|
Der Sohn des Xagul
Sanft umschmeichelten die Flammen das Eisen, als er es mit der Zange
aus den glühenden Kohlen hob. "Schmiede das Eisen solange es noch
warm ist!", pflegte sein Vater zu sagen. Er wischte sich mit der linken
Hand den Schweiß von seiner rußgeschwärzten Stirn.
Immer wieder gingen ihm diese Worte durch den Kopf, als er die
Metallscheibe auf den Amboß legte.
Mit festem Griff umklammerte er den hölzernen Schaft des schweren
Schmiedehammers. Fast spielerisch hob er das mächtige Werkzeug an,
um es im nächsten Augenblick auch schon auf das Eisen hernieder
sausen zu lassen.
Funken sprühten und die Melodie welche der Hammer auf dem Amboß
spielte, erfüllte die Schmiede.
Dem Außenstehenden mochte dieser Lärm vielleicht unangenehm sein,
aber für die beiden Zwerge, war das laute Hämmern eine wundervolle
Melodie, die sie bei ihrer Arbeit anspornte.
Unter den wuchtigen Schlägen des Schmiedehammers formte Ogrim
sein Werk. Es würde noch einige Zeit brauchen, bis man das Blatt der
Kriegsaxt erkennen würde, die er zu schmieden gedachte.
Er setzte den Hammer ab und ergriff das Eisen erneut mit der Zange.
Es gab ein lautes Zischen, als der Zwerg den heißen Waffenstahl im
Löschtrog abschreckte. Nach einem prüfenden Blick versenkte er das
Metall erneut in den Kohlen der Schmiedeesse.
Als sein jüngerer Bruder Dabrasch, mit dem Blasebalg mehrfach
frische Luft in die Glut geblasen hatte, begann das Eisen erneut im
lodernden Feuer zu glühen.
"Ogrim, Dabrasch - kommt zum Essen!", drang von draußen die
kräftige Stimme einer Zwergin in die Schmiede.
Ogrim wiederholte die Prozedur und nachdem er das Eisen im Wasser
abgekühlt hatte, legt er es zur Seite. "Komm laß uns gehen - du weißt
wie ungemütlich Mutter werden kann, wenn man sie warten läßt.".
Dabrasch hatte im letzten Jahr seine Feuertaufe erhalten. Durch dieses
Ritual, welches ein jeder Zwerg im Alter von 35 Jahren durchläuft, läßt
er seine Kindheit hinter sich und wird zu einem vollwertigen Mitglied
seiner Sippe.
Für Ogrim war sein sechs Jahre jüngerer Bruder schon immer etwas
besonderes gewesen. Als ob es nicht schon merkwürdig genug
gewesen wäre, daß die beiden Zwerge das Licht Deres allein erblickten
und nicht Teil einer Zwillings- oder anderen Mehrlingsgeburt waren.
Dann hatte sich auch noch Dabraschs Bart während der Feuertaufe
schneeweiß gefärbt.
Dies sahen alle als ein bemerkenswertes Zeichen an. Der junge Zwerg
etwas besonderes sein - wenn nicht gar auserwählt war.
Vielleicht würde man sich dereinst Geschichten von einem berühmten
Drachentöter namens Dabrasch, Sohn des Xagul erzählen, dachte
Ogrim bei sich..
Die beiden jungen Zwerge traten aus dem Dunkel der Schmiede in das
helle Licht der Praiosscheibe. Ihr Stand zeigte, daß es an der Zeit war
sich bei einem kräftigen Mahl für den restlichen Tag zu stärken.
Flüchtig wuschen sie sich den Schweiß, den die harte Arbeit hatte
rinnen lassen ab und begaben sich dann zum Wohnhaus ihrer Familie.
In der Küche war ihre Mutter grade damit beschäftigt, die Teller mit
köstlichem Eintopf zu füllen - auch ein Krug mit frischem, kühlem Bier
stand auf dem Tisch.
Ogrim setzte sich auf seinen angestammten Platz. ."Bei Ingerimm,
wenn es so gut schmeckt, wie es duftet, dann habt ihr euch wieder
selbst übertroffen, Mutter!"
Nira wußte, daß ihr Sohn es ehrlich meinte und das es von Herzen
kam. Wenn Ogrim eines war, dann war er ehrlich. Manchmal vielleicht
ein wenig direkt und auch verletzent, aber eine Lüge kam nie über
seine Lippen.
Ihr Blick trübte sich ein wenig, als sie Dabrasch anblickte. Der Junge
sah seinem Vater sehr ähnlich. Auch wenn er letztes Jahr seine
Feuertaufe bestanden hatte würde er für sie immer ihr kleiner Junge
bleiben.
Gedankenvoll seufzte die Zwergin und ließ ihren Blick in die Ferne
schweifen.
"Was bedrückt euch Mutter?", wollte Ogrim wissen. Die Zwergin
blickte zu ihrem Ältesten. "Xagul ist jetzt schon zwei Tage überfällig.
Langsam mache ich mir ein wenig Sorgen um euren Vater. Es wäre
mir ganz lieb, wenn Du dich heute noch auf den Weg machen würdest,
um zu schauen, was ihn aufhält! "
"Du hast Recht Mutter, das ist nicht seine Art. Normalerweise
verspätet er sich nicht. Ich werde gleich nach dem Essen aufbrechen
und ihm entgegengehen."
"Laß mich dich begleiten.", fiel Dabrasch seinem Bruder und seiner
Mutter ins Wort.
"Und wer soll Mutter beschützen während ich weg bin?".
Ogrim schaute seine Mutter an und zwinkerte ihr zu. Er wußte sehr
wohl, das Nira eine erfahren Axtkämpferin war und vor ihrer Ehe mit
Xagul schon so manchen Zwist mit der Waffe ausgetragen hatte. Sie
brauchte bestimmt nicht den Schutz ihres jüngsten Sohnes, aber die
Arbeit in der Schmiede mußte getan werden und so machte er es
Dabrasch etwas leichter den Umstand, daß er zu Hause bleiben sollte
zu akzeptieren.
"Außerdem muß auch noch die Axt fertig werden. Du hast also genug
zu tun.", unterbrach Nira ihren Ältesten und kam zugleich Dabrasch
zuvor, der den Mund zu einer Erwiderung geöffnet hatte.
Mißmutig schob sich der junge Zwerg einen Löffel Eintopf in den
Mund und murmelt sich irgendeine Verwünschung in den Bart.
Auch wenn er seinen Bruder am liebsten begleitet hätte wußte er, daß
er das Wort seiner Mutter zu achten hatte und sie keine Widerworte
dulden würde. Und wenn er eines nicht wollte, dann mochte er sich
bestimmt nicht den Niras Zorn zuziehen.
Nachdem sie die Mahlzeit beendet und Ogrim sich einen zweiten
Humpen mit dem köstlichen Bier gefüllt hatte, dachte er nach.
Allgemein galt die Reichsstraße zur Hauptstadt als sicher. Gewiß kam
es auch hin und wieder mal zu Überfällen, aber davon hätten sie dann
bestimmt schon gehört..
Er würde sich gleich aufmachen und seinem Vater auf dessen üblicher
Strecke entgegen reisen.
Nachdem er seine lederne Reisekleidung angelegt und seinen Rucksack
gepackt hatte, ging er zu seiner Mutter, um sich zu verabschieden.
"In spätestens zwei Tagen werde ich mit Vater zurück sein Mutter. Er
wird schon einen triftigen Grund sein, der ihn aufgehalten hat. Sorgt
euch nicht - ich werde bald mit ihm zurück.sein!"
Er nahm seine Mutter ein letztes Mal in die Arme und verließ das
Haus. Auf dem Weg zur Straße ging er an der Schmiede vorbei. Das
laute Schlagen des Hammers ließ ihn ahnen, daß sich sein Bruder
wieder recht zügig in die Arbeit gestürzt hatte. Vermutlich wollte er
seine Unzufriedenheit verdrängen, da er Ogrinm auf der Reise nicht
begleiten durfte.
Im Vorbeigehen hob der Ältere grüßend die Hand und winkte seinem
Bruder zu. Bei Dabrasch reichte es lediglich für ein mürrisches
Kopfnicken.
Noch einmal überprüfte er, ob der Felsspalter, jene wunderschöne Axt,
die ihm sein Vater zu seiner Feuertaufe geschenkt hatte, sicher am
Rucksack verstaut war und machte sich dann frohen Mutes auf den
Weg.
Während er den Feldweg entlang ging und er einen Hasen
aufgescheucht hatte, fiel ihm das schöne Gedicht ein, welches ihm die
Mutter in den frühen Kindertagen immer wieder vorgetragen hatte:
Die Wolken zieh'n den Schafen gleich
Entlang der saft'gen blauen Weide
Die Praiosscheibe scheint so hell und reich
Das weißes Fell es glänzt wie Seide
Der Wind er treibt sie wie ein Hund
Dem ihnen vorbestimmten Ziel entgegen
Erscheint mir dies auch ohne Grund
Es ist egal sie bringen keinen Regen
Der Riesenlöffler hoppelt froh durchs Feld
Ein Gabelschwanz zieht lauernd seine Kreise
Der Hase lebt in einer kleinen Welt
Er macht es gut auf seine eigne Weise
Den dunklen Schatten sieht er schon
Doch ist's zu spät der Löffler rennt vergebens
Und schon erhält der Vogel seinen Lohn
Dies ist nun mal der Lauf des Lebens
So schreite ich durch Feld und Hain
Der Blüten Duft ich riech ihn gerne
Ich wünscht so könnt es immer sein
All' meine Sorgen sind in weiter Ferne
Ich setze mich unter einem Baume nieder
Lehn mich zurück und mach die Augen zu
Und süße Träume kehren immer wieder
Dies ist der Ort hier find ich meine Ruh
Während er das Gedicht leise aufsagte betrachtet er die Praiosscheibe.
In sieben Stunden würde es dunkel sein, aber bis dahin hätte er schon
längst die Herberge von Angron dem Sohn des Goron, erreicht.
Dort hatte er schon einmal mit seinem Vater übernachtet, als er ihn das
erste und einzige Mal nach Gareth begleitet hatte. Xagul hatte seinen
Sohn einige Monate nach seiner Feuertaufe mitgenommen, um ihm die
große Stadt zu zeigen.
Es war ein aufregendes Erlebnis gewesen. Von den ganzen Eindrücken
war er so überwältigt gewesen, daß er die meiste Zeit mit offenem
Mund durch die Stadt gestolpert war und die eine oder andere Fliege
verschluckt hatte.
Er konnte beobachten, wie geschickt es sein Vater verstand zu
feilschen und immer einen guten Preis für die Waffen herausschlug,
die er verkaufte. Ihm war klar, daß er noch viel lernen mußte.
Schließlich hatte er die Reichsstraße erreicht. Noch gut drei Stunden
und er würde bei Angron einkehren können. Das Wetter meinte es gut
mit ihm und so setzte er seinen Marsch frohen Mutes fort.
Am Horizont konnte er den qualmenden Schornstein der Herberge
entdecken. Er beschleunigte seinen Schritt und eine gute Stunde später
stand er vor der Eingangstür die in den Schankraum führte. Schon von
draußen konnte man singende Gäste und klirrende Becher hören. Es
schien so, als ob eine größere Feier im Gange sei.
Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte in den Raum. Der angenehmer
Geruch von frisch gezapften Bier stieg ihm in die Nase. Es schien so,
als hätten sich alle Besucher der Herberge um einen Tisch versammelt.
Sie prosteten sich zu, lachten und schienen sehr ausgelassen zu sein.
"Willkommen, Sohn des Xagul! Nehmt euch ein frische Bier und
kommt zum Tisch. Ihr müßt unbedingt die Geschichten hören, die hier
zum Besten gegeben werden"
Ogrim schaute verdutzt. Aus dem Pulk der Menschen und Zwerge, die
den Tisch umlagerten hatte sich ein Zwerg gelöst, den er sofort als
Angron erkannt hatte.
Der Wirt winkte ihm fröhlich mit einem Humpen zu, dessen
Schaumkrone bei jeder Bewegung auf dem Gefäß zu tanzen schien.
"Ingerimm zum Gruße Meister Angron. Was ist...." Mehr konnte er
nicht sagen, denn schon hatte der Wirt ihm den Humpen in die Hand
gedrückt, ihm mehrfach überschwenglich auf die Schulter geklopft und
ihn schließlich durch die Menge bis zum Tisch vorgeschoben.
Zu Ogrims Erstaunen saß dort sein Vater, Arm in Arm mit einem ihm
unbekannten Zwerg.
"Die beiden zechen jetzt schon seit über fünf Stunden und ihre
Geschichten werden mit jedem Schnaps besser" - "Wirt noch eine
Runde für die beiden wackeren Recken", hörte er einen der
Umstehenden sagen.
Xagul erkannte seinen Sohn erst, als er direkt vor ihm stand,
unterbrach seine Erzählung und schaute Ogrim fragend an. "Vater,
Mutter macht sich Sorgen. Wir haben dich schon vor zwei Tagen
wieder erwartet."
"Setz dich Sohn - nimm dir ein Bier und halte deinem Vater keine
Vorträge. Ich habe gute Geschäfte in Gareth gemacht, die mich ein
wenig länger aufgehalten haben und darf nun wohl ein bißchen feiern -
Ingrasch ich möchte dir meinen ältesten Sohn Ogrim vorstellen. Ich
habe dir ja schon von ihm erzählt."
Ogrim setzt sich auf den Hocker, der ihm angeboten wurde und
betrachtete Ingrasch. Der Zwerg schien ungefähr so alt wie sein Vater
zu sein und in seinem Gesicht hatte er einige Narben, die von
kriegerischen Auseinandersetzungen zu stammen schienen.
Daß es sich um einen Kämpfer handelt war leicht zu sehen. Der Zwerg
trug ein langes Kettenhemd und neben seinem Hocker lehnte eine
schwere Axt. Ehrfurchtsvoll betrachtete er den Freund seines Vater.
Auch ein wenig Neid lag in seinem Blick, ob der ganzen Abenteuer, die
dieser Fremde schon alles erlebt haben mochte.
Ingrasch schaute den Jungen an und nickte zustimmend mit dem Kopf.
"Du hast Recht - ein kräftiger Bursche. Er erinnert mich an dich, als
wir uns damals trafen. Das waren noch Zeiten, als du mehr mit der Axt
geschwungen hast als mit dem Schmiedehammer."
Der alte Kämpe lachte laut und stürzte im nächsten Atemzug den vor
ihm stehenden Schnaps hinunter. Gleichzeitig, er hatte das Gefäß noch
nicht abgesetzt, bestellte er einen neue Runde..
"Es gibt Zeiten zum Kämpfen und Zeiten um eine Familie zu gründen.
Ich war einfach des Kämpfens überdrüssig - bin halt doch nicht mehr
so ein Draufgänger wie du.", meinte Xagul, während er seinem Sohn
auf die Schulter klopfte.
"Wir haben uns vorhin über dich unterhalten mein Sohn. Ich habe
Ingrasch gefragt, ob er nicht mit zu uns kommen würde, damit ich ihm
meinen Sohn vorstellen könne. Ich habe ihm erzählt, daß du vielleicht
Lust hast ihn eine Zeit lang zu begleiten und von ihm zu lernen?"
Ogrims Augen wurden immer größer. Hatte Ingerimm seine Wünsche
erhört?
"Aber Vater die Schmiede...." - "Die kann auch mal eine Zeitlang ohne
dich auskommen. Dabrasch ist ein guter Schüler und wird mir
ausreichend zur Hand gehen können. Nutze die Zeit, solange du noch
jung bist. Und jetzt laßt uns trinken und lausche den Geschichten, die
Ingrasch zu erzählen weiß!"
Stunden vergingen und Ogrim hörte Erzählungen von grausamen
Drachen und tapferen Zwergen. Er lauschte fasziniert und merkte gar
nicht wie die Zeit verging. Die meisten der anderen Gäste waren schon
zu Bett gegangen. Nur die vier Zwerge saßen noch am Tisch, tranken
und unterhielten sich.
Schließlich stand Angron auf und entschuldigte sich höflich. Er müsse
morgen wieder früh raus und wolle noch in der Küche für ein wenig
Ordnung sorgen.
Drei Biere später waren auch die beiden alten Weggefährten des
Redens müde und beschlossen die Zimmer aufzusuchen, um am
nächsten Morgen gemeinsam zu Xaguls Schmiede aufzubrechen.
Xagul wußte, daß Nira Verspätungen nicht liebte, aber wenn er seinen
alten Weggefährten mitbrächte, würde sie ihm bestimmt verzeihen.
Ogrim der die ganze Zeit recht wenig zum Gespräch beigetragen hatte
und immer noch unter dem Eindruck der spannenden Geschichten
stand, schloß sich seinem Vater an.
Auf dem Weg ins Zimmer nahm Xagul seinen Sohn zur Seite. "Laßt
uns jetzt zu Bett gehen und Morgen alles weitere besprechen. Mir
scheint es die rechte Zeit zu sein, daß du in die Welt hinausziehst, dir
die Hörner abstößt und eines Tages zu deiner Sippe zurückkehrst. Wer
weiß vielleicht wirst du dir sogar Reichtum und Ruhm verdienen.
Allerdings müssen wir noch mit deiner Mutter sprechen und das wird
vermutlich das größte Problem werden....aber laß das meine Sorge
sein!"
Als der junge Zwerg sich ins Bett legte, war er der festen
Überzeugung, das er in dieser Nacht nicht schlafen könne - zu
spannend waren die Erzählungen gewesen und noch immer spukten die
Bilder durch seinen Kopf. Doch schon nach wenigen Minuten fielen
ihm die Augen zu und er träumte von einem heldenhaften Kampf gegen
einen mächtigen Drachen und einem riesigen Hort voller Gold und
Edelsteinen.
|