augen. Maja kommt mehr nach ihrer Mutter. Sie hat dieselbe kleine Nase und braune Augen.
13. Tatr
Maja und Mirko zeigen mir die Stadt. Ich glaube, sie mögen mich. Ständig hört man ihr Lachen, wenn es ihnen wieder gelungen ist, mich mit irgend etwas zu überraschen. Das ist allerdings auch nicht weiter schwierig, da alles sehr fremd und ungewöhnlich wirkt. Die Leute in der Stadt sind freundlich. Man scheint ein gutes Auskommen zu haben.
"Don Bosco, schau mal, Mujhas!"
Wir biegen um eine Ecke und aus ungefähr zweieinhalb Metern Höhe blicken mich zwei gelbgrüne Augen desinteressiert an. Sie gehören zu einem Tier, das unglaublich lange Beine hat. Ein sandfarbenes struppiges Fell bedeckt es. Es hat zwei Beine auf die es sich nachlässig stützt. Der Kopf ähnelt einem Pferd, nur das die Ohren viel kleiner sind und die Nase länger. Es hat in Brusthöhe zwei kurze Vorderläufe die in Hufen wie bei einer Ziege enden.
Schnell trete ich an die Hauswand zurück.
"Oh!", entfährt es mir. Mirko freut sich diebisch über meinen Schrecken, läßt sich dann aber dazu herab, mir zu erklären, das Mujhas eine Art Weidetier sind, dessen Milch sehr geschätzt wird. Sie sind nur schwer zu fangen und noch schwieriger zu halten. Sperrt man sie in einen Stall, so verkümmern sie innerhalb kürzester Zeit.
16. Tatr
Heute hat sich Petrov mit mir unterhalten. Morgens kam er zu mir und meinte mit ernsten Gesicht, wir müßten uns unterhalten. Wir sind dann in die Schmiede gegangen.
Petrov stützt sich auf einen Hammer und blickt mich an.
"Don Bosco, du bist jetzt schon längere Zeit bei uns. Melanie mag dich und die Kinder auch, trotzdem kannst du nicht auf Dauer bei uns wohnen."
"Ja?", bringe ich dazu heraus.
Petrov lacht als er mein betroffenes Gesicht sieht.
"Niemand will dir etwas böses. Dennoch, wie stellst du dir deine Zukunft vor?"
Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. Zukunft? Jeden Abend habe ich Angst einzuschlafen aus Furcht, es könnte dann vorbei sein. Welche Zukunft? Schon längst hoffe ich, nicht verrückt zu sein, sondern daß ein gnädiges Schicksal mich auf unbekannte Weise...
"Nun?", kommt es freundlich aber bestimmt von Petrov.
"Ich könnte als Heiler arbeiten?"
"Melanie hat mir bereits davon erzählt. Wir meinen, daß du solange bei einem Freund von uns wohnen kannst, bist du das Geld für eine eigene Wohnung hast. Malte ist Barde und hat keine Familie. Ihm macht es nichts aus, wenn du eine Weile bei ihm wohnst."
"Ja, gerne. Ich habe euch sowieso schon sehr in Anspruch genommen."
"Ach, was. Ich muß jetzt arbeiten."
Es sieht so aus, als wenn diese Sache Petrov schwer auf dem Herzen gelegen hätte. Er scheint froh, daß ich gleich mit allem einverstanden bin.
17. Tatr
Heute bin ich bei Malte eingezogen. Er ist ungefähr 1,8 m groß, hat braune Haare und einen Vollbart. Der Bart ist unglaublich struppig. Er ist schlank und nachlässig gekleidet. Seine Wohnung paßt zu ihm.
"Hi, Don Bosco. Du kannst dir im Hinterzimmer eine Ecke freiräumen."
"Hallo Malte, ich freue mich, das ich..."
"Pappellapap. Ich denke, wir werden viel Spaß miteinander haben."
Seine Wohnung liegt ebenerdig und hat drei Zimmer. Überall sind Sachen verstreut. Nur seine Musikinstrumente sind ordentlich in einem Regal aufgestellt. Das ist also Malte.
18. Tatr
Morgens wecken mich die Glockenschläge verschiedener Kirchen. Malte hat mir versprochen zusammen mit mir eine Praxis zu suchen. Er meint auf seine lockere Art, das wäre überhaupt kein Problem, da er viele Leute hier im Viertel kenne. Tatsächlich finden wir auch einen kleinen Raum, der zur Straße hin offen ist. Der Besitzer schuldet Malte anscheinend noch einen Gefallen und überläßt mir auf weiteres den Raum. Bezahlen soll ich, sobald ich etwas verdiene.
19. Tatr
Heute habe ich mein erstes Geld verdient. Die Leute kommen mit Kopfschmerzen, verstauchten Füßen oder anderen Wehwehchen. Das Geld fasziniert mich. Es sind kleine glatt polierte braune Scheiben mit einem Loch in der Mitte. So kann man sie praktisch auf eine Schnur aufreihen. Sie heißen Schrubbel.
24. Tatr
Nachts habe ich Alpträume. Ich weiß noch sehr genau wo ich herkomme. Vor allem, wie schlecht es mir dort ging. Malte hat beschlossen, das ich aufgeheitert werden muß.
"Don Bosco, heute Abend spiele ich im Pahsch. Du kommst mit. Wirst schon sehen, das macht Spaß."
Der Pahsch stellt sich als eine Kellertaverne heraus. Die Tische sind in Nischen untergebracht. Die Rückwand des Raumes wird von einer gewaltigen Theke eingenommen.
"Hallo, Malte, altes Haus!", ertönt es von vielen Seiten.
Malte stimmt anstelle einer Entgegnung seine Harfe und fängt an zu singen. Er ist sehr musikalisch und versiert in seinem Beruf. Man hört, das es ihm Spaß macht.
Ich setzte mich an die Theke. "Ein Bier, bitte."
Den Abend über helfe ich Malte dabei, das Bier zu trinken, das er spendiert bekommt und bestelle auch selber einiges. Später gehen wir von Bier zu Pahsch-Spezial über, das Rezept ist ein Geheimnis.
Ich erinnere mich noch dunkel, eine Jutta kennengelernt zu haben. Ich glaube, wir sind sogar zu mir gegangen, den nächsten Morgen war sie jedenfalls schon weg.
30. Tatr
Ich bin mit Mirko und Maja durch die Stadt gestreift.
"Was ist eigentlich mit der Burg? Kann man sie Besichtigen?"
Maja wird sichtlich bleich und nimmt Mirko bei der Hand.
"Still, laß das keinen hören, Don Bosco!"
Nanu? Ein Geheimnis? Unheilverkündend genug sieht die Burg ja alle mal aus.
"Dort wohnt Urgol, der Herr des ganzen Astats", flüstert Mirko mir zu. "Man sagt, seine Verliese seien voll von allzu Neugierigen. Am gefürchtetsten ist aber Mok, seine rechte Hand."
"Sprich seinen Namen nicht ohne Not!", weist Maja ihn zurecht.
Ich fühle mich, als ob in diesem Moment ein Schatten über uns hinweggeht.
36. Tatr
Ich bin jetzt öfter bei Pahsch. Die Schrubbel die ich verdiene, gebe ich in der Regel auch dort wieder aus. Entweder trinke ich oder spiele Würfel. Ab und zu sehe ich auch Jutta dort. Allerdings habe ich auch mit anderen kurze Affären. Jutta oder den anderen macht das nichts aus. Man kennt sich, ist befreundet, schläft vielleicht miteinander. Wenn ich richtig gut drauf bin, gelingt es mir sogar, für kurze Zeit meine Herkunft zu vergessen.
7. Matr
Ich bin in meine eigene Wohnung gezogen. Sie ähnelt der von Malte und ist nicht weit von meiner Praxis entfernt.
10. Matr
Heute waren wir im Merilam und haben Goschj gejagt. Es sind kleine flinke Steppentiere. Sie haben vier Beine und extrem lange Ohren und große Augen. Ihr Fell ist erdfarben. Sie leben in Erdbauten. Man muß sich sehr vorsichtig anschleichen, da sie Wachen aufstellen die sofort laut pfeifen, wenn Gefahr droht. Malte hat drei und ich einen erwischt. Es war herrlich. Abends haben wir dann bei Anne und Kirstin vorbeigeschaut und die Goschj gegessen. Dann sind wir in den Pahsch gegangen. Ich war schließlich so betrunken, daß ich meine Lieblingsgeschichte zum Besten gegeben habe. Anne im Arm habe ich von Finfurt erzählt und mich immer stärker ereifert, wenn die anderen Gäste mich anspornten. Keiner glaubt mir und doch hören sie die Geschichten gerne als willkommene Abwechslung. Ich bin sogar schon etwas bekannt für diese Macke.
12. Matr
Heute war ich wieder im Pahsch. Den Tag über habe ich einen reichen Händler behandelt und hatte daher abends eine ganze Menge Schrubbel in der Hand.


Es ist passiert. Als ich aufwachte, lag ich in der Hängematte am Bug. Ich habe also alles nur geträumt. Hoffentlich ist den anderen nichts aufgefallen. Ich werde mich nachher noch unauffällig bei Jaffez erkundigen, wieviel Zeit seit der Versammlung beim Toten vergangen ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, die Eintragungen in meinem Tagebuch über Melanie hier auf dem Schiff gemacht zu haben. Sie waren bereits da, als ich aufwachte. Das ganze war wohl ein Tagtraum. Ich habe halt eine viel zu lebhafte Phantasie. Hast du keine Freunde, so schaffe dir halt selber welche. Viele Kinder machen das so. Der Hunger ist wieder da, ein sicheres Zeichen für die Realität. Das macht doch alles keinen Sinn. Der einzige Trost ist, das es irgendwann vorbei sein wird. Wenn wir noch nach Mondschein wollen, so werde ich dies vielleicht noch erleben. Sehr viel länger dauert es glaube ich nicht, bis man verhungert ist. Einen anderen Weg sehe ich nicht. Ich bin einfach zu feige, mich zu erdolchen oder ins Wasser zu gehen. Außerdem bietet es eine gewisse Genugtuung, den Körper, den man so lange mit sich herumgeschleppt hat, Tag für Tag weniger werden zu sehen. Ich vollstrecke eigentlich nur das an mir, was die anderen aber vor allem ich selbst von mir halte. Oder mit anderen Worten, man soll Essen nicht verschwenden. Es macht keinen Sinn, in Don Bosco irgend etwas zu investieren. Wenn ich in letzter Zeit etwas gelernt habe, dann dies.


Jaffez hab ich dann doch nicht gefragt, der war mit irgend etwas beschäftigt. Was auch gar nicht nötig, da die tatsächliche Zeit normal vorangeschritten ist. Ich habe die Monate in einer Nacht erträumt. Das sieht man auch daran, das die Beule am Ellbogen immer noch da ist. Ist es nicht niedlich? Ein Wechsel der Welt muß es schon sein, um meinen Träumen zu genügen. Aber warum bin ich selbst im Traum nicht zurechtgekommen? Am Ende, kurz bevor ich aufgewacht bin, habe ich zuviel getrunken, gespielt, gehurt. Nicht einmal dort konnte ich zufrieden, geschweige denn glücklich sein. Zurück zum wahren Leben auf dem Schiff. Irgendein Kasper ist an Bord gekommen. Mysterion DER Große! Die anderen hatten viel Spaß mit diesem Idioten. Besonders Maija und Mirithron hatten sehr viel Spaß. Was für mich eine große Rolle gespielt hat, für die bestimmt nur eine Bemerkung am Rande war, da ich zufällig in der Nähe war, ist Maijas Wortwechsel mit, jetzt kommt es, Don Bosco! Ob wir uns nicht wieder unterhalten könnten, nein, ob wir nicht wieder miteinander sprechen könnten, es gebe ja keinen Grund, sich an zu schweigen. Ich hab gesagt, von mir aus wäre das kein Problem. Daraufhin sind beide zufrieden abgezogen. So einfach ist das also. Klar kann ich mich mit ihnen jederzeit unterhalten, nur das es nichts zu sagen gibt. Soll ich ihnen die Laune verderben und sagen, nein, ich hasse dich? Was glaubt Maija überhaupt? Das ich gar keinen Stolz habe und mein Versagen ausgerechnet ihr gegenüber auch noch zugebe? Klar geht es mir gut. Solange man nicht unter Freunden ist, sagt man immer, es gehe einem gut. Das erfordert schon die einfache Höflichkeit. Es ist zum kotzen. Wie das wohl wäre, jemanden alles zu erzählen, sich gleichsam die ganze Last von den Schultern zu nehmen? Irgend jemand der nur zuhört, verständnisvoll? Außer Maija hab ich noch nie jemanden getraut. Mirithron war fast wie ein Freund zu mir. Vielleicht besorg ich mir einen Hund, eine Katze oder Goldfische. Denen kann ich dann alles erzählen. Ich hab mal weiter vorn im Tagebuch gelesen. Was hat damals eine gewisse Halbelfin zu mir gesagt? Man muß den Leuten nur vertrauen und alles wird gut. Wo einen Vertrauen hinbringt, sieht man ja zu Genüge an mir. Aber was soll's. In ein paar Wochen hat sich das Problem von selbst erledigt. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes dahingeschwunden. Das ich einen Tages mal so bescheuert sein würde, seelenruhig auf den Tag meines eigenen Todes zu warten und darin auch noch Trost zu finden, hätte ich nie gedacht. Aber es stimmt. So mies ich auch fühlen mag, es ist wenigstens nicht von Dauer. In der Zwischenzeit beobachte ich, was normale Menschen mit ihrem normalen Leben so anfangen.


Heute war es dann so weit. Ich konnte Mirithron und Maija zwar eine ganze Weile an der Nase herumführen, irgendwann war es dann aber nicht mehr zu übersehen. Inzwischen wiege ich noch 65 kg und sehe dementsprechend scheußlich aus. Wie vorhergesehen, haben mich beide erst einmal auf die Feigheit in meinem Verhalten hingewiesen. Außerdem werde ich den anderen natürlich in kurzer Zeit eine Belastung sein. Das stimmt allerdings. Immerhin habe ich mich nicht umstimmen lassen. Ich weiß auch gar nicht, wie die anderen auf so eine Idee kommen könnten. Wenn ich jetzt umkehre habe ich endgültig mein Gesicht verloren. Es ist schon peinlich genug, das ich es nicht fertigbringe, über Maija nur die Schultern zu zucken und freudig weiter zu leben. Ob Verhungern jetzt feiger wie andere Methoden ist? Maija und Mirithron meinen das auf jeden Fall. Ich für meinen Teil möchte in Ruhe gelassen werden. Was erwarten die denn? Das ich sage, nun gut, Schwamm drüber, vergessen wir's? In zwei Wochen werden sie sowieso anders über mich denken. Danach ist man eigentlich froh, das es vorbei ist. Ich bin meine Sorgen und Schmerzen los und Maija und Mirithron sind mich los. Wobei letzteres eigentlich gar nicht so wichtig ist. Bis mein Untergewicht zu auffällig wurde, so sich auch so keiner für mich interessiert, es sei denn, es gäbe etwas zu tun. Endgültig verrückt und unerklärlich ist, daß ich Maija immer noch für eine Freundin halte. Ich hab sogar versucht, ihr meine Motive zu erklären. Und Maija hat sogar angeboten, mir zu erklären, warum sie mich verlassen hat. Das habe ich natürlich dankend abgelehnt. Sie mag mich vielleicht für zurückgeblieben halten, aber ich weiß nur allzu genau um ihre Gründe. Es besteht keinen Not, sich wegen mir einen Verzierung abzubrechen. Ich könnte jederzeit mit ihr über alles (!) sprechen. Nur daß Mirithron ebenfalls jederzeit mit Maija anzutreffen ist. So viel zu dem Angebot.


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