Goethes Erben / Schach ist nicht das Leben
Sicher muß man die Lobpreisungen eines waschechten Goethes Erben-Fans ein wenig relativieren, aber dennoch glaube ich,
daß ich nicht übertreibe, wenn ich behaupte, daß diese CD jetzt schon zu den beachtenswerten Veröffentlichungen
des Jahres 1997 gezählt werden darf. Es ist sicher nicht der namhafte Produzent F.M.Einheit, der dem neuen Werk von Goethes
Erben den entscheidenden Schliff verleiht, auch wenn sein Name in Form eines roten Buttons auf dem Jewel Case der CD werbewirksam
eingesetzt wurde.
Bereits die Aufführungen des letzten Jahres ließen erkennen, daß sich die Erben vorallem musikalisch im Vergleich
zu früher weiterentwickelt haben. Violine, Cello, Akustik- und E-Gitarre, Baß und Schlagzeug ergänzen das bislang
ganz in der Hand von Mindy Kumbalek liegende, vorwiegend elektronische Instrumentarium und verwandeln das einst minimalistische
Klangbild in ein kleines Orchester. Wer glaubt, die Musik hätte Oswalds Texte nun in den Hintergrund verbannt, der irrt. Vielmehr
steht sie nun gleichberechtigt neben den faszinierenden Wortkreationen.
Überrascht hat mich der beschwingte Pfeifer auf "Nur ein Freund", der einmal mehr beweist, daß Goethes Erben eben nicht
nur die tieftraurigen Moll-Töne anschlagen können oder wollen. "Schach ist nicht das Leben" hat nicht das für viele
so düster erscheinende Grundmotiv seiner Vorgänger, obwohl das Attribut "ernst" immer noch angemessen erscheint.
Goethes Erben werden sicher weitere Zuhörer gewinnen, wenn auch für die große Masse das Material weiterhin zu
schwer verdaulich sein wird. Ich wünsche mir für Oswald, daß er es bald schafft, sein Musiktheater auf den
berühmten "Brettern, die die Welt bedeuten" aufzuführen. Die Auftritte im Planetarium in Jena und in der Plauener Festhalle
waren ja schon einmal ein leichter Vorgeschmack.